Studie ist nicht gleich Studie
21.01.2022 GesellschaftWISSENSCHAFT Obwohl eine Vielzahl von Untersuchungen die Harmlosigkeit von Mobilfunkstrahlung nahelegt, gibt es immer wieder Studien, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen. Wie lassen sich solche abweichenden Erkenntnisse einordnen?
MARK POLLMEIER
Seit der ...
WISSENSCHAFT Obwohl eine Vielzahl von Untersuchungen die Harmlosigkeit von Mobilfunkstrahlung nahelegt, gibt es immer wieder Studien, die zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen. Wie lassen sich solche abweichenden Erkenntnisse einordnen?
MARK POLLMEIER
Seit der Mobilfunk unsere Gesellschaften erobert hat, werden auch seine gesundheitlichen Auswirkungen erforscht. Neben der aktuellen «Mobi-Kids»-Studie (siehe Artikel oben) haben in den vergangenen Jahren vor allem drei grosse, anerkannte Untersuchungen Beachtung gefunden: die Interphone-Studie, die sogenannte Million-Women-Studie und die Danish-cohort-Studie. Allein in diesen drei Forschungsprojekten wurde an mehr als 1,5 Millionen Menschen der Zusammenhang zwischen Handynutzung und Krebs untersucht. Ein Beleg für diesen Zusammenhang wurde selbst bei Langzeitnutzern nicht gefunden. Alles, was man übereinstimmend nachweisen konnte, war eine leichte Erwärmung der oberen Gewebeschichten durch Mobilfunkstrahlung.
Mobilfunkkritiker richten ihr Augenmerk indes eher auf abweichende Forschungsergebnisse. Einige Bekanntheit haben zwei Studien mit Ratten erlangt, die 2018 publiziert wurden. Die eine wurde im Auftrag der US-amerikanischen Behörde für Toxikologie durchgeführt, eine andere in Italien an der Universität von Bologna. Die US-Forscher konnten zumindest an männlichen Tieren einen Zusammenhang zwischen Handystrahlung und Krebs nachweisen, und auch das Ergebnis der italienischen Studie legt nahe, dass Mobilfunk das Wachstum von Tumoren begünstigen kann.
Unrealistische Versuchsbedingungen
Um die Erkenntnisse einzuordnen, muss allerdings auch die Versuchsanordnung beachtet werden. In den USA wurden 3000 Mäuse und Ratten zwei Jahre lang über neun Stunden pro Tag einer gleichbleibenden Strahlendosis ausgesetzt. Auch in Italien wurden die Tiere massiv bestrahlt – und zwar am ganzen Körper und mit einer deutlich höheren Dosis als sie für Menschen erlaubt wäre. Sowohl die Versuche in den USA als auch jene in Bologna arbeiteten also mit einem realitätsfernen Konzept: Kein Mensch ist ganztägig einer gleichbleibenden, relativ hohen Mobilfunkstrahlung ausgesetzt. Die Ergebnisse aus den beiden Rattenstudien haben deshalb nur begrenzte Aussagekraft für die Handynutzung von Menschen. Das zeigen auch zwei Aspekte der US-amerikanischen Studie: Die erkrankten Ratten entwickelten häufig eine Tumorart, die bei Menschen praktisch nicht vorkommt – und die bestrahlten Nager überlebten insgesamt länger als die unbestrahlten aus der Kontrollgruppe.
Die Studienlage ist entscheidend
Das Beispiel zeigt, dass es nicht nur auf das Ergebnis einer Studie ankommt, sondern auch auf deren Qualität. Generell sind Forschungsergebnisse dann aussagekräftig, wenn sie unter realistischen, nachvollziehbaren Bedingungen zustande kommen. Idealerweise sollten sie von anderen Forscherteams wiederholt und überprüft werden können – so, wie dies bei den anfangs genannten grossen Studien der Fall war. Erst dann ergibt sich eine Studienlage, die einigermassen zuverlässige Schlüsse zulässt.
Eine Übersicht über alle bisherigen Untersuchungen gibt das sognannte EMF-Portal der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, wo sämtliche Studien zu diesem Forschungsfeld gesammelt werden. Die Adresse zum Portal haben wir online im Bereich Web-Links hinterlegt.