FRÜSCH VOR LÄBERE WÄG – Spaltung beenden
22.10.2021 KolumneSpaltung beenden
Als ich mit einigen Parteikollegen am vergangenen Wochenende in der Stadt Zug im Ausgang war, fiel er. Der Satz, welcher unsere aktuelle Situation traurigerweise auf den Punkt bringt. Ein Serviceangestellter, links-grün angehaucht mit wilder Hippiefrisur, ...
Spaltung beenden
Als ich mit einigen Parteikollegen am vergangenen Wochenende in der Stadt Zug im Ausgang war, fiel er. Der Satz, welcher unsere aktuelle Situation traurigerweise auf den Punkt bringt. Ein Serviceangestellter, links-grün angehaucht mit wilder Hippiefrisur, war gegen Mitternacht bei zirka 5° C gerade dabei, eine Runde warmer Getränke zu uns auf die Terrasse zu bringen. «Sogar die Hunde haben es besser als wir Unzertifizierten», meinte der offenbar ungeimpfte Kellner und blickte zum Innenbereich der Bar. Mir lief es kalt den Rücken runter – nicht der Temperatur wegen. Ich frage mich seither noch intensiver, wie es so weit kommen konnte. Wie sind wir an diesen Punkt gelangt, an welchem unzertifizierte Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden? Weshalb haben wir die Spaltung innerhalb von Freundesund Familienkreisen derart gross werden lassen? Die Antwort lautet paradoxerweise: Wir haben diese Entscheidungen noch gar nicht getroffen.
Lassen Sie mich gleich zu Beginn etwas unmissverständlich klarstellen: Ich bin seit Ende Mai 2021 zweifach geimpft und verfüge somit über ein Covid-Zertifikat. Ich erachte Covid-19 als ernst zu nehmende Gefahr für Risikopatienten und halte es für das wichtigste Gebot dieser Pandemie, die Kapazitäten der Intensivpflegestationen nicht zu erschöpfen. Aufgrund meiner beruflichen Auslastung und Verantwortung als Gemeindeverwalter konnte und kann ich es mir nicht erlauben, aufgrund von Quarantäne tagelang auszufallen – das war mein persönlicher Beweggrund für die Impfung. Ich hatte nur leichte Nebenwirkungen und kann die Vakzination grundsätzlich weiterempfehlen.
Der vom Bundesrat zwischenzeitlich eingeführte faktische Impfzwang (impfen oder Tests alle paar Tage selber bezahlen) ist mit meinen freiheitlichen Grundwerten jedoch nicht vereinbar – ich fühle mich in diesen gar erschüttert. Das Covid-Zertifikat wende ich im Inland deshalb nur dann an, wenn dies aus wichtigen Gründen unausweichlich ist. Zahlreiche Veranstaltungen mit Zertifikatspflicht habe ich aus Solidarität den Unzertifizierten gegenüber seither abgesagt. Ich kann mich an keinen politischen Entscheid erinnern, welcher unsere Gesellschaft auch nur annährend so stark gespalten hat wie die seit 13. September 2021 geltende Ausweitung der Zertifikatspflicht. Wer im Sinne der umgekehrten Beweislast nicht nachweisen kann, kein Träger von SARS-CoV-2 zu sein, darf nicht mehr ins Museum gehen – Bordellbesuche sind jedoch weiterhin zertifikatsfrei möglich. Ginge es dem Bundesrat tatsächlich darum, die Infektionszahlen zu senken, wäre der vollgestopfte öV als heilige Kuh der Politik übrigens auch nicht vom Zertifikatsgebot ausgenommen. Die Alternative zur Zertifikatspflicht lautet: aktiver Schutz der Risikopersonen. Wer sich des Weiteren selber schützen will, ist seit gut 20 Monaten bestens und im Detail über die eigenverantwortlichen Massnahmen informiert – impfen, Abstand halten, Hände waschen, Maske tragen, grossen ungeschützten Menschenansammlungen in Innenräumen fernbleiben. Wir müssen endlich lernen, mit Corona zu leben.
Ich kann daher inhaltlich durchaus nachvollziehen, dass sich viele normal denkende Personen aus der Mitte unserer Gesellschaft hinaus aufmachen, um in Bern gegen die Zweiklassengesellschaft und die oftmals unverhältnismässigen Corona-Massnahmen friedlich zu demonstrieren. Selbstverständlich gilt es, die geschehenen Ausschreitungen – von welchen Organisationen diese auch immer ausgegangen sind – zu verurteilen.
Glücklicherweise sind wir in unserer direkten Demokratie jedoch nicht alternativlos auf Kundgebungen angewiesen, um politische Forderungen aufs Tapet zu bringen. Am 28. November hat das Stimmvolk die Möglichkeit, mit einem Nein zur Erweiterung des Covid-19-Gesetzes die vorherrschende Diskriminierung Unzertifizierter zu beenden, die Spaltung der Gesellschaft rückgängig zu machen. Diese Entscheidungen sind, wie einleitend angesprochen, noch nicht gefällt. Wenn der Bundesrat uns spaltet, müssen wir uns einen – egal ob geimpft, getestet, genesen oder einfach nur gesund.
NILS FIECHTER
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