«Ich habe viel profitiert»
18.01.2022 Reichenbach, KientalPfarrer Markus Lemp war bis Ende 2021 Armeeseelsorger. Die Betreuung von Menschen in einem fremden Umfeld und in teils unerwünschten Situationen war ihm stets ein Anliegen.
KATHARINA WITTWER
Seine militärische Karriere begann der junge Theologiestudent Markus Lemp in ...
Pfarrer Markus Lemp war bis Ende 2021 Armeeseelsorger. Die Betreuung von Menschen in einem fremden Umfeld und in teils unerwünschten Situationen war ihm stets ein Anliegen.
KATHARINA WITTWER
Seine militärische Karriere begann der junge Theologiestudent Markus Lemp in der Kaserne Jassbach als Funker. Wie viele andere Männer in dieser Zeit absolvierte er getreu seine WKs. Im Sommer 2000 – mittlerweile zum Pfarrer ordiniert und in seiner ersten Pfarrstelle in Thierachern – rückte er nach Montana in die dreiwöchige Feldpredigerschule ein. Es war der erste «technische Lehrgang A», bei dem auch Frauen zu Feldpredigerinnen – so die frühere Bezeichnung – ausgebildet wurden. «Übrigens war der Bischof von Basel, Felix Gmür, ebenfalls in unserer Aspirantengruppe. An der Brevetierung in Brig erhielten wir dann den Grad eines Hauptmannes», erzählt Lemp. Das Sturmgewehr konnte er gegen eine Pistole tauschen und war vom «Obligatorischen» befreit.
Funker und «Pänzeler» sind unterschiedliche Charaktere
«In Thierachern, wo wegen der geografischen Nähe zum Waffenplatz Thun fast ständig Militär unterwegs ist, bin ich nie aufgefallen. In Reichenbach dagegen wurde ich ab und zu gefragt, weshalb der Pfarrer im Tarnanzug ins Auto steigt und wegfährt», sagt Lemp. Selbstverständlich habe er die Leute gerne aufgeklärt.
Seinen Dienst leistete er als Milizsoldat mit rund 18 einzelnen Diensttagen pro Jahr. Zuerst war er auf dem Waffenplatz Thun für die Betreuung der Panzerrekruten und im Jassbach für die Funker verantwortlich. Sofort fielen ihm die charakterlichen Unterschiede der Soldaten mit so ungleichen Waffenarten auf. Ab 2004, nach der Einführung des Reformpakets «Armee XXI», war er nur noch für die Rekruten- und Unteroffizierschulen im Jassbach zuständig.
Die Bedürfnisse ändern sich
Die Aufgaben eines Armeeseelsorgers verändern sich laufend und passen sich den Lebensumständen an. «In meinen Anfängen standen noch Themenaustausche auf dem Tagesbefehl. Einmal lautete das Motto einer Zugsaussprache: ‹Zusammenleben ohne Trauschein› – und das im 21. Jahrhundert …»
Nebst persönlichen Problemen der jungen Menschen mit der Familie, in der Partnerschaft, punkto Weitermachen oder hinsichtlich einer ungewissen beruflichen Zukunft wurde Markus Lemp auch häufig mit Sinnfragen konfrontiert. Er selbst ist insofern von der Armee überzeugt, als sie in der Schweiz nach den Blaulichtorganisationen die letzte Sicherheitsstufe darstellt. Da der Urlaub in den Rekrutenschulen seit Beginn der Pandemie teilweise gestrichen ist, ist das Bedürfnis nach Gottesdiensten gestiegen.
Schöne und traurige Erinnerungen
«Zum Glück musste ich nie wegen eines Suizides ausrücken. Leider ist aber vor vielen Jahren ein Rekrut an einer Hirnhautentzündung verstorben. An der Beerdigung gestaltete ich zusammen mit dem Ortspfarrer den Abdankungsgottesdienst.» Auch im Sommer 2018, als ein Lastwagen mit Rekruten auf der Ladefläche verunfallte, wurde er zusammen mit dem Care-Team der Armee aufgeboten. Der Fahrer wurde schwer verletzt, einige waren leicht verletzt und viele standen unter Schock.
Lieber erinnert sich Lemp aber an Schönes – zum Beispiel an die Weihnachtsgottesdienste, die er in den ersten Jahren gemeinsam mit einem katholischen Kollegen in der Kirche Linden feiern konnte. Zur musikalischen Begleitung wurde jeweils ein Adhoc-Orchester zusammengestellt. Auch die Brevetierungsfeiern, an denen er stets einige Worte an die Anwesenden richten durfte, hat er in guter Erinnerung. Im Laufe der Jahre sind viele wertvolle Freundschaften mit Berufskadern entstanden. Ein Höhepunkt war für Lemp die Trauung eines Instruktors.
«Ich habe von dieser Aufgabe persönlich viel profitiert. Als Pfarrer verliert man nach der Konfirmation und bis zu ihrer Trauung häufig den Kontakt zu den Leuten. Dank der oft kritischen Fragen der jungen Männer und Frauen war ich stets herausgefordert, mich mit den Anliegen und Problemen dieser Altersgruppe auseinanderzusetzen», so seine erfreuliche Bilanz.