Ein innovatives Beispiel für Nachhaltigkeit
11.01.2022 FrutigenAm letzten Donnerstag verlieh die Volkswirtschaft Berner Oberland ihre mit 3000 Franken dotierten Innovationspreise 2021. An einem der prämierten Projekte ist die fmi AG beteiligt, ein anderes hat seinen Standort in Frutigen.
MARK POLLMEIER
Das «Sammelsurium aus ...
Am letzten Donnerstag verlieh die Volkswirtschaft Berner Oberland ihre mit 3000 Franken dotierten Innovationspreise 2021. An einem der prämierten Projekte ist die fmi AG beteiligt, ein anderes hat seinen Standort in Frutigen.
MARK POLLMEIER
Das «Sammelsurium aus Hüttli, Häusern, Tanks, Rohren und Leitungen» wirke wie eine Handvoll Legosteine: intelligent zusammengestellt könne man die Installation dauernd erweitern und optimieren. So umschrieb der Künstler Martin Lüthi alias Heinrich Gartentor die Frutiger Biogasanlage in seiner Laudatio. Die eigentliche Innovation sei aber die Tüftelei, die in der Anlage stecke.
Mit Tüftelei zum Störknochen-Häcksler
Das Frutiger Biogas werde unter anderem aus den Fischabfällen gewonnen, die im nahen Tropenhaus anfallen, erläuterte Lüthi. Störe seien aber Knochenfische: «Ihre Schädel müssen zerkleinert werden, um zu Biogas werden zu können, es gibt kein Gerät dafür.» Also hätten die Betreiber Niklaus Hari, Pius Allenbach und Samuel Moser eben einen Holzhäcksler umgebaut, sodass er auch Störknochen zerkleinern könne. «Bschütti-Rührwerke brauchen getrocknetes Holz, damit sie Jahrzehnte halten», fuhr Lüthi mit einem weiteren Beispiel fort. Also würden Allenbach, Moser und Hari eben «Gülle-Rührwerk-Holz» trocknen, damit das Ganze funktioniere. «Das nennt man Pionierarbeit», so der Laudator, und die sei ohne Unterstützung des Bundes oder des Kantons geleistet worden.
Das Herausragende am Projekt sei jedoch die Frutiger Biogastankstelle, die – völlig unabhängig von Gaspipelines aus dem Ausland – nachhaltigen Treibstoff anbiete. «Made in Frutigland, an der zweitwichtigsten Nord-Süd-Achse der Schweiz!», betonte Lüthi. Damit zeige die Anlage exemplarisch, was auch andernorts im Alpenraum möglich wäre: «Liebe Gemeinden, geht hin, fragt Allenbach, Moser, Hari, spart viel Geld und leistet einen Beitrag zur Energiewende!»
Kritik an Standortpolitik der Gemeinde
Das Frutigland sei ein guter Boden für Pioniere, fuhr Martin Lüthi fort – und beklagte, dass dies offenbar nicht immer erkannt werde. «Wir sind später noch eine Firma besuchen gegangen, die in einem leerstehenden Hotel aus Rüebli einen Lachsersatz herstellt. Eine Supersache mit dem Potenzial für viele Arbeitsplätze.» Leider habe man das in Frutigen aber nicht bemerkt und das Potenzial nicht erkannt. Die Rüebli-Lachs-Produzenten von «Wild Foods» würden nun nach Uetendorf ziehen, weil der Produktionsplatz nicht mehr ausreiche. «Dort werden sie neue Produkte lancieren. Wenn sie so weitermachen, sind sie Favoriten für den Innovationspreis 2023.»
«Biogas statt Kernkraftwerk»
In einer schriftlichen Stellungnahme zeigte sich die Biogasanlage Frutigland GmbH erfreut über den Erhalt des Innovationspreises. Niklaus Hari hob dabei das enorme Potenzial von Biogas hervor, «denken wir nur an den Hofdünger aller Bauernbetriebe mit Nutztieren». 95 Prozent dieses Hofdüngers würden in der Schweiz bis heute noch nicht vergoren und energetisch genutzt. «Dieses Potenzial entspricht der zweieinhalbfachen Stromproduktion des Kernkraftwerks Gösgen», so Hari. Zudem sei Biogas per Definition klimaneutral, verbrenne praktisch ohne Feinstaub und sei preislich absolut konkurrenzfähig gegenüber Benzin oder Diesel. Auch die entsprechend umgerüsteten Fahrzeuge seien nicht teurer als herkömmliche.
