Bislang keine Stornierungswelle
14.12.2021 TourismusDie Einreise in die Schweiz hat sich verkompliziert: Jeder, der ins Land will, muss sich zweimal testen lassen. Für den Tourismus scheint dies verkraftbar zu sein – unter anderem wegen der vergleichsweise lockeren Regeln in den Skigebieten. Im Frutigland setzt man vor allem auf ...
Die Einreise in die Schweiz hat sich verkompliziert: Jeder, der ins Land will, muss sich zweimal testen lassen. Für den Tourismus scheint dies verkraftbar zu sein – unter anderem wegen der vergleichsweise lockeren Regeln in den Skigebieten. Im Frutigland setzt man vor allem auf einheimische Gäste.
BIANCA HÜSING
Es ist fast schon ein bisschen absurd: Die Schweiz, die europaweit zu den Ländern mit den höchsten Inzidenzen zählt und in Deutschland als Hochrisikogebiet gilt, hat selbst die strengsten Einreisebestimmungen. Während geimpfte oder genesene SchweizerInnen in jedes Nachbarland ohne Test einreisen dürfen, muss sich umgekehrt jeder, der in die Schweiz will, zweimal testen lassen: einmal vor und einmal nach der Einreise. Dabei spielt es keine Rolle, ob man geimpft ist oder nicht, und auch die Corona-Zahlen im jeweiligen Herkunftsland machen keinen Unterschied. Jeder muss mindestens zwei negative Tests vorweisen. Einzig Grenzgänger und Grenzregionen wie Grand-Est in Frankreich oder die Lombardei in Italien sind von dieser Regelung ausgenommen.
Wie ein deutscher Tourist in einem Leserbrief im letzten «Frutigländer» festhielt, geht die Testerei insbesondere für Familien ins Geld. Ausländische Gäste dürften sich nun gründlich überlegen, ob sie ihre Winterferien in der Schweiz verbringen wollen. Sind die neuen Einreisebestimmungen also ein Problem für den Tourismus?
Erleichterung und Verschärfung zugleich
Ja und Nein. Einerseits entspricht die aktuelle Regelung dem, was die Branche selbst gefordert hatte. In einer gemeinsamen Kampagne machten sich diverse Lobbyverbände wie GastroSuisse, HotellerieSuisse, Seilbahnen Schweiz oder der Schweizer Tourismus-Verband (STV) für «Testen statt Quarantäne» stark. Andererseits scheint manchen von ihnen die zweimalige Testpflicht für alle zu weit zu gehen. «Der STV bedauert die Ausweitung der Testpflicht auf alle Einreisenden, da diese Massnahme einen klaren Wettbewerbsnachteil für den Schweizer Tourismus bedeutet», schreibt etwa der Schweizer Tourismus-Verband. HotellerieSuisse hingegen begrüsst den Bundesratsbeschluss: «Die Abschaffung der aktuellen Quarantänebestimmungen für wichtige Herkunftsmärkte wie das Vereinigte Königreich, die Niederlande oder Belgien ist ein wichtiges Signal im Hinblick auf die Wintersaison.»
Tatsächlich stellen die neuen Einreisebestimmungen eine erhebliche Erleichterung für all jene dar, die aus einem Risikogebiet kommen und sich sonst automatisch in Quarantäne hätten begeben müssen. Weil die Testpflicht nun aber für alle gilt, ist sie zugleich auch eine klare Verschärfung. Dass die Tourismusbranche nicht mehr ganz mit einer Stimme spricht, ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Wie aber sieht die Lage im Frutigland aus? Fürchten oder spüren Touristiker hier die Zurückhaltung ausländischer Gäste?
