Spielräume vollständig nutzen
Mark Pollmeiers Schlusspunkt im «Frutigländer» vom 21. Januar trifft den Nagel auf den Kopf. Nach 21 Jahren Gemeindepolitik ist mir nach einer elfjährigen Pause aufgefallen, dass die Verordnungs- und Gesetzesflut wie ein Tsunami über uns ...
Spielräume vollständig nutzen
Mark Pollmeiers Schlusspunkt im «Frutigländer» vom 21. Januar trifft den Nagel auf den Kopf. Nach 21 Jahren Gemeindepolitik ist mir nach einer elfjährigen Pause aufgefallen, dass die Verordnungs- und Gesetzesflut wie ein Tsunami über uns hereingebrochen ist. Sehr selten haben vorgesetzte Stellen, Amtsleiter, selbst Regierungsräte noch den Mut zur Entscheidung. Ist es die Angst vor einem juristischen Nachspiel, die Befürchtung, der eigenen Karriere zu schaden oder bei Wahlen schlecht abzuschneiden? Der Schlüsselbegriff in solchen Fällen ist Präjudiz – das Lieblingswort aller, die nicht den Mut zur Entscheidung haben.
Ich erinnere mich: In meiner ersten politisch aktiven Zeit gab es noch Verantwortliche, die mit gesundem Menschverstand, mit Objektivität und Sinn für Verhältnismässigkeit Entscheide zum Wohle aller getroffen haben.
Ich meine nicht, dass wir Gesetze brechen sollten. Im Minimum sollte aber der gesetzliche Spielraum vollständig ausgenutzt werden, bis hin zur Grauzone. In meiner Tätigkeit am Gericht entscheiden wir auch fallweise «in dubio pro reo»: im Zweifel für den Angeklagten. Schön wäre es, wenn sich unsere kantonalen Verwaltungen das «im Zweifel für den Bürger» auf die Fahne schreiben würden.
RENÉ F. MAEDER, GEMEINDERATSPRÄSIDENT KANDERSTEG