Erleichterter Privatunterricht beschwichtigt, wird aber kaum genutzt
04.02.2022 Coronavirus, Bildung|SchuleObwohl sich die Pandemielage allmählich zu entspannen scheint, bleibt die Belastung für die Schulen hoch. Die teils heftigen Elternproteste gegen die Maskenpflicht in der Unterstufe haben sich mittlerweile aber gelegt – auch, weil der Kanton auf die Kritiker ...
Obwohl sich die Pandemielage allmählich zu entspannen scheint, bleibt die Belastung für die Schulen hoch. Die teils heftigen Elternproteste gegen die Maskenpflicht in der Unterstufe haben sich mittlerweile aber gelegt – auch, weil der Kanton auf die Kritiker zuging.
JULIAN ZAHND
Zurzeit führt Bruno Grossen mehrere Dutzend Telefonate pro Tag. Längst ist er zu einer Art Corona-Berater geworden, der verunsicherte Eltern unterstützt. Herausfordernd sei das schon, sagt der Reichenbacher Schulleiter, aber auch sinnvoll.
Als «ziemlich krass» bezeichnet Grossen die Situation für die Lehrpersonen. Diese haben einen sehr turbulenten Januar hinter sich. Besonders fordernd waren die zahlreichen coronabedingten Absenzen von SchülerInnen, die einen geregelten Unterricht erschwerten und zusätzlichen Aufwand bedeuteten. Zeitweise waren pro Klasse durchschnittlich fünf bis zehn Kinder zu Hause – und mussten dort von den Lehrpersonen laufend mit Schulmaterial versorgt werden. Zudem mussten die LehrerInnen immer wieder erkrankte Kolleginnen und Kollegen vertreten.
Der Peak der Omikron-Welle sei aber wohl erreicht, so Grossens Prognose. Seit gestern gilt die Quarantänepflicht nicht mehr, was die Situation zusätzlich normalisieren dürfte. Die Zahl der Abwesenden wird sich dadurch ungefähr halbieren.
«Besser spät als nie»
In einem anderen Bereich ist die Entspannung noch deutlicher spürbar. Die Maskenpflicht für Erst- bis Viertklässler stiess zu Beginn des Jahres bei manchen Eltern auf grossen Widerstand. Über das damals Erlebte will Bruno Grossen nicht mehr sprechen. Er ist einfach froh, dass sich die Wogen mittlerweile geglättet haben. Von alleine passierte das allerdings nicht, die Schulleitung befand sich während Wochen mehr oder weniger im Dauereinsatz, um aufgebrachte und besorgte Väter und Mütter zu beruhigen.
Auch der Kanton erkannte den Ernst der Lage und machte einen Schritt auf die Maskenkritiker zu: Am 20. Januar erleichterte er den Zugang zum Privatunterricht während des Maskenobligatoriums. Eltern, die ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken wollten, mussten bloss ein Formular unterschreiben. «Diese Kinder erhielten einen Packen Schulstoff, mit dem sie sich während des Privatunterrichts beschäftigen sollten», so Grossen. Damit war die Arbeit für die Lehrpersonen aber auch schon erledigt, denn Lernkontrollen waren nicht vorgesehen.
Das Angebot des Kantons habe schon gewirkt, so der Schulleiter. Er hätte es den Eltern aber gerne schon zwei Wochen früher unterbreitet. Denn als der Kanton die Massnahme ergriffen habe, sei die Stimmung bereits ziemlich entschärft gewesen. Dennoch hält Grossen die Geste des Kantons für wichtig: «Besser spät als nie.» Auch in Frutigen und Adelboden wurde der Schritt des Kantons offenbar positiv aufgenommen. Der Sturm von Anfang Jahr habe sich nun gelegt, die Massnahmen würden grundsätzlich akzeptiert, sagen die verantwortlichen Schulleiterinnen.
Doch wie stark wird das Angebot des Privatunterrichts überhaupt beansprucht? Kaum, wie die Daten der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern zeigen. Kantonsweit wurden lediglich 200 Gesuche gestellt. Im Schulinspektoratskreis 2, der nebst dem Frutigland auch das ganze Simmental umfasst, waren es insgesamt 35 Gesuche. In den Gemeinden Reichbach (3), Adelboden (1) und Frutigen (7) ist die Anzahl Kinder im Privatunterricht demnach überschaubar. Wie der Kanton inzwischen mitteilte, wird der erleichterte Zugang zum Privatunterricht am 14. Februar definitiv auslaufen.
«Die Kinder machen das super!»
Bleibt die Frage, inwiefern die Maskenpflicht den Unterricht und die Kinder beeinträchtigt. «Natürlich freuen wir uns auf die Zeit danach», sagt Marianne Gerber, Co-Schulleiterin der Schulen Widi und Kanderbrück in Frutigen. Vom Umgang der Kinder mit der Situation ist sie aber beeindruckt: «Für sie ist das momentan einfach Realität.» Mühe hätten vor allem jene SchülerInnen, deren Eltern sich mit der Maskenpflicht schwer tun. Allgemein geschätzt werde hingegen, dass die Lehrpersonen mit den Kindern mehr Zeit als sonst draussen verbringen würden. «Manche SchülerInnen erzählen das zu Hause und freuen sich über dieses Spezialprogramm», so Gerber.
In Adelboden, wo gut 100 Eltern eine Petition gegen das Maskentragen an der Unterstufe unterschrieben hatten, zieht Schulleiterin Andrea Schranz ein ähnliches Fazit: «Die Kinder? Die machen das super!»