POLITISCHES PARKETT – Unverständnis, Bedenken und Ärger
05.10.2021 KolumneUnverständnis, Bedenken und Ärger
Im Vorfeld der Herbstsession gab vor allem die vom Bundesrat beschlossene Einführung des Covid-Zertifikats viel zu reden. Mit Sessionsbeginn am 13. September traten auch die – meiner Ansicht nach nicht faktenbasierten – ...
Unverständnis, Bedenken und Ärger
Im Vorfeld der Herbstsession gab vor allem die vom Bundesrat beschlossene Einführung des Covid-Zertifikats viel zu reden. Mit Sessionsbeginn am 13. September traten auch die – meiner Ansicht nach nicht faktenbasierten – Verschärfungen in Kraft. Dass solche Entscheide in der Bevölkerung für Unverständnis, Bedenken und Ärger sorgen, kann ich gut verstehen. Mir geht es auch so. Im Juni hatte ich per Minderheitsantrag verlangt, dass die Rechtsgleichheit gewahrt bleiben müsse und es keine Zweiklassengesellschaft geben dürfe – leider erfolglos, denn das Parlament legte damals mit der Anpassung des Covid-Gesetzes die Grundlage für ebendieses Covid-Zertifikat. Die Folgen sind momentan sichtbar: Das Personal der betroffenen Betriebe muss sich mit Kontrollen von Gästen und Kunden bemühen, und die Einbussen, gerade im Gastgewerbe im Oberland, sind riesig. Dass der Bundesrat in seinen Jahreszielen für 2022 die Erhaltung des Wohlstands, den nationalen Zusammenhalt und die Sicherheit ins Zentrum stellte, steht für mich doch in einem grossen Widerspruch zu seiner momentanen Politik. Insgesamt will der Bundesrat 120 Projekte angehen, und finanziell sei das Ziel, keine weiteren Schulden anzuhäufen, betonte Bundespräsident Guy Parmelin bei seiner Präsentation.
Ein Ordnungsantrag von Christian Wasserfallen (FDP, BE), die Kohäsionsmilliarde in der Herbst- statt in der Wintersession zu behandeln, fand eine Mehrheit. Dieser Umstand liess nichts Gutes erahnen. Obwohl das Parlament ursprünglich beschlossen hatte, die sogenannte «Kohäsionsmilliarde» erst freizugeben, wenn die EU sämtliche «diskriminierenden Massnahmen» gegenüber der Schweiz einstellt, wollten FDP, Linke und die Mitte das hart erarbeitete Steuergeld im Eiltempo der EU überweisen. Die EU diskriminiert momentan die Schweiz, wo sie kann. Betroffen sind unter anderem Börse, Studentenaustausch oder auch Forschungsprogramme. Seit der Abstimmung über die Masseneinwanderungs-Initiative lässt die EU keine Gelegenheit aus, die Schweiz zu piesacken. Nach dem umsichtigen Entscheid des Bundesrats im Frühling, die Verhandlungen zum einseitigen Rahmenabkommen mit der EU einzustellen, schlug nun ebendieser Bundesrat dem Parlament vor, die 1,30 Milliarden Franken als Zahlung an die EU auszulösen. In zahlreichen Voten wurde Aussenminister Ignazio Cassis gefragt, was denn die Gegenleistung für die Zahlung sei. Es gehe nicht um eine Gegenleistung und sei auch nicht entscheidend, als was die Zahlung in der EU angeschaut werde. Herr Šefcovic, zuständig in der EU für die Beziehung zur Schweiz, sagt hingegen, dass dies der Beitrag an den Marktzugang mit der EU sei. Man stelle sich dies einmal vor: Die Schweiz importiert mehr Güter aus der EU, als sie in die EU exportiert. Da müsste fairerweise die EU der Schweiz einen noch höheren Beitrag als Marktzugang zahlen. Das Ganze kommt also eher einer Erpressungszahlung gleich. Nur als kleine Erinnerung: Die Schweiz hat für 24 Milliarden die NEAT gebaut, profitieren tut vor allem der Transitverkehr der EU. Letzten Endes folgte der Rat mit 135 zu 52 Stimmen dem Vorschlag des Bundesrates und folgte dem Ständerat. Gegen dieses überstürzte Nachgeben und unmotivierte Einknicken vor Brüssel stimmte neben zwei Vertretern aus der Mitte die geschlossene SVP-Fraktion. Leider hat hier das Volk keine Möglichkeit, mitzureden.
ANDREAS GAFNER, NATIONALRAT EDU