Wer behauptet, hat recht
10.12.2021 KulturSimon Enzler, der Kabarettist aus dem Appenzell, trat am Sonntag im Rahmen der «Livingroom Events» in der Badi Lounge auf – und begeisterte sein Publikum mit Wortwitz und Scharfzüngigkeit. Ein Thema des Abends: die «Wahrheit».
MARTIN WENGER
Auf der Bühne im ...
Simon Enzler, der Kabarettist aus dem Appenzell, trat am Sonntag im Rahmen der «Livingroom Events» in der Badi Lounge auf – und begeisterte sein Publikum mit Wortwitz und Scharfzüngigkeit. Ein Thema des Abends: die «Wahrheit».
MARTIN WENGER
Auf der Bühne im gemütlichen «Wohnzimmer» der Badi Lounge zeigt sich zu Beginn des Abends eine alltägliche Szene: Ein Mann mit Handy am Ohr gestikuliert und spricht laut und scheinbar endlos in sein Telefon. Es geht um Luisa, die ein Kollege «auf Tutti gestellt» hat und die er gerne erstehen würde. Nach langem Hin und Her vernimmt das zahlreiche Publikum – die Badi Lounge ist ausverkauft – dass das begehrte Objekt ein VW-Bus ist. Der Mann auf der Bühne hat die Nase voll von seiner Arbeit als Sozialarbeiter. Er möchte ein Start-up gründen und Luisa zum Foodtruck oder eben auf appenzellisch «Fudtröck» umbauen. An verschiedenen Orten will er mit seinen Aktionsbratwürsten das grosse Geschäft machen: Als Robin Food vor dem Steueramt, mit Slow Food vor dem Lehrerzimmer und mit «Stritt» Food vor dem Anwaltsbüro.
Rucola als Foltermethode
Gekonnt streut Simon Enzler immer wieder Häppchen von vorangegangen Themen ein. Im Laufe des Abends werden deshalb die Berge von Bratwürsten aus der missglückten Foodtruck-Zeit an jeweils anderen Orten verschiedenen Leuten schmackhaft gemacht – bis sie schliesslich in den Ferien in Kroatien noch als übelriechendes Fischfutter verwendet werden. Auch macht der Kabarettist Ausflüge in seine Kindheit und erzählt etwa vom Pfarrer, der nicht wusste, wie man in den Himmel kommt. Enzler nimmt die Schwaben auf die Schippe und muss letztlich zähneknirschend zugeben, dass die Deutschen einfach «saumässig effizient» sind. Auch die Luxus-Ernährungsprobleme der heutigen Zeit geraten in sein Visier: «Rucola, das wurde früher als Foltermethode verwendet. Es heisst ja nicht umsonst, dass einer ins Gras gebissen habe.» Scharfzüngig und immer wieder über sich selbst oder sehr gerne auch über andere lachend, in typisch meckernder Art, führt der Appenzeller durch den Abend und serviert unzählige komödiantische Leckerbissen.
Der perfekte Rahmen
Auch die Wahrheit ist ein Thema des Abends – ein schwieriges, wie Enzler zugibt: Wer einfach etwas behauptet, hat recht. Wahr ist nicht, was stimmt, sondern was alle glauben. In seinem unvergleichlichen Dialekt, der sprachlich effizient sei, da die Appenzeller überflüssige Buchstaben ausliessen und es deshalb nicht «Würm» heisse sondern nur «Wümm», erzählt er von seiner Heimat. Dort stimme man ab, wie man spreche: Zuerst zu allem Nein sagen und am nächsten Morgen dann lesen, worüber man eigentlich abgestimmt habe.
Mit der Melodie von «Der Mond ist aufgegangen» kurbelt Simon Enzler den in der Schachtel versteckten Mond nach oben und verabschiedet sich damit vom begeisterten Publikum. Der einzigartige Rahmen in der Badi Lounge eignete sich perfekt für diesen Auftritt, man wähnte sich daheim in der guten Stube und dem Comedian ging es sichtlich ebenso.