Denkzettel-Wirtschaft

Die Frutigländer waren am vergangenen Sonntag noch etwas deutlicher als die Glarner: Mit bis zu 75 Prozent haben Sie das Massnahmenpaket zugunsten der Medien abgelehnt. Die Glarner erwähne ich deshalb, weil ich nicht nur Kolumnist beim «Frutigländer», sondern auch Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten», der lokalen Tageszeitung, bin.
Einen Denkzettel hat das Stimmvolk den Medien verpasst, so viel ist klar. Nicht ganz klar ist, welchen Medien man das Vertrauen entzogen hat. Glaubt man der Werbung der Gegner für das Massnahmenpaket zugunsten der Medien, ging es darum, den reichen Verlegern nicht noch mehr (Steuer-)Geld zu verschaffen. Die Millionäre von CH Media, Tamedia und Ringier standen im Fokus dieser Kampag ne. Nur am Rande wurde das eigentlich stichhaltige Argument thematisiert, dass eine Abhängigkeit von Medien vom Staat demokratietheoretisch keine gute Idee ist, wenn man für eine gute Presse einstehen will.
Mich hat diese Diskussion einigermassen irritiert. Gerade im Lokalen, gerade in den ländlichen Gebieten weiss man doch, dass die kleinen Zeitungen nicht von Milliardären geführt werden – und wohl auch, dass man mit einem Journalisten-Lohn keine grossen Sprünge macht. Eines meiner Schlüsselerlebnisse dazu war ein Feuerwehreinsatz: Nach einem nächtlichen Fehlalarm haben wir im Feuerwehrdepot noch zusammen ein Bier getrunken. Einer meiner Kameraden hat dabei gewettert über die Medien und dass die sowieso nur lügen würden. Und dass man eben diesen Milliardären doch nicht noch den Luxus finanzieren solle. Ich habe ihn darauf angesprochen, dass er doch wisse, dass ich eine Redaktion leite und ob er denn glaube, dass ich lügen würde.
«Natürlich nicht», sagte er. Aber das sei bei uns ja auch etwas anderes. «Das mag sein», erwiderte ich. Aber in dieser Abstimmung gehe es ja wirklich primär um die kleinen Zeitungen – Blätter wie die «Glarner Nachrichten» oder eben den «Frutigländer». Er verneinte und damit endete die Diskussion.
Ich will nicht behaupten, dass die grossen Verlage am Verdikt vom vergangenen Sonntag schuld sind. Die Mehrheit der Schweizer Bürger hat sich bestimmt überlegt, über was da genau abgestimmt wird. Aber die weitverbreitete Wut auf «die Medien» sitzt tief. Der Artikel bei diesem Begriff ist zwar bestimmt, aber ironischerweise ist damit in der Regel eben genau kein spezifisches Medium gemeint, sondern ein System.
Dass die Medienlandschaft in der Schweiz kein zusammenhängendes System ist, spielt bei dieser Kritik keine Rolle. Diese Tatsache ist aber aus meiner Sicht auch eine einzigartige Chance für die lokalen unabhängigen Medien. Das Nein zum Mediengesetz von der einheimischen Bevölkerung war ein Schuss vor den Bug, ein Denkzettel. Aber es war kein tödlicher Treffer: Noch gibt es die lokalen Medien, und noch können sie reagieren. Gerade weil sie unabhängig von den gros sen (Zürcher) Medienkonzernen sind, haben sie jetzt die Chance, zu beweisen, was sie wert sind. Die Medien stehen jetzt selbst in der Verantwortung, ihren Wert für eine Region zu beweisen. Zu erklären, warum Facebook und Google keine Alternativen zum Journalismus sind. Und warum ein Frutigland ohne «Frutigländer» und ein Glarnerland ohne «Glarner Nachrichten» nicht mehr dasselbe wären.
Die Leser der «Glarner Nachrichten» habe ich am Montag eingeladen, mir mitzuteilen, was wir besser machen können und sollen. Wer will da auch mitdiskutieren?

SEBASTIAN DÜRST

SEBASTIAN.DUERST@BLUEWIN.CH

POLITIKUM – Denkzettel-Wirtschaft

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