SPAGAT – Analog in der Gruppe oder digital allein
25.02.2022 KolumneAnalog in der Gruppe oder digital allein
Von klein auf bewegen wir uns, dieser Drang ist natürlich. Eltern freuen sich über den ersten Purzelbaum, die Sprösslinge tun es ihnen gleich. Schon früh lernen wir, dass Bewegung und Sport für unsere Gesundheit wichtig sind. ...
Analog in der Gruppe oder digital allein
Von klein auf bewegen wir uns, dieser Drang ist natürlich. Eltern freuen sich über den ersten Purzelbaum, die Sprösslinge tun es ihnen gleich. Schon früh lernen wir, dass Bewegung und Sport für unsere Gesundheit wichtig sind. Eltern fahren ihre Kleinen von Pontius zu Pilatus, in den Schwimmkurs, ins Ballett, zum Eislaufen, und, und, und …
Beim Eintritt in die Schule haben viele Kinder den Purzelbaum verlernt. In der Kindheit entscheidet sich wohl auch, welcher Typ Sportler man ist: Ein Teamplayer, der sich am liebsten im Beisein anderer bewegt und dabei Anstrengung und Geselligkeit versucht unter einen Hut zu bringen? Oder eine Einzelkämpferin, der es nur wohl ist, wenn sie sich selbst an die Grenzen bringt?
Ich gehöre sicher zu den Ersteren. Mittlerweilen kann ich zwar ganz gut allein joggen oder mich zu Hause bewegen – eine Errungenschaft, die ich unter anderem der Pandemie verdanke. Trotzdem fällt es mir definitiv leichter, in der Turnhalle mit anderen Sport zu treiben. Der «innere Schweinehund» ist zu aktiv, wenn es darum geht, die Joggingschuhe anzuziehen.
Während der Sportferien traf ich eine ehemalige Schulkollegin im Engadin. Wir hatten uns seit Ende unserer Schulzeit nicht mehr gesehen. Bei einem gemütlichen Spaziergang durch den Stazerwald bei Celerina erzählten wir uns gegenseitig unsere Lebensgeschichte. Während ich von Familie und Beruf berichtete, staunte ich über die Ausführungen meiner Kollegin. Dass sie sportlich unterwegs ist, wusste ich bereits. Schlies slich war sie wegen ihrer «Gümmelerferien» noch nie an einer Klassenzusammenkunft, die bis jetzt dummerweise immer an den gleichen Wochenenden stattgefunden hatte.
Sie kennt gefühlt jeden Berglauf in der Schweiz. Sie ist Finisherin des Jungfrau-Marathons, des EigerTrails, des Vogellisiund Blümlisalplaufs, ist schon in Berlin und New York den Marathon gelaufen und erzählte dann locker von den Strapazen des 500 Kilometer langen Velorennens quer durch die Schweizer Alpen im vergangenen Herbst, bei dem sie Geld für einen guten Zweck gesammelt hatte. Daher hat sie wohl auch ihre gertenschlanke Figur. Kaffee und Kuchen im Beizli direkt am Stazersee taten unserem Geplapper keinen Abbruch. Ich erfuhr, dass im Sommer ein Bad im See wunderbar erfrischend sei (ich hatte überhaupt keine Lust dazu).
Wir setzten unseren Spaziergang durch den wunderbaren Fichten- und Lärchenwald fort, zurück Richtung Celerina. Meine Gefährtin warf immer wieder mal einen Blick auf die Uhr. Als mein Zug einfuhr und wir uns mit dem Versprechen verabschiedeten, uns bald wieder zu treffen, realisierte ich, dass wir doch tatsächlich ohne es zu merken fast zwölf Kilometer zurückgelegt hatten – wow! Gut hatte es getan, gemeinsam diese Strecke zurückzulegen. Ganz mein Stil.
Am Abend, wieder daheim, surrte mein Handy: eine Nachricht aus dem Engadin mit einem Kurzfilm – die Aufzeichnung unseres Spaziergangs. Die Leistungssportlerin hatte mit ihrer Uhr den nachmittäglichen Streifzug aufgezeichnet und ich konnte mir in der warmen Stube staunend die ganze Strecke noch einmal anschauen und mit anderen teilen.
FRANZISKA KAUFMANN
FR.KAUF@GMAIL.COM