Als Alberto Tomba in einer Bar die Socken auszog
31.12.2021 AdelbodenBjörn Zryd kennt die schnellsten Füsse am Chuenisbärgli-Hang. Er verewigt sie auf zwei Felsblöcken, dem «Place of Fame». Einige dieser «Abdrücke» erzählen besondere und teils abenteuerliche Geschichten.
RETO KOLLER
Seit 2004 zeigen die Chuenisbärgli-Sieger ...
Björn Zryd kennt die schnellsten Füsse am Chuenisbärgli-Hang. Er verewigt sie auf zwei Felsblöcken, dem «Place of Fame». Einige dieser «Abdrücke» erzählen besondere und teils abenteuerliche Geschichten.
RETO KOLLER
Seit 2004 zeigen die Chuenisbärgli-Sieger auf dem Adelbodner Dorfplatz ihre schnellen Füsse. Der einheimische Künstler Björn Zryd versteht es, die Gipsabdrücke naturgetreu in die beiden tonnenschweren Steine zu meisseln. Doch bis es so weit ist, braucht es Glück, Geduld – und manchmal mehr als eine Portion Gips.
Es war in den ersten Jahren nicht ganz einfach, zu den Fussabdrücken der ehemaligen Sieger zu kommen. Rennleiter Hans Pieren bot sich an, die Fährten der Athleten aufzunehmen. Er war damals für den Internationalen Skiverband unterwegs und traf ab und zu an Kongressen oder an Rennen ehemalige Adelboden-Gewinner.
Björn Zryd rüstete also eine Kiste mit Wasser, Gips, Kelle und allem weiteren, was für einen zuverlässigen Abdruck nötig ist. Das Vorhaben gelang: Kein Geringerer als der italienische Kult-Skicrack Alberto Tomba lief in Pierens Fänge. In einer Bar in Italien entblösste er seinen Fuss, Pieren eilte zum Auto, ergriff die Kiste und tat, was zu tun war. Tomba stellte sich sachte in die Gipsmasse, verharrte, bis sie erstarrte, und hob den Fuss vorsichtig aus der flachen Holzkiste. Das Werk war vollbracht – sehr zum Gaudi der Barbesucher, die sich allesamt als grosse Tomba-Fans entpuppten.
Ein Fernsehteam auf Stenmarks Fersen
Eine ähnliche Geschichte dreht sich um den Abdruck des fünffachen Chuenisbärgli-Siegers Ingemar Stenmark. Diesmal war das Team des Schweizer Fernsehens Zryds «Handlanger». Sie spürten den Schweden an den Weltmeisterschaften 2007 in Are auf, riefen Zryd unverzüglich an und baten um Instruktionen, wie das Vorhaben auszuführen sei. Das tat der Adelbodner, seither ist Stenmark in den Adelbodner Stein gemeisselt.
Zryd erinnert sich an eine Episode, die ihm den Angstschweiss auf die Stirn trieb. In den späten 1990er-Jahren fand die Fussabdruck-Zeremonie noch vor Publikum auf dem Dorfplatz statt. Riesenslalomsieger Hermann Maier nahm bei tiefen Minusgraden auf einem Stuhl auf der kleinen Tribüne Platz. Zryd rührte den Gips an, Maier legte seinen Fuss hinein und wartete auf das Festwerden der Masse. Er wartete. Er wartete länger. Und noch länger. Dem ansonsten sehr beredten Moderator Jürg Blum gingen zusehends die Worte aus. Zryd rang die Hände, verstand die Gipserwelt nicht mehr. Der gelernte Maurer Maier löste das Rätsel und bemerkte entspannt: «Es ist viel zu kalt. So kann der Gips kaum binden.» Zu guter Letzt klappte es doch.
Auch der Schweizer Slalomsieger von 2020 strapazierte Zryds Nerven, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Daniel Yule konnte sich nach der Pressekonferenz der vielen Journalisten kaum erwehren. Zryd wartete im Nebenraum mit der angerührten Gipsmasse zunehmend nervös auf den Walliser. Er wollte und wollte nicht kommen. Der Gips wurde hart, Zryd rührte die nächste Portion an – dann die übernächste. Bevor er zum letzten Beutel griff, ging er zu Yule und fragte, ob es denn noch lange währen würde. Kurz darauf erschien der gefragte Slalomsieger und stellte sich gut gelaunt in die Gipsschale. Zryd atmete auf.
