Ein Weihnachtsspaziergang
26.11.2021 KolumneWenn in Dörfern und Städten wieder die Weihnachtsbeleuchtungen montiert werden und die Weihnachtsmärkte starten, fröne ich einem besonderen Hobby. Als Religionswissenschaftler habe ich mich vor Jahren mit einem spannenden Thema beschäftigt: Das Bild des «Santa Claus» in den USA. Heute ist ...
Wenn in Dörfern und Städten wieder die Weihnachtsbeleuchtungen montiert werden und die Weihnachtsmärkte starten, fröne ich einem besonderen Hobby. Als Religionswissenschaftler habe ich mich vor Jahren mit einem spannenden Thema beschäftigt: Das Bild des «Santa Claus» in den USA. Heute ist das ein ziemlich dicker, freundlicher alter Mann mit weissem Bart und roten Bäckchen. Was aber weniger bekannt ist: Diese Vorstellung vom Santa Claus ist viel weniger alt, als man meint. Sie wurde 1931 als Werbefigur des Getränkekonzerns Coca Cola ins Leben gerufen.
Viele Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass es zum Thema Weihnachtsfest konkurrierende Vorstellungen in E uropa und in den USA gibt: Die schweizerische Entsprechung zum Weihnachtsmann ist der Samichlaus. Aber der hat ja mit Weihnachten gar nichts zu tun, sondern kommt am 6. Dezember aus dem Wald. Und während in den USA der Santa Claus die Geschenke in der Nacht auf den 25. Dezember bringt, kommen sie in der Schweiz an Heiligabend vom Christkind.
Soviel also zu den Grundlagen meines Weihnachtshobbys. Ich betrachte die Werbung von Firmen aller Art im Hinblick darauf, welche Weihnachtsvorstellungen sie verbreiten. Man könnte sich zum Beispiel darüber aufregen, dass sich viele Firmen nicht einmal die Mühe machen, die lokalen Gegebenheiten zu adaptieren. Oder darüber, dass Unternehmen Weihnachtsemotionen schamlos für ihre kommerziellen Interessen ausnutzen. Das scheint mir aber wenig zielführend zu sein, weil sich diese Entwicklungen in der Geschichte der Zivilisation immer wieder gezeigt haben.
Interessant finde ich aber, wie die US-Weihnacht in den letzten Jahren immer mehr Einzug in die Reklame gehalten hat: Immer mehr Firmen werben mit einem Santa Claus, der manchmal zur Verwirrung aller auch noch Samichlaus heisst. Und dieser bringt Geschenke zu den Familien, die am Morgen des ersten Weihnachtstages die Bescherung feiern.
Darunter sind durchaus auch kleinere Firmen, die es «besser» wissen müssten. Mir zeigt das, wie stark unsere Gesellschaft von Werbung durchdrungen ist. Und wie einfach man selbst so zentrale Termine wie Weihnachten damit beeinflussen kann. Nun war es wohl nicht die Absicht von Coca Cola, unsere Kultur derart zu prägen. Man stelle sich darum einmal vor, was passieren würde, wenn eine mächtige Firma ganz bewusst Einfluss nehmen will.
Das hinterlässt ein ungutes Gefühl. Es lässt uns zurück mit der Erkenntnis, dass wir schlicht nicht die Ressourcen haben, uns der Kraft der grossen Konzerne und ihrer Beeinflussung zu entziehen. Dieses Frustrationspotenzial einfach in Wut auf das System zu entladen, scheint mir aber keine gute Idee zu sein. Dieses lässt sich so nämlich sicher nicht ändern. Besser wäre es, sich dieser Beeinflussung bewusst zu sein und diese Informationen auch so aufzunehmen. Vielleicht finden Sie ja auch ein Spezialgebiet, bei dem Sie einem ähnlichen Hobby wie ich nachgehen können?
SEBASTIAN DÜRST SEBASTIAN.DUERST@BLUEWIN.CH