Aufs Maximum reduziert
25.02.2022 AdelbodenSeit Juni 2021 ist das Lohnerdorf um ein gastronomisches Kleinod reicher. Wie man ein Gault-Millau-Restaurant mit nur 16 Plätzen führen kann, erzählen Stefan Zimmermann und Tünde Tamàs, die Gastgeber des «S.Zimmer».
RETO KOLLER
Der Start ins eigene ...
Seit Juni 2021 ist das Lohnerdorf um ein gastronomisches Kleinod reicher. Wie man ein Gault-Millau-Restaurant mit nur 16 Plätzen führen kann, erzählen Stefan Zimmermann und Tünde Tamàs, die Gastgeber des «S.Zimmer».
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Der Start ins eigene Gastroabenteuer hätte unglücklicher nicht sein können. Im Januar 2020 entschlossen sich Stefan Zimmermann und seine Partnerin, Tünde Tamàs, die ehemalige «TrinkBar» vom Adelbodner Unternehmer Jürg Gyger zu mieten und sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen.
Tünde Tamàs stammt aus Westungarn. Sie kam 2015 in die Schweiz, trat eine Wintersaisonstelle im damaligen Hotel Kreuz an und traf eines Abends im Ausgang ihren heutigen Lebenspartner Stefan Zimmermann, der als Koch im Parkhotel Bellevue wirkte. Der 31-jährige Berufsmann hat reiche Erfahrung in der Punkte-Gastronomie. Er lernte sein Handwerk in renommierten Betrieben wie dem 17-Punkte-Restaurant Sonne Scheunenberg und dem «Kursaal Bern». Anschliessend leitete er in Interlaken das «Stadthaus» und das «Benacus» des prominenten TV-Kochs René Schudel.
Das junge Paar wünschte sich schon immer einen eigenen kleinen Betrieb mit gehobener Gastronomie. Die Chance ergab sich Anfang 2020, als die «Trink-Bar» frei wurde. Ein Augenschein vor Ort gab den Ausschlag, Anfang November 2020 ging es los – und am 21.Dezember schlossen sich die Türen aller Restaurants in der Schweiz. Corona hatte den beiden den Start ins Leben als Gastgeber gründlich vermiest. Gerade mal sieben Wochen blieb das kleine Restaurant geöffnet. Die Beiden liessen sich nicht beirren, sie stürzten sich voller Tatendrang auf das Einzige, was ihnen übrigblieb: Take-away. «Das war für uns auch ein wenig Marketing», erinnert sich die 35-jährige Gastro-Fachfrau. «Wir gewannen viele Stammgäste, denen unsere Speisen aus der Box anscheinend gut geschmeckt haben.» Erst im Juni 2021 ging es für die beiden richtig los, die 16 Plätze waren fast ständig besetzt. Tünde Tamàs windet ihren KollegInnen ein Kränzchen: «Wir wurden sehr gut aufgenommen und sind beeindruckt vom Zusammenhalt in der Adelbodner Gastronomieszene.»
Wie kam das «Gourmet-Beizli» zu seinem Namen? Zimmermann erklärt: «Wir spielten mit dem ersten Buchstaben meines Vornamens und der ersten Silbe meines Familiennamens. Wer das ‹S› ausspricht, landet fast automatisch beim Begriff ‹Ess- oder Ässzimmer›. Das war unsere Absicht, insbesondere weil das kleine Lokal wirklich an ein etwas grösseres Esszimmer erinnert.»
O.812 Gault-Millau-Punkte pro Sitzplatz
Die aussergewöhnliche Küche blieb den Restauranttestern des Gourmetführers GaultMillau nicht verborgen. Bereits nach kurzer Zeit bedachten sie das «S.Zimmer» mit 13 Punkten – kein Wunder bei der beruflichen Vergangenheit Zimmermanns, der auch Mitglied der Koch-Militär-Nationalmannschaft war und 2020 eine Goldmedaille an der Kocholympiade holte.
Wie betreibt man ein Restaurant mit nur gerade vier Tischen? Das Geheimnis liegt im reduzierten Speiseangebot. Täglich bietet Zimmermann ein sechsgängiges Menu an. Der Gast kann die Anzahl Gänge frei wählen. Zimmermann legt grössten Wert auf nachhaltig hergestellte Grundprodukte, die er alle handwerklich verarbeitet – bis hin zum Gemüsefonds. Wie kann er denn die Gänseleber verantworten, die Teil der Vorspeisenauswahl ist? «Die Gänse werden in Frankreich normal gefüttert, nicht gestopft. Es kostet mich zwar ein Mehrfaches, aber ich kann so hinter der Delikatesse stehen.» Der Gastronom legt zwar Wert auf Produkte aus der Region, wenn sie in hoher Qualität erhältlich sind. Ein wild mit der Angel gefangener Meerfisch hat aber ebenfalls Platz auf seiner Karte. Dass Tünde Tamàs die Gerichte an jedem Tisch einzeln vorstellt, gehört ebenso zum Service wie die Weinberatung durch die angehende Sommelière. Sie will den Lehrgang im April beginnen und im Spätherbst abschliessen.
«Reduce to the maximum», heisst die Devise. Zimmermann und Tamàs verhehlen nicht, dass das Restaurant auf sie beide angewiesen ist und schon nur ein Ausfall die Schliessung zur Folge hätte, da sie sich kein weiteres Personal leisten können, das regelmässig im Einsatz ist. Ab und zu helfen Bekannte und Freunde aus, wenn sie eine Gruppe bewirten, die den Gastraum auf den letzten Platz füllt, was maximal 20 Gästen entspricht.