Touristenattraktion auf dem Dorfplatz
Dass man in Adelboden heute Skifahrerfüsse bewundern kann, geht auf den früheren Tourismusdirektor Roland Huber zurück. Der wollte unbedingt Kultur und Sport miteinander verbinden und die Weltcup-Sieger in irgendeiner Weise für die Ewigkeit festhalten. Mit diesem Anliegen gelangte er an Björn Zryd. Man entschied sich im Frühling 2004 für zwei Felsblöcke aus dem Tschentbach. Sie würden auf dem Dorfplatz unter der Bezeichnung «Place of Fame» ihren Standort erhalten.
Doch woher sollten die Abdrücke der früheren Gewinner kommen? Die Weltcup-Organisation lud zur Eröffnung des «Place of Fame» alle bisherigen Sieger ein. Und siehe da: Sie kamen und hinterliessen ihre Fussspuren. Auch Martin Julen war dabei. Er gewann 1956 die ersten «Internationalen Adelbodner Skitage».
Die beiden Steinblöcke stiessen in der Bevölkerung nicht nur auf Verständnis. Reichlich respektlos war von «Grabsteinen» die Rede. Inzwischen hat sich der «Place of Fame» zu einer viel fotografierten Touristenattraktion entwickelt. Er ist deshalb auch vom neu gestalteten Dorfplatz nicht mehr wegzudenken.
Sieger hinterlassen sportliche Spuren
Mittlerweile haben die Fahrer nur noch sehr wenig Zeit für die Gipsfuss-Aktion. Zryd nimmt den Abdruck unmittelbar nach der Pressekonferenz ab. Es stehen ihm nur wenige Minuten zur Verfügung. Während sich der Athlet seiner Schuhe entledigt, bereitet der Künstler die Gipsmasse vor. Der Fahrer legt seinen Fuss sachte hinein und verharrt einen Augenblick, bis die Masse zu erhärten beginnt. Zryd hebt den Fuss hoch, reinigt und trocknet ihn – der Vorgang ist abgeschlossen. Im Frühjahr meisselt der Künstler den Abdruck dann mit Sorgfalt und Augenmass in den Fels auf dem Dorfplatz. Einen halben Tag später ist der Abdruck verewigt.
Zryd verbindet mit den Fussabdrücken der Skifahrer mehr als «nur» handwerkliches Geschick und künstlerisches Augenmass. Er ist als Kind selbst intensiv Ski gefahren. Sein Vater war ein grossartiger Skiläufer, und seine Tante, das legendäre «Annerösli» Zryd, brachte gar einen Abfahrts-Weltmeistertitel ins Lohnerdorf. «Ich bin überzeugt von der Bedeutung des Anlasses für Adelboden. Die Rennen am Chuenisbärgli hinterlassen ihre Spuren in den internationalen Medien. Das Gleiche tun nun ihre Sieger auf dem Dorfplatz. Die beiden Blöcke symbolisieren den sportlichen Wert der Veranstaltung.»
Grünes Licht für die Weltcup-Piste
Am Donnerstag führte der Internationale Skiverband FIS am Chuenisbärgli die offizielle Schneekontrolle durch. Fazit: Den Rennen vom 8. und 9. Januar 2022 steht nichts mehr im Wege. Dank 3G-Auflagen werden heuer wieder Skifans den Pistenrand säumen dürfen.
Der schneereiche Niederschlag Anfang Dezember legte die Grundlage, dank dieser konnten die Pistenteams eine solide Unterlage präparieren. «Trotz des Regens ist die Strecke eigentlich in einem guten Zustand, jedoch natürlich jetzt aufgeweicht und noch weit weg von optimal. In den verbleibenden Tagen bis zum Rennwochenende kümmern wir uns nun um das Härten der Piste mit dem Injektionsbalken», präzisiert Rennleiter Hans Pieren, der 2022 zum letzten Mal für «sein» Chuenisbärgli verantwortlich ist.
Positive Entwicklung der Ticketverkäufe
Tagsüber gilt auf dem ganzen Aussengelände 3G. In allen Innenräumen (sämtliche Zelte) gilt die 2G-Regelung inklusive Masken- und Sitzpflicht. Das Abendprogramm vom Freitag und Samstag ist abgesagt. DJ Nelly und Nils Burri sorgen am Samstagabend bis 20 Uhr «openair» für Musik auf dem Eventgelände. Die Organisatoren appellieren zudem an alle Skifans, auch draussen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.
Trotz aller Umstände läuft der Vorverkauf bisher erfreulich. An den offiziellen Vorverkaufsstellen sowie an den Tageskassen sind noch für Sonntag Tribünen- sowie für beide Renntage Weltcup-Tickets erhältlich.
PRESSEDIENST SKI-WELTCUP ADELBODEN