AUF AUGENHÖHE – Helden auf vier Pfoten
08.02.2022 KolumneHelden auf vier Pfoten
Diese Kolumne ist Magawa gewidmet, einem Riesenhamsterrattenmann, der Anfang Januar im hohen Rattenalter von acht Jahren friedlich eingeschlafen ist. Er war ein Held. Er rettete Menschen vor Verletzungen, Verstümmelungen und Tod. Seine Geschichte ...
Helden auf vier Pfoten
Diese Kolumne ist Magawa gewidmet, einem Riesenhamsterrattenmann, der Anfang Januar im hohen Rattenalter von acht Jahren friedlich eingeschlafen ist. Er war ein Held. Er rettete Menschen vor Verletzungen, Verstümmelungen und Tod. Seine Geschichte ging viral.
Geboren worden war Magawa in der «Sokoine University of Agriculture» in Tansania. Nach seiner Ausbildung zur Minensuchratte – einer sogenannten «HeroRAT» der belgischen Hilfsorganisaton Apopo – kam er auf den Minenfeldern in Kambodscha zum Einsatz. Im Laufe seiner fünfjährigen Karriere räumte er 225 000 Quadratmeter Land – eine Fläche, die rund 31 Fussballfeldern entspricht. Dabei fand er mehr als 100 Sprengkörper. Im Jahr 2020 wurde er als erste und bisher einzige Riesenhamsterratte mit der PDSA-Goldmedaille ausgezeichnet, dem tierischen Äquivalent des «George Cross» (höchste zivile Auszeichnung für Tapferkeit im Vereinigten Königreich). Vor einem Jahr ging Magawa in «Pension». Sein letztes Lebensjahr habe er bei guter Gesundheit verbracht, teilt die belgische NGO mit, erst ein paar Tage vor seinem Tod sei er müde gewesen, habe das Fressen verweigert und fast nur noch geschlafen.
Trainierte Riesenhamsterratten sind dank ihres hervorragenden Geruchssinns Meister im Erschnüffeln von Sprengstoff. Eine HeroRAT kann ein Feld in der Grös se eines Tennisplatzes innert einer halben Stunde absuchen – ein Mensch mit einem Metalldetektor braucht dafür bis zu vier Tage. Landminen – Hinterlassenschaften vergangener Kriege – bedrohen 60 Millionen Menschen in 59 Ländern. Kambodscha ist eines davon. Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg verursachen die Sprengkörper immer noch grosses Leid: Verletzungen, Verstümmelungen und Tod. Das macht mich wütend auf die Verantwortlichen: Machthaber, Militär sowie Waffenhersteller und -lieferanten, deren Gier nach Macht und Reichtum gross genug war, um Gesundheit und Leben von Unschuldigen aufs Spiel zu setzen. Durch die HeroRATs wird das Leben für viele Menschen und Tiere sicherer, dafür verdienen sie unseren Respekt.
Die Geschichte passt thematisch gut zur Volksabstimmung über die Initiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» vom 13. Februar, finde ich. Geht es nicht auch da um Respekt vor lebenden und fühlenden Wesen? Zu Tierversuchen sagt mein Herz vehement nein. Schreckensbilder von leidenden Laborratten und -mäusen drängen sich vor mein inneres Auge. Also die Initiative annehmen? Dafür scheint sie mir doch zu radikal, denn auch Menschen und Tiere profitieren von medizinischen Therapien und Medikamenten, die mithilfe von Tierversuchen entwickelt wurden. Somit retten auch Laborratten Leben! Also ablehnen? Herz und Verstand liegen im Clinch.
Die Initiative mag für jetzt zu weit gehen und scheint Umfragen zufolge kaum Chancen zu haben. Trotzdem: Eine tierversuchsfreie Zukunft sollte ein konkretes Ziel sein, keine vage Vision. Schon heute stehen den Forschenden nämlich moderne und innovative Alternativen zur Verfügung. Und falls mein Stift – wie von Zauberhand gelenkt – ein Ja auf den Stimmzettel schreibt, ist es aus Respekt vor allen Lebewesen und als Hommage an Magawa.
BARBARA STEINER-SUTER
AUFAUGENHOEHE@OUTLOOK.COM