KEIN BOCK?
Adelboden und Zermatt haben einiges gemeinsam. Die Berge natürlich, wobei man ehrlicherweise zugeben muss, dass der Zermatter Hausberg etwas bekannter ist als Tschenten, Lohner und Wildstrubel. Dasselbe gilt übrigens für den Tourismus oder das Musikfestival im ...
KEIN BOCK?
Adelboden und Zermatt haben einiges gemeinsam. Die Berge natürlich, wobei man ehrlicherweise zugeben muss, dass der Zermatter Hausberg etwas bekannter ist als Tschenten, Lohner und Wildstrubel. Dasselbe gilt übrigens für den Tourismus oder das Musikfestival im September – auch diese Parallelen sind in Zermatt jeweils ein paar Nummern grösser.
Verbunden sind die beiden Orte auch durch ein gemeinsames Postkarten-Motiv: den Steinbock-Brunnen. Und wenigstens hier hatte Adelboden die Nase vorn! Denn in Zermatt steht der bronzene Steinbock nicht etwa auf dem Hauptplatz vor der Pfarrkirche, nein, man hat ihn in eine Seitengasse verbannt. Dort, quasi im Vorgarten eines Hotels, ersteigt er müde den steinernen Brunnenrand, als sei er auf Wassersuche. Was ja irgendwie auch kein Wunder ist: Der Zermatter Steinbock ist der Abguss eines toten Tiers, das in einer Lawine sein Leben liess. Wie anders in Adelboden! Seit man Anfang der 1950er-Jahre eine Herde der majestätischen Bergziegen am Grossen Lohner auswilderte, thronte der Steinbock vor der Kirche mitten auf dem Dorfplatz. Forsch erklomm er den Felsen auf dem schlichten Brunnen, das Haupt hoch erhoben, den Blick in die Ferne gerichtet.
Sie haben es bemerkt: Ich schreibe in der Vergangenheitsform. Denn so, wie der Mensch den Steinbock einst ausrottete, hat er ihn nun auch vom Dorfplatz vertrieben. Weil auf dem Areal gebaut wurde, musste das stolze Tier weichen. Seit dem Frühjahr 2020 steht der Steinbock auf dem Vordach des Gemeindehauses. Dort ist er zwar in Gesellschaft eines grimmigen Adlers (jenem aus dem Adelbodner Wappen). Aber sein natürliches Habitat war eben doch das Dorfzentrum, wo er die ersten 70 Jahre seines Lebens die Stellung hielt. Derzeit können Flaneure dort die Extremitäten von Skifahrern bewundern – die beiden Felsblöcke mit den Fussabdrücken der Chuenisbärgli-Sieger hat man nämlich schon wieder aufgestellt. «Place of Fame» nennt sich das Ensemble.
Und der Steinbock? Dessen «Place of Fame» stehe noch nicht fest, heisst es aus gut unterrichteten Kreisen. Mindestens den Winter über muss er noch die Gemeindeverwaltung bewachen. Und dann wird man sehen.
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH