RICHTIG ODER FALSCH? Sommerlich auf Eis und Schnee ...
05.10.2021 AllerleiMan hört es immer wieder: Wer im Winter mit Sommerpneus einen Autounfall verursacht, muss für den Schaden selbst aufkommen. Das tönt erst mal nachvollziehbar – aber stimmt es auch?
MARK POLLMEIER
Die klare Antwort auf diese Frage lautet: Jein. In der Schweiz gibt ...
Man hört es immer wieder: Wer im Winter mit Sommerpneus einen Autounfall verursacht, muss für den Schaden selbst aufkommen. Das tönt erst mal nachvollziehbar – aber stimmt es auch?
MARK POLLMEIER
Die klare Antwort auf diese Frage lautet: Jein. In der Schweiz gibt es keine gesetzlich geregelte Pflicht, das Auto im Winter mit speziellen Pneus auszurüsten. In Artikel 29 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) heisst es allerdings: «Fahrzeuge dürfen nur in betriebssicherem und vorschriftsgemässem Zustand verkehren. Sie müssen so beschaffen und unterhalten sein, dass die Verkehrsregeln befolgt werden können und dass Führer, Mitfahrende und andere Strassenbenützer nicht gefährdet und die Strassen nicht beschädigt werden.»
Also einmal angenommen, die Strassen sind im Winter tief verschneit, stellenweise herrscht vielleicht sogar Glätte. Ein Autofahrer, der in dieser Situation auf Sommerpneus unterwegs ist, dürfte Mühe haben, die zitierten gesetzlichen Vorgaben zur Verkehrssicherheit einzuhalten. Wer aber wegen ungenügender Bereifung einen Unfall verursacht oder den Verkehr behindert, kann bestraft werden. Es droht dann beispielsweise ein Entzug des Führerausweises für mindestens einen Monat. Möglich sind auch eine Busse oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren wegen grober Fahrlässigkeit beziehungsweise wegen des Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges (Art. 90 Abs. 2 SVG).
Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit
Wer im Winter auf Sommerpneus einen Unfall verusacht, dem können zudem die Versicherungsleistungen gekürzt werden – oder die Versicherung fordert einen Teil ihrer Leistung zurück (Regress wegen grobfahrlässigen Verhaltens). Ausschliessen lässt sich das bei manchen Anbietern durch den Abschluss einer Zusatzversicherung, die Grobfahrlässigkeit berücksichtigt.
Einfacher ist es allerdings, sich auf winterliche Verhältnisse einzustellen, und das funktioniert in alpinen Regionen am besten mit Winterpneus. Durch ihre angepasste Gummimischung haben diese schon ab Temperaturen von etwa 7°C eine bessere Bodenhaftung und damit auch einen kürzeren Bremsweg.
Wichtig fürs sichere Fahren ist ausserdem die Profiltiefe. Das vorgeschriebene Minimum beträgt 1,6 Millimeter. Wer diesen Wert unterschreitet und kontrolliert wird, muss mit einer Busse von 100 Franken rechnen – pro fehlerhaftem Reifen, wohlgemerkt. Ohnehin empfehlen Automobilclubs, die Toleranzen nicht zu weit auszureizen und besser mit etwas mehr Profil unterwegs zu sein. Als sichere Mindestprofiltiefe nennt etwa der TCS 4 Millimeter.
Wer testen will, ob die eigenen Winterpneus noch mal eine Saison durchhalten, braucht dazu lediglich einen Zweifränkler. Steckt man die Münze in die Profilrillen, sollte der Sockel der «Helvetia» nicht sichtbar sein. Ragt die Sockellinie aus der Rille heraus, wird es Zeit für einen Pneuwechsel.
Wie ist es in anderen Ländern?
• Die Regeln im Fürstentum Liechtenstein entsprechen denen der Schweiz, sprich: keine Winterreifenpflicht, aber rechtliche Konsequenzen und Mithaftung, wenn auf Sommerpneus ein Unfall verursacht wird.
• In Deutschland gibt es eine situative Winterpneupflicht. Das heisst: Wer bei winterlichen Verhältnissen mit mit dem Auto unterwegs ist, muss mit Winterreifen fahren. Wer solche Situationen komplett vermeiden kann, braucht keine Winterpneus.
• Ähnlich ist es in Österreich. Dort herrscht zwischen dem 1. November und dem 15. April Winterreifenpflicht auf allen vier Rädern bei winterlichen Verhältnissen (Mindestprofiltiefe 4 Millimeter). Alternativ können bei geschlossener Schneedecke auf zwei Räder Schneeketten aufgezogen werden.
• In Frankreich gibt es eine Empfehlung, zwischen Mitte Oktober und Mitte März (oder wenn die Temperaturen unter 7 °C fallen) mit Winterpneus unterwegs zu sein. Eine generelle Winterreifenpflicht besteht nicht, sie kann aber je nach Witterungs- und Strassenverhältnissen eingeführt werden. Angezeigt wird dies durch entsprechende Verkehrsschilder. In diesem Fall müssen alle vier Räder mit Winterreifen ausgestattet sein (Mindestprofiltiefe 3,5 Millimeter).
• Uneinheitlich ist es in Italien, jede Provinz erlässt ihre eigenen Regeln. Eine Winterreifenpflicht kann bei entsprechenden Strassenverhältnissen kurzfristig angeordnet werden (Mindestprofiltiefe 1,6 mm). In höheren Regionen wie dem Aostatal oder auf manchen Passstrassen sind Winterpneus vom 15. Oktober bis 15. April sogar obligatorisch. Wegen der Vielzahl verschiedener Regelungen empfiehlt es sich, im Winter in Italien generell nur mit Winterpneus unterwegs zu sein.