SCHLUSSPUNKT – Geht turnen, Leute!

  18.02.2022 Kolumne

GEHT TURNEN, LEUTE!

«Damenturnverein in Personalnöten». So war ein Artikel betitelt, der vor ein paar Tagen im «Berner Oberländer» erschien. Wie ich aus dem Text erfuhr, sucht der DTV Unterseen händeringend Mitglieder und Leiterinnen. Von «trüben Aussichten aufs neue Vereinsjahr» sprach die Präsidentin.
Das trübe Schicksal der Unterseener Turndamen ist leider nichts Besonderes. Jede Zeitung könnte sicher alle paar Tage einen serbelnden Klub vorstellen, Auswahl gäbe es genug.
Schon vor der Pandemie war es mitunter schwierig, in einem Verein alle Ämter zu besetzen, und die letzten zwei Jahre haben die Situation nicht besser gemacht. Viele Vereinsverantwortliche tun derzeit ihr Möglichstes, um den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Aber eben: Es ist schwierig. (Zumindest in kleineren Orten kann man übrigens auch die Behörden zum Vereinswesen zählen. Wird beispielsweise im Gemeinderat ein Sitz frei, stehen die Leute selten Schlange.)
Ganz anders ist die Situation eine Etage höher! Ende März sind im Kanton Bern bekanntlich Wahlen, und für die 160 Sitze im Grossen Rat gibt es sage und schreibe 2213 Kandidierende. Auf jeden Platz kommen fast 14 Bewerber – von einer solchen Quote kann jeder Damenturnverein nur träumen!
Dem Berner Kantons parlament anzugehören, muss also unglaublich attraktiv sein, und ich habe mich gefragt, woran das wohl liegt ...
An dieser Stelle wäre es nun ein Leichtes gewesen, ein bisschen Politiker-Bashing zu betreiben. Ich hätte über die Eignung des einen oder anderen Bewerbers philosophieren können. Ich hätte erwähnen können, dass ein warmer Platz im Berner Rathaus mit über 20 000 Franken pro Jahr entschädigt wird – während ein Ehrenamt, anders als der Name vermuten lässt, vor allem Arbeit und Ärger einbringt.
Mache ich aber nicht. Denn in Wahrheit ist es ja so: Die Leute, die sich in der Politik engagieren, sind meist auch sonst schon ziemlich breit engagiert. Das Problem sind also nicht die 2213 Bernerinnen und Berner, die in den Grossen Rat wollen. Sondern eher jene Zeitgenossen, die weder Politik machen noch sonst etwas Gescheites fürs Gemeinwohl tun.

MARK POLLMEIER

M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH


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