Guter Buchungsstand für die Feiertage
TALK-Verwaltungsratspräsident René Müller, selbst Hotelier in Adelboden, sieht es ähnlich wie HotellerieSuisse: «Wir sind grundsätzlich froh, dass die Quarantänepflicht weggefallen ist. Eine Testpflicht ist einfacher und somit besser für den Gast sowie für unsere Region.» Müller gibt zu bedenken, dass es für Touristen zurzeit ganz allgemein an Planbarkeit mangele. «Wie schon oft in der Corona-Zeit werden viele ausländische Gäste von einer Reise in die Schweiz absehen. Dennoch ist der Buchungsstand momentan gut und die fehlenden Gäste aus dem Ausland werden hoffentlich wieder durch Schweizer Gäste kompensiert.» Eine grössere Stornierungswelle sei bislang ausgeblieben, und für die Festtage sehe es so weit gut aus.
Schaut man in die einzelnen Gebiete der TALK-Destination, bestätigt sich Müllers Eindruck weitgehend. Sonja Reichen, Leiterin des Kandersteger Tourist Centers, hat letzten Montag eine kleine Umfrage bei den Hoteliers durchgeführt. «Manche Häuser, die vor allem Gäste aus Grossbritannien und den Beneluxstaaten beherbergen, haben einige Stornierungen erhalten.» Diese seien bislang jedoch überschaubar. Zum Teil seien bereits Ersatzbuchungen durch Schweizer Gäste eingegangen. Vor allem bei den Ferienwohnungen sei der Buchungsstand aktuell gut. Allerdings gibt Reichen zu bedenken, dass sich die Lage noch ändern könne – je nachdem, welche weiteren Massnahmen beschlossen werden.
In Adelboden und Frutigen zeigt sich ein ähnliches Bild. Für beide Orte stellt Corinne von Bergen, Leiterin des Frutiger Tourist Centers, fest: «Bis jetzt halten sich die Auswirkungen noch in Grenzen. Dies hat vor allem auch damit zu tun, dass wir aktuell zum grössten Teil Buchungen aus der Schweiz erhalten.» Einige ausländische Gäste hätten zwar storniert oder auf einen späteren Zeitpunkt umgebucht. Zudem seien die Buchungsanfragen in einigen Betrieben noch zurückhaltend. «Die Leute warten noch etwas ab und buchen kurzfristiger.» Dennoch spüre man, dass sich viele nach Ferien in den Bergen sehnen und trotz der Pandemie in die Schweiz reisen möchten.
Im Kiental hat es laut Patrizia Schärz, Leiterin des dortigen Tourist Centers, in den letzten Tagen einige Stornierungen gegeben – insbesondere aus Deutschland und den Niederlanden. «Wir bleiben trotzdem zuversichtlich und hoffen auf unsere Schweizer Gäste», so Schärz. «Der Schnee ist da, die Langlaufloipe parat, die Sesselbahn und der Skilift sind geöffnet.»
Grösserer Touristenansturm als sonst?
Ein gravierendes Problem scheint sich aufgrund der Testpflicht also nicht abzuzeichnen. Zu diesem Schluss kommt auch die «Wirtschaftswoche». Die deutsche Zeitschrift setzt sich mit dem Sonderweg der Schweiz punkto offene Skigebiete ohne 3G-Beschränkungen auseinander. Nach Gesprächen mit diversen Destinationen schreibt sie: «Dass die Schweiz für ausländische Gäste nun einen aktuellen, negativen PCR-Test für die Einreise obligatorisch gemacht hat, scheint die Pistenfans jedenfalls nicht zu schrecken.» Im Gegenteil komme ein Touristenansturm auf das Land zu, der teils grösser sei als vor der Pandemie.
Ob die dieser Tage zu erwartenden Bundesratsbeschlüsse daran etwas ändern, ist fraglich. Die 2G-Regelung kennen insbesondere deutsche Touristen bereits von zu Hause. Ein Teil-Shutdown könnte die Branche allerdings vor neue Herausforderungen stellen. Was die Testpflicht für Einreisende betrifft, will der Bundesrat noch einmal die Kantone und die Branche befragen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.