«Hubel-Hämi» wird 97 Jahre alt
29.03.2022 AdelbodenHeute feiert Abraham Schranz in der Stiftung Lohner einen hohen Geburtstag. «Hubel-Hämi», wie man ihn nennt, weiss viel über sein Leben zu erzählen.
FRITZ INNIGER
Abraham Schranz sitzt auf einem Stuhl in seinem Zimmer, an der Wand neben ihm hängt eine ...
Heute feiert Abraham Schranz in der Stiftung Lohner einen hohen Geburtstag. «Hubel-Hämi», wie man ihn nennt, weiss viel über sein Leben zu erzählen.
FRITZ INNIGER
Abraham Schranz sitzt auf einem Stuhl in seinem Zimmer, an der Wand neben ihm hängt eine 100-jährige Schwarzwälder Pendule, die mit ihrem «Täggele» die Stille unterbricht. Die schöne Aussicht zum Lohner kann der Jubilar von seinem Fenster oder Balkon aus geniessen.
Er bietet dem Gast einen Stuhl direkt neben sich an. «Ig ghöre drum schlächt», erklärt er, und beginnt aus seinem Leben zu erzählen. Sein Vater war Schuhmacher. Er selbst konnte dieses Handwerk wegen seines steifen Zeigefingers an der linken Hand nicht ausüben, da die Gefahr bestand, sich mit dem Hammer zu verletzen. Neun Jahre arbeitete Schranz in einer Uhrensteinbohrerei, später war er als Gemeindearbeiter tätig.
Eine schwere Geburt
«Ig will dir säge, warum ig ä stiifa Finger u äs bitzi ä behindereti Hand ha», fährt Schranz fort. Am Tag vor seiner Geburt hatte seine Mutter starke Geburtswehen. Da aber keiner der beiden Ärzte in Adelboden aufzutreiben war, wandte sie sich an den Spitalarzt Dr. Siegenthaler und bat diesen um Hilfe. Er kam nach Adelboden, schaute sich das Geburtsgeschehen an und sagte: «Gute Frau, wir müssen das Kind per Kaiserschnitt zur Welt bringen.» Sie weigerte sich aber, da sie fürchtete, nicht mehr lebendig nach Hause zu kommen.
So blieb nichts anderes übrig als eine Zangengeburt, die wegen der Armstellung des Kinds sehr lang dauerte und nicht folgenlos blieb. Vorerst merkte man noch nicht, dass mit dem linken Arm etwas nicht in Ordnung war. Erst später zeigte sich, dass Bewegungsbehinderungen auftraten und der linke Zeigefinger steif wurde.
Bei einem Coiffeurbesuch als Erwachsner wurde Abraham Schranz erstmals auf seine grosse Narbe am Hinterkopf aufmerksam gemacht. Der Coiffeur fragte ihn, ob er einmal einen schweren Unfall gehabt habe. Schranz verneinte dies, er wisse von nichts. Der Coiffeur nahm einen Spiegel hervor und zeigte ihm die Narbe. Zu Hause fragte er seine Eltern, ob er als Kleinkind jemals einen Unfall gehabt hätte. Diese erzählten ihm daraufhin von der Zangengeburt, die auch seine Beeinträchtigung an der Hand ausgelöst habe.
Mit dem Töff zur Arbeit
Als seine Eltern gestorben waren, übernahm er den kleinen Gutsbetrieb. Sein Bruder Gottfried lernte noch Schreiner bei Albert Künzi. Um schneller zum Arbeitsplatz zu kommen, kaufte sich Abraham Schranz ein Florett, später leistete er sich einen 175er-Roller und ging so seiner Arbeit nach.
Während eines Unwetters brach im Dorf ein