Ein Grosser am Chuenisbärgli tritt ab
11.01.2022 AdelbodenABSCHIED 28 Jahre lang war Hans Pieren Rennleiter der Internationalen Adelbodner Skitage. Nun übergibt er 14 Tage vor seinem 60. Geburtstag die Aufgabe an die beiden Einheimischen Reto Däpp und Stefan von Känel. Der Adelbodner «Schneeflüsterer» erinnert sich an einige besonders ...
ABSCHIED 28 Jahre lang war Hans Pieren Rennleiter der Internationalen Adelbodner Skitage. Nun übergibt er 14 Tage vor seinem 60. Geburtstag die Aufgabe an die beiden Einheimischen Reto Däpp und Stefan von Känel. Der Adelbodner «Schneeflüsterer» erinnert sich an einige besonders spektakuläre Episoden seines Rennleiterlebens. Wer hätte allerdings gedacht, dass er seinen letzten Einsatz am Stubentisch erleben würde?
RETO KOLLER
So hatte sich «Häns» seinen Abgang wohl nicht vorgestellt. Am Freitagmittag vor dem Rennen zeigte der obligatorische Covid-Test «positiv» an. Obwohl symptomfrei, verschwand der legendäre Rennleiter in seinem Haus nahe dem Chuenisbärgli-Hang in die Quarantäne (siehe Kasten).
Hans Pieren prägte den Grossanlass am Chuenisbärgli wie kaum ein anderer. Fast 30 Jahre lang war er für den regulären Ablauf der Rennen und den Zustand der Piste verantwortlich.
Als der Schnee von der Grimsel kam und das Risetensträssli zur Eisbahn wurde
Hans Pieren feierte an seinem Hausberg 1992 mit dem zweiten Platz den grössten Erfolg seiner internationalen Rennfahrerkarriere. Nach dem darauffolgenden Rücktritt übernahm er 1994 den Rennleiter-Job.
Mit seinem grossen Fachwissen, seiner Tatkraft und seiner Leidenschaft prägte Pieren die wechselhaften Geschicke der Adelbodner Rennen. Er gab sich mit Haut und Haaren seiner Aufgabe hin und war auch um ungewöhnliche Lösungen nicht verlegen, wenn die Verhältnisse es erforderten. Und das kam oft genug vor. In den fast schneelosen Jahren 1998 und 2003 liess er 450 Lastwagenladungen Schnee vom Grimselpass herbeikarren, um die Rennen zu ermöglichen. «Das wäre heute wohl undenkbar», meint er und lacht verschmitzt. Pieren erinnert sich an eine weitere Episode in den schneearmen späten 1990er-Jahren: «Weil Adelboden über die Festtage nicht über genügend freie Wasservorräte verfügte, benutzten wir das Becken im Freibad Gruebi als Reservoir und pumpten das kostbare Nass von dort aus ans Chuenisbärgli.» Dumm nur, dass die eilends herbeigeschafften ausgemusterten Schläuche der Feuerwehr Spiez dem Druck nicht standhielten und zu rinnen begannen. Die Folge davon war ein vereistes Risetensträssli. Pieren rückte in den frühen Morgenstunden persönlich mit einer Schaufel und einer mit Splitter gefüllten Stosskarrette aus, um den Weg gangbar zu machen. «Ich kam auf der eisigen Strasse selbst kaum vom Fleck», erinnert er sich.
Hänsis Gespür für Schnee
Pieren gilt weltweit als einer der versiertesten Schnee-Experten. Wo auch immer eine Piste einem unerwarteten Wärmeeinbruch zum Opfer zu fallen drohte, war der Adelbodner zur Stelle – so auch an den Olympischen Winterspielen 2014 im russischen Sotschi. Pieren wurde im letzten Augenblick eingeflogen. Er orderte augenblicklich per Luftfracht tonnenweise Salz aus den schweizerischen Rheinsalinen und verfestigte mit seinem untrüglichen Gespür für das Zusammenwirken von Schnee, Salz und Wasser die davonschwimmenden Pisten, Loipen und Halfpipes für die Schneewettbewerbe – ein Husarenstück des «Schneeflüsterers»!
2015 gelang dem Pistenchef Toni Hari zusammen mit Pieren ein ähnliches «Schneewunder» am Chuenisbärgli-Hang. Der Wengener Lauberhorn-Chef Urs Näpflin war Gast in Adelboden. Er meinte bewundernd zu Pieren: «Du bringst es doch fertig, aus jedem Sch …dreck eine rennfähige Piste zu machen.»
Hans Pieren, der leidenschaftliche Ski-Mensch, wird zwar dem Chuenis-Hang den Rücken kehren, nicht jedoch seiner Welt, dem internationalen Skirennsport. Der ehemalige Trainer der Frauen-Nationalmannschaft und FIS-Renndirektor für Riesenslalom und Slalom wird weiterhin als Experte und Berater an internationalen Grossanlässen gefragt sein – so auch an den bevorstehenden Olympischen Spielen in Peking.
Trotz Booster positiv getestet
Hans Pieren verfolgte die Rennen unfreiwillig aus der Covid-Quarantäne von zu Hause aus. Der äusserst erfahrene Rennleiter unterstützte seinen Stellvertreter und designierten Nachfolger Reto Däpp per Handy, Funk und Internet, wo es hilfreich war. Die Chuenisbärgli-Symbolfigur trug es mit Fassung: «Es lässt sich nicht ändern, die Vorschriften sind klar. Statt mitten im Renngeschehen zu stehen, habe ich am Samstag meinen Parkplatz vom Schnee geräumt…», meinte er sarkastisch. Welche Konsequenz die Quarantäne für seinen Einsatz in Peking an der bevorstehenden Winterolympiade haben wird, ist zurzeit noch unklar. «Damit befasse ich mich am Montag», bemerkte Pieren mit stoischer Gelassenheit. Das OK verschob seine für den Samstag geplante Verabschiedung auf 2023.
RK