«Freiwilligenarbeit ist das Lebenselixier der Dorfgemeinschaft»
28.12.2021 AdelbodenINTERVIEW, TEIL 2: Daniel von Allmen wird in wenigen Tagen als Gemeindepräsident aus dem Amt scheiden. Doch nicht nur das Politische prägte sein Leben. Weitaus länger war er in der Freiwilligenarbeit engagiert – nicht immer ganz freiwillig, wie er berichtet. ...
INTERVIEW, TEIL 2: Daniel von Allmen wird in wenigen Tagen als Gemeindepräsident aus dem Amt scheiden. Doch nicht nur das Politische prägte sein Leben. Weitaus länger war er in der Freiwilligenarbeit engagiert – nicht immer ganz freiwillig, wie er berichtet.
«Frutigländer»: Daniel von Allmen, Sie haben sich über Jahrzehnte als Chorleiter einen Namen gemacht. Wie sind Sie zur Volksmusik gekommen?
Daniel von Allmen: Ich bin in Mürren abgelegen aufgewachsen und habe immer gerne gesungen. In unserem Haushalt gab es kein Musikinstrument. Mit Klavier und Geige kam ich erst am Lehrerseminar in unangenehme Berührung. Ich konnte mit klassischer Musik, wie sie damals von uns gefordert wurde, rein gar nichts anfangen. Das war nicht meine Welt. Und Jodeln galt zu dieser Zeit am «Semer» nicht als Musik.
Wie wurden Sie Dirigent des Adelbodner Männerchors?
Ich bin eingetreten, als ich in Adelboden mit kaum 20 Jahren als Schulmeister angefangen habe. Zwei Lehrerkollegen waren auch dabei. Als der langjährige Leiter aufhörte, war die Reihe an einem von uns dreien. Wir zogen Zündhölzer. Das kürzeste sollte den neuen Leiter bestimmen – und das hatte ich.
Sie leiteten über 30 Jahre lang auch die Jodlergruppe Engstligtal. Wie kam es dazu?
Mein erster Versuch, bei der Gruppe mitzumachen, schlug kläglich fehl. Meine Bitte um Aufnahme fand nur eine einzige unterstützende Stimme, nämlich von dem Mann, der mich vorgeschlagen hatte … Es stellte sich bald heraus, dass der damalige Dirigent Fred Brügger kurz vor dem Ausstieg stand. Ich wurde also wieder angefragt und schaffte die Aufnahme im zweiten Anlauf. Eines Tages fehlte Brügger unerwartet an der Probe. Man stellte mich vor die Wahl: dirigieren oder gleich wieder austreten. Ich entschied mich für das Erste und besiegelte damit mein Schicksal für drei Jahrzehnte. Vor sechs Jahren trat ich zurück, bin aber wieder eingesprungen, weil der Dirigent kürzlich überraschend verstorben ist.
Eine gezielte Karriereplanung schien nicht Ihre Stärke gewesen zu sein …
Nein, bestimmt nicht. Ich habe in meinem Leben nie etwas getan, von dem ich sicher war, dass ich es kann. Oft bestimmten Zufälle meinen Einstieg in ein Amt. Ich erinnere mich, wie ich den Job des Sekretärs der Schulkommission von einer älteren Kollegin übernahm. Es stellte sich heraus, dass die Protokolle maschinengeschrieben sein müssen. Dieser Kunst war ich nicht mächtig und musste deshalb schleunigst einen Kurs belegen, um der Schreibmaschine Herr zu werden (lacht).
Ihr Engagement zur Rettung des Gruebibades war wohl auch nicht geplant.
Richtig. Im Schwimmklub war ich zwar seit meinem Einstieg ins Adelbodner Schulleben Mitglied, doch eher wegen Bratwurst und Bier als wegen des gemeinsamen Schwimmens, das ich mehr schlecht als recht beherrschte. Als 2011 Adelboden Tourismus das Gruebibad nicht mehr betreiben wollte, war guter Rat teuer. Es drohte gar die Schliessung. Da sprang der Schwimmklub als Retter ein, wie es der Hockeyclub vorher schon bei der Eissportanlage getan hatte. Man fragte mich, ob ich die Verhandlungen mit der Gemeinde als Eigentümerin des Bades führen würde. Ich sagte zu – und schon war ich Präsident der Betriebskommission. Übrigens: Ohne den Sachverstand des langjährigen Bademeisters Ferdinand Scheidegger wäre uns der Betrieb der Anlage kaum möglich gewesen. «Ferdel» hatte auch einen guten Draht zum damaligen Obmann Stephan Lauber.
