Endlich ist es wieder halbwegs normal
25.02.2022 WirtschaftSeit einer guten Woche ist für den Besuch eines Restaurants oder Cafés kein Zertifikat mehr nötig – eine Situation, auf die viele in der Gastrobranche gewartet hatten. Wie ist nun die Stimmung nach dem lang ersehnten Öffnungsschritt, wie blicken Wirte und Restaurantbetreiber in die ...
Seit einer guten Woche ist für den Besuch eines Restaurants oder Cafés kein Zertifikat mehr nötig – eine Situation, auf die viele in der Gastrobranche gewartet hatten. Wie ist nun die Stimmung nach dem lang ersehnten Öffnungsschritt, wie blicken Wirte und Restaurantbetreiber in die nahe Zukunft? Der «Frutigländer» hat einige von ihnen befragt.
So vielfältig die Rückmeldungen auch sind, ein Gefühl vereint alle Betriebe: Erleichterung. «Voller Zuversicht und Motivation freuen wir uns nun auf einen massnahmefreien Betrieb», sagen etwa Anita Wäfler und Marcel Ryter vom Gasthof Engelberg in Scharnachtal. Die beiden haben den Betrieb erst im Jahr 2020 übernommen – und seitdem noch kaum Phasen ohne Einschränkungen erlebt.
«Für uns ist es eine freudige Erleichterung, wieder Gäste mit einem sichtbaren Lachen zu empfangen» – so beschreibt René Maeder vom Kandersteger Waldhotel Doldenhorn die aktuelle Stimmung. Ein Restaurantbetreiber aus Adelboden, der nicht namentlich genannt werden möchte, ist froh, dass die Zertifikatspflicht nun weggefallen ist. Im Innenbereich habe diese zu Einbussen von 60 Prozent geführt. Zum Glück habe man den Umsatzrückgang durch das meist gute Winterwetter mit einer Sonnenterrasse teilweise abfedern können. Durch den Wegfall der Massnahmen werde nun auch das Personal entlastet: Man könne sich wieder ins Gesicht sehen, die Kommunikation sei einfacher, die Brillengläser liefen nicht mehr an.
Am kernigsten bringt seine Erleichterung Andreas Hossmann vom Frutiger Hotel Simplon auf den Punkt: «Zum Glück ist der Sch… vorbei und wir dürfen wieder alle Gäste im Restaurant bewirten.» Zwar seien die «Simplon»-Besucher zum grössten Teil geimpft oder genesen gewesen, alle andern habe man im Garten bedienen können. Die Einschränkungen hätten jedoch starke Auswirkungen auf die Auslastung des Saals gehabt. Auch das habe sich nun geändert: «Nach der Bundesratssitzung vom letzten Mittwoch kamen sehr viel Reservationen für den Saal herein, und dafür sind wir sehr dankbar», so Hossmann.
Zum Glück gabs die Terrasse
Ob sich die Lage auch in anderen Hotels und Gastrobetrieben so schnell normalisieren wird, ist nun die grosse Frage. «Die grösste Herausforderung wird wohl sein, dass die Leute wieder in Restaurants gehen», finden Anita Wäfler und Marcel Ryter vom Gasthof Engelberg. Zwei Jahre lang habe man der Bevölkerung erzählt, wie gefährlich es dort sei – das wirke möglicherweise noch länger nach. «Draussen auf der Terrasse geht es, aber in die Innenräume wagt sich noch nicht jeder.» Vielleicht habe sich mancher während der Pandemie auch daran gewöhnt, abends zu Hause zu bleiben oder sich bei Freunden zu treffen.
«Machen nun viel mehr Schweizer im Ausland Ferien?», fragt sich René Maeder mit Blick auf die warme Jahreszeit. Für den Sommer 2022 seien die Beschränkungen im Ausland entscheidend. Viele würden derzeit noch abwarten – mit dem Effekt, dass die Buchungen dieses Jahr wohl noch kurzfristiger hereinkommen dürften als ohnehin schon. «Andererseits werden wir wieder vermehrt ausländische Gäste begrüssen dürfen, zumindest aus Europa», so Maeders Einschätzung. Bei Gästen aus den Fernmärkten werde es wohl noch bis 2023 dauern – «sofern uns dieser Käfer in Ruhe lässt».
Fabienne Trachsel vom Kandersteger Hotel Ermitage registriert ebenfalls einen Rückgang der Besucher aus den internationalen Märkten. «Die unsichere internationale Lage führt dazu, dass viel weniger Gäste aus dem Ausland kommen, und somit auch zu Einnahmeeinbussen.» Die Pandemiesituation werde überall anders gehandhabt, was die Planungen der Gastrobetriebe erschwere.
Unattraktive Branche
Auch die Personalsituation bereitet zumindest manchen Betrieben Sorgen. Die Mitarbeitersuche sei durch Corona erschwert worden, bestätigt Fabienne Trachsel. Wegen unflexibler Arbeitszeiten und fehlender Homeoffice-Möglichkeiten scheine die Branche nicht mehr so attraktiv. Trachsel macht dafür auch einen gesellschaftlichen Wandel verantwortlich.
«Die Personalsituation hat sich durch die Pandemie noch zugespitzt, haben doch einige die Branche gewechselt», so auch die Einschätzung von René Maeder. Wie Fabienne Trachsel verweist er auf die unattraktiven Arbeitszeiten im Gastgewerbe – und auf die Bezahlung, die auf der Lohnskala am unteren Ende liege. «Somit sind neue Konzepte gefragt, die Löhne müssen schrittweise erhöht werden und es wird unumgängliche Preisanpassungen geben.»
Nicht alle sind betroffen
Dass der Personalmangel eine der grossen Herausforderungen der Gastrobranche wird, zeichnet sich schon länger ab. Die Betriebe im Frutigland sind allerdings, je nach Grösse und Struktur, derzeit unterschiedlich davon betroffen. So ist René Maeder froh, dass in seinem Betrieb viele langjährige Mitarbeiter beschäftigt sind. Zusammen mit der Kurzarbeitsregelung habe man die coronabedingten Schliessungen ohne Abgänge überbrücken können. Auch im «Simplon» scheint der Mitarbeitermangel kein Thema zu sein. «Personal haben wir genug, da wir langfristige Mitarbeiter haben und selbst viel arbeiten», so Andreas Hossmann. Ganz anders tönt es dagegen aus Adelboden: «Der Personalmangel trifft uns schon diesen Winter mit voller Wucht, denn wir sind massiv unterbesetzt.»