NACHHALTIG – Holzenergie im Kandertal

  19.10.2021 Kolumne

Holzenergie im Kandertal

Bundesrat Parmelin hat mir eben erklärt, dass meine Wärmepumpe in den kommenden Jahren nicht mehr die zuverlässige Heizung sein wird, die sie bisher war – zumindest in den erwartungsgemäss kritischen Monaten der Stromversorgung Februar, März und April.
Dann werde ich wohl alles in der Nähe meines kleinen Schwedenofens machen müssen: essen, lesen, arbeiten und anderes mehr. Denn dank meines Holzvorrats kann ich mich zumindest notdürftig selbst über Wasser halten; dies notabene zu jeder Tages- und Nachtzeit und erst noch CO2-neutral.
Anderthalb Jahrhunderte ist es her, dass der Bund die Notbremse zog und das bis heute gültige Waldgesetz erliess – weil die ganze Bevölkerung mangels Alternativen ausschliesslich mit Holz heizte und kochte, der Wald immer lichter wurde, sich nicht mehr genügend erneuerte und in den Bergen seine Schutzfunktion verlor. Deshalb war dieser gesetzliche Schutz vor Übernutzung zu Beginn auch nur für die Bergwälder gültig.
Den Anlass zu dieser Kolumne gibt mir die Posse um den zukünftigen Holzschnitzellagerplatz im Wengmattiwald in Frutigen. Da ist «Wald» etwas hoch gegriffen; ein Reststück von etwa einer Hektare, eingeklemmt zwischen Fussballrasen, Indus trieareal und der Kander; der Schnitzelplatz belegt davon ungefähr einen Fünftel. Nicht, dass ich Wald generell nicht schätzen würde, aber offensichtlich habe ich eine leicht andere Wertvorstellung von diesem Stück Land als einzelne Frutigländer Leserbriefschreiber, die sich vor einiger Zeit zu diesem Thema geäussert haben.
Das Waldgesetz wurde in den letzten Jahrzehnten erweitert und an die heutigen Bedürfnisse der Gesellschaft angepasst: Der Wald ist nun Naherholungsgebiet, Trinkwasserfilter und bietet Raum für Biodiversität. Bau- und Brennholzlieferant sowie Steinschlag- und Lawinenschutz bleiben natürlich immer noch als zentrale Funktionen des Waldes im Gesetz erhalten.
Bevor ich aber das Thema Holzenergie vertiefe, möchte ich noch auf die grössten Unterschiede zwischen dem heutigen Zustand des Waldes und demjenigen vor 150 Jahren hinweisen: Ein grosser Teil des Waldes ist mittlerweilen unternutzt, und die Waldfläche der Schweiz (rund ein Drittel der Landesfläche) wächst heute jährlich um die Fläche des Thunersees! Auch deshalb sind Forderungen nach Ersatzaufforstungen bei isolierten Waldflächen mit ein paar wenigen Fichten mitten im Siedlungsgebiet aus meiner Sicht nicht zielführend. Aber das ist ein Thema für eine spätere Kolumne. Die Waldwirtschaft der Schweiz kann in vielen Wäldern nicht kostendeckend betrieben werden; das betrifft nicht nur den Wald im Gantengraben, wo ich am Sonntag herumstieg, sondern rund die Hälfte des Schweizer Waldes. Das wertvolle Bauholz durfte zwar in den letzten Monaten europaweit von einem coronabedingten Preisanstieg profitieren, aber die Schweiz mit ihrer schwierigen Topografie und den Auflagen für schonende Bewirtschaftung kann kostenmässig nicht mithalten. Borkenkäfer und Co. haben das ihre dazu beigetragen, sodass sehr viel Restholz anfällt. Dabei ist es für Schutzwälder entscheidend, dass sie nicht überaltern, sondern regelmässig genutzt werden.
Diesen Sommer hat das Parlament 100 Millionen Franken Soforthilfe für Waldbewirtschafter gesprochen, auch im Hinblick auf den Klimawandel. Das wird einen Teil der nicht gedeckten Kosten abfedern helfen. Und seit Kurzem steigen Heizöl und Erdgas in unbekannte Höhen, was Brennholz im Vergleich konkurrenzfähig macht. Aber beides sind kurzfristige Effekte. Nachhaltig und kostendeckend unsere Wälder nutzen heisst, mit einheimischem Holz bauen und heizen. Dafür sollen auch die Gemeinwesen und die kantonale Verwaltung ihren Beitrag leisten. Und im Fall Wengmatti kann dies beispielsweise mit der Genehmigung eines Holzschnitzellagers im Wald erbracht werden, das eine rationelle Verwendung des Restholzes aus den regionalen Wäldern und Sägereien erlaubt – dank tieferen Lager- und Transportkosten. Das Fernwärmenetz im Dorf erlaubt eine effiziente, weil zentrale Verbrennung dieser Schnitzel - auch im Vergleich zu meinem Schwedenofen.

Und noch ein abschliessender Blick auf die CO2-Speicherfunktion des Waldes. Der entscheidende Beitrag für einen abgeschwächten Klimawandel ist nicht, dass Bäume (länger) stehen bleiben, sondern die Verwendung des Holzes. Holz als Baustoff für ein Haus entzieht CO2 dauerhaft dem Kreislauf und ersetzt Beton, und Brennholz ersetzt Öl direkt. Alte Bäume hingegen geben einige Jahre nach ihrem Tod alles CO2, das sie in ihrem Leben gespeichert haben, wieder frei.

SAMUEL B. MOSER

NACHHALTIG@BLUEWIN.CH


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