Wie kam es zur Sanierung des Bades?
Nachdem ein erstes Sanierungsprojekt schon früher gescheitert war, erlegte uns der Gemeinderat auf, ein neues zu entwickeln. Das taten wir und überzeugten mit unserem 2,8-Millionen-Plan das Stimmvolk.
Das Bad kostete aber letztlich 4,7 Millionen Franken …
Ja, so war es. Und das kam so: Der Vertreter des Denkmalschutzes, Fabian Schwarz, verlangte von uns eine wesentlich detailliertere Planung. Als sie vorlag, kam das böse Erwachen. Das Projekt verteuerte sich um fast zwei Millionen Franken. Eine weitere Urnenabstimmung folgte. Sie war zu unserer Freude erfolgreich und wir konnten den Bau beginnen.
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz?
Fabian Schwarz war ein harter, aber fairer Partner. Wir haben immer wieder mal miteinander gerungen, wenn denkmalschützerische Aspekte mit dem Betriebsnutzen zu kollidieren drohten. Letztlich haben wir immer einvernehmliche Lösungen gefunden. Das neue alte Gruebibad hat schweizweit als architektonisches Juwel aus den 1930er-Jahren grosse Beachtung erfahren. Den Musikpavillon und den Sprungturm konnten wir nur dank privater Gönner finanzieren. Ich spürte beim Verwalten dieser Gelder sehr viel Vertrauen der Spender. Sie liessen mir oft freie Hand.
Bei aller Freude über das gelungene Werk: Sind 4,7 Millionen Franken nicht ein ziemlich grosser Brocken für den Badespass?
Ein Kritiker hat mich mal das Gleiche gefragt. Ich entgegnete ihm: «Adelboden hat schon vieles teuer gebaut, aber noch nichts so schön.» Er gab sich damit zufrieden.
Sie selbst haben sich zeitlebens eingebracht und viele ehrenamtliche Ämter übernommen, auch wenn Sie oft nicht so genau wussten, was auf Sie zukommt. Heute wird es immer schwieriger, Menschen für ein solches Engagement zu gewinnen.
Das ist leider so. Die Generation zwischen 40 und 60 will sich nicht mehr so recht für die Gemeinschaft engagieren. Man dreht sich um sich selbst. Diese Entwicklung macht mir Sorgen, weil Freiwilligenarbeit in den Vereinen und auch der Politik das Lebenselixier einer Dorfgemeinschaft ist.
Eine naheliegende Frage zum Abschluss: Wann haben Sie letztmals auf eine Anfrage hin Nein gesagt?
Nein zu sagen war nie meine Stärke (schmunzelt). Das letzte Mal war, als eine im Tal wohlbekannte Zeitung mich als Kolumnisten haben wollte. Dazu fühle ich mich doch zu wenig berufen und habe dankend abgelehnt.
INTERVIEW: RETO KOLLER
Wie aus Daniel «Hilti» wurde
Nur wenige sprechen Daniel von Allmen mit seinem Taufvornamen an. Für die allermeisten AdelbodnerInnen ist er einfach «ds Hilti». Wie kam er zu diesem Übernamen? Daniel von Allmen: «In den 1950er-Jahren lebte im Lauterbrunnental ein weitherum bekannter Bergsteiger mit dem Namen Hilti von Allmen. Er schaffte 1962 zusammen mit seinem Freund Paul Etter die Winter-Erstbesteigung der Matterhorn-Nordwand. Als ich in Spiez ins Lehrerseminar eintrat, konnten meine Klassenkameraden mit dem Vornamen Daniel nicht viel anfangen. Sie tauften mich einfach in Hilti um. Der Name ist mir bis heute geblieben.»
RK