SILVIA ZAUGG-ANLIKER
05.01.2022 NachrufAm 4. Januar jährte sich der erste Todestag von Silvia Zaugg (21. Oktober 1927 – 4. Januar 2021). Wegen der Corona-Auf lagen fand die Urnenbeisetzung im engsten Familienkreis statt, und womöglich deshalb blieb ein Nachruf in der Presse damals aus. Mit der heutigen Würdigung erinnern wir ...
Am 4. Januar jährte sich der erste Todestag von Silvia Zaugg (21. Oktober 1927 – 4. Januar 2021). Wegen der Corona-Auf lagen fand die Urnenbeisetzung im engsten Familienkreis statt, und womöglich deshalb blieb ein Nachruf in der Presse damals aus. Mit der heutigen Würdigung erinnern wir nachträglich an das Leben und vielseitige Wirken der Verstorbenen.
Die gebürtige Langenthalerin lebte mit ihrem Ehemann ab 1974 in K andergrund, wo Johannes Zaugg bis zu seiner Pensionierung als Pfarrer wirkte. Als begabte Organistin begleitete Silvia Zaugg ihren Gatten zu d essen Predigtdiensten in seinem Pfarrkreis, orgelte aber ebenso in Reichenbach, Achseten und Adelboden. Bekannt wurde Silvia Zaugg hingegen vor allem wegen ihres sozialen Engagements, unter anderem als Mitbegründerin des Claro Weltladens in Frutigen.
Unvergessliche Spuren hinterliess Silvia in Afrika. Durch ihre Jugendfreundin Therese Buchmann, die 1968 den Kameruner Theologen Dr. Ruben Osih geheiratet hatte und nun in dessen Heimatland lebte, hörte Silvia bei einem ersten von mehreren Besuchen von den grossen Nöten und Sorgen der Bevölkerung in den Rumpi Hills in Westkamerun. Besonders beelendend war für Silvia die Tatsache, dass für Verletzte und Frauen mit schwierigen Schwangerschaften in der Umgebung keinerlei medizinische Einrichtungen zur Verfügung standen und Notfälle auf tagelangen Märschen auf unwegsamen Buschpfaden über 80 Kilometer ins nächstliegende Spital getragen werden mussten. Zielstrebig begann Silvia, in der Schweiz für eine Buschklinik zu werben. Sie hielt Vorträge in Kirch gemeinden und Frauengruppen und organisierte Missionsbasare in der halben Schweiz.
Mit den Spenden konnte im Urwalddorf Madié eine Gebär station samt Trinkwasserleitung gebaut und mit ausgebildetem Personal in Betrieb genommen werden. Dank Silvias unermüdlichem Einsatz wurde es später sogar möglich, in Madié ein Primarschulhaus zu bauen und eine einigermassen befahrbare Strasse zum Dorf in den Urwald zu schlagen.
Nach dem Mauerfall reiste Silvia1991 auf Einladung der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder nach Tschechien und lernte dort die Bevölkerung in grosser Not und Armut kennen. Die Ortsbehörde des Städtchens Lidice hatte der Kirche ein altes Schulhaus vermacht, mit der Auflage, es in ein Alters- und Pflegeheim umzubauen. Aber es fehlte an Geld, und die Kirchenleitung sah sich ausserstande, das Projekt voranzutreiben.
Wiederum wurde Silvia aktiv. Sie hielt Vorträge in kirchlichen Kreisen und organisierte Sammelaktionen, sie bat Hilfswerke in Deutschland und Holland sowie das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) um Unterstützung. Selbst in Tschiechen flossen Hilfsgelder, sodass bald einmal mit den Umbauarbeiten begonnen werden konnte. In Zusammenarbeit mit «Hiob International» wurden 1994 schliesslich 30 Spitalbetten, Nachttischchen, Rollstühle und Pflegematerial nach Lidice geliefert, dazu Bettwäsche, die Frauen aus Frutigen und Erlenbach gespendet hatten. 1996 reiste Silvia mit acht hiesigen Frauen zur Eröffnung des Altersheimes nach Lidice und durfte von der Kirche eine Ehren medaille für ihr Engagement in Empfang nehmen.
Nach dem Tod ihres Gatten, der sie in ihren Aktivitäten stets unterstützt hatte, lebte Silvia noch eine Zeit lang in Frutigen. Wegen eines unheilbaren Rückenleidens wurde jedoch der Eintritt in die Pflegeabteilung im hiesigen Spital unumgänglich. Dort freute sie sich über Besuche in ihrem gemütlichen Einzelzimmer, etwa über diejenigen ihrer Kinder Ueli und Rebekka mit den Enkelkindern, aber auch von Weggenossen aus ihren früheren Tätigkeiten. Und noch lange begleitete sie bei Feiern und Gottesdiensten auf der Abteilung den Gesang auf ihrer kleinen Elektroorgel, bis ihre Hände ihr auch diesen Dienst versagten.
In festem Gottvertrauen wurde sie am 4. Januar 2021 von Krankheit und Beschwerden erlöst.
UELI SCHMID, FRUTIGEN