Die Biogasanlage in Frutigen war ursprünglich von der Sol-E Suisse AG, einer Tochter der BKW AG, in Zusammenarbeit mit dem Tropenhaus Frutigen erstellt worden. Im Jahr 2016 konnten Pius Allenbach, Niklaus Hari und Samuel Moser die Biogasanlage von der BKW AG käuflich erwerben. Das dort produzierte Gas wird in zwei Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme umgewandelt. Der Strom wird als erneuerbare Energie ins Netz der BKW eingespeist. Die Wärme wird zu einem Teil zum Heizen des eigenen Fermenters verwendet, zum anderen heizt sie die ARA Frutigen, den neuen Werkhof der Gemeinde und den Schlachthof Frutigen. In Zusammenarbeit mit der Genossenschaft fahrBiogas wurde im November 2019 die erste öffentliche, völlig unabhängige Biogastankstelle in Betrieb genommen.
Ausgezeichnetes Demenzprojekt
Ein weiterer Innovationspreis wurde an das Gesundheitsnetz Berner Oberland verliehen, das einen schweizweiten Kompass zum Thema Demenz entwickelt hat. Diese Onlineplattform bietet Angehörigen, Fachpersonen und weiteren Interessierten einen einfachen Zugang und Überblick zum Thema Demenz. An der Erarbeitung war unter anderem die Spitäler fmi AG beteiligt gewesen.
Einen Mitschnitt von der Preisverleihung (mit Kurzfilmen zu den prämierten Projekten) haben wir in den Web-Links unter www.frutiglaender.ch bereitgestellt.
Die drei Preisträger 2021
Die Innovationspreise vergibt die Volkswirtschaft Berner Oberland in Zusammenarbeit mit den vier Oberländer Tourismusdestinationen. Wie bereits 2020 konnten sich sämtliche Branchen um den Preis bewerben. Eine achtköpfige Jury wählte aus den 23 eingegangenen Bewerbungen die Sieger aus.
Innovation sei derzeit eine besondere Herausforderung für Unternehmen, so die Volkswirtschaft Berner Oberland in einer Medienmitteilung. Dass sich viele der eingereichten Projekte während der Pandemie etablieren und weiterentwickeln konnten, sei deshalb eine bemerkenswerte Leistung. Die drei Preisträger 2021 sind:
Die Tourify GmbH aus Uebeschi, die eine einfach zu bedienende Software für Krimispass, Themen- und Rätselwege entwickelt hat. Mittlerweile gibt es schweizweit rund 100 Erlebnisangebote, die von Tourify – oder mit den Tools von Tourify – realisiert wurden. Umgesetzt wurden beispielsweise Naturlehrpfade in Spiez, ein Natura-Barfusstrail im Engadin oder UNESCO-Nachhaltigkeitstrails in der Jungfrau-Region.
Die Spitex Region Interlaken, die zusammen mit der Psychiatrie der Spitäler fmi AG und weiteren Partnern einen Demenzkompass entwickelt hat. Der digitale Demenzkompass bringt Informationen, Beratungsstellen und Angebote rund um das Thema Demenz zusammen und hilft betroffenen Familien und Fachpersonen gleichermassen, sich zu orientieren und zu organisieren. Auch dieses Angebot wird in immer mehr Kantonen genutzt. Der mit dem Projekt entstandene Verein Gesundheitsnetz Berner Oberland hat im Hinblick auf die steigende Anzahl von Demenzpatienten ein grosses Bedürfnis erkannt und darauf reagiert.
Die Biogasanlage Frutigland GmbH, die Klärschlamm, Fischschlamm und Gastroabfälle aus der Region zu Biogas verarbeitet und dieses der ersten Biogastankstelle ausserhalb des Erdgasnetzes verkauft. Zudem werden mit den weiterverwerteten Abfallstoffen Wärme und Strom produziert. 100 Prozent erneuerbare Energie, Abfallverwertung und kurze Transportwege – dies sei eine grosse Chance nicht nur für Berggebiete, so die Volkswirtschaft Berner Oberland.
Weil der Neujahrsapéro des Verbands pandemiebedingt erneut nicht stattfinden konnte, war die Preisverleihung per Livestream übertragen worden.
PRESSEDIENST VOLKSWIRTSCHAFT BERNER OBERLAND