STERBEN MIT AUSSICHT
Man hat ja eigentlich das Gefühl, gestorben werde derzeit schon genug. Insofern wirkte eine Nachricht von dieser Woche seltsam deplatziert: In der Schweiz sei, so vermeldeten es viele Medien, eine neuartige Sterbekapsel zugelassen worden.
Als ein ...
STERBEN MIT AUSSICHT
Man hat ja eigentlich das Gefühl, gestorben werde derzeit schon genug. Insofern wirkte eine Nachricht von dieser Woche seltsam deplatziert: In der Schweiz sei, so vermeldeten es viele Medien, eine neuartige Sterbekapsel zugelassen worden.
Als ein Kollege mir die Schlagzeile weiterleitete, hielt ich sie zuerst für einen Scherz – schon wegen des Produktnamens. «Sarco» heisst der Apparat, und wer dabei an Sarg denkt, liegt wohl nicht ganz falsch. Der «BLICK» setzte, wie es seine Art ist, noch einen drauf und nannte die Suizidmaschine den «Tesla des Todes». Tatsächlich sieht das Ding recht futuristisch aus, wie eine Mischung aus Computermaus und Raumschiff.
«Sarco» kann an jeden beliebigen Ort gebracht werden, informiert die Herstellerfirma. Man könnte die Kapsel beispielweise auf einer Wiese mit Blick auf die Berge aufstellen – Sterben mit Aussicht, sozusagen. Im Inneren befindet sich ein bequemer Liegestuhl. Sterbewilligen, die darauf Platz nehmen, wird eine Reihe von Kontrollfragen gestellt. Ist dieses Verfahren absolviert, muss nur noch der finale Kopf gedrückt werden. Dann strömt Stickstoff ins Innere und verdrängt rasch jegliche Atemluft. Das dauere lediglich 30 Sekunden, bewirbt der Hersteller den Vorgang. Der «Sarco»-Insasse fühle sich möglicherweise ein wenig desorientiert, vielleicht sogar etwas euphorisch. Bevor er Panik oder Atemnot bekommen könne, sei er auch schon tot. 2022 soll der erste «Sarco» in der Schweiz einsatzbereit sein.
Ich bin mir noch nicht sicher, was ich von der Geschichte halten soll. In der Schweiz scheiden pro Jahr 1300 Menschen durch Sterbehilfe aus dem Leben. Die meisten trinken, wie einst Sokrates, einen Gift-Cocktail. Es gibt also, wie man so sagt, «einen Markt» fürs selbstbestimmte Sterben. Oder ist es doch eher umgekehrt? Erschaffen Maschinen wie der elegante Todes-Tesla vielleicht erst eine Nachfrage, die es ohne sie gar nicht gegeben hätte? Ich weiss es nicht. Aber das effiziente Sterben auf Knopfdruck bereitet mir ein gewisses Unbehagen.
Noch steht hierzulande kein «Sarco» bereit. Das erste Exemplar für die Schweiz wird gerade hergestellt. Es kommt – auch das ganz futuristisch – aus einem 3D-Drucker.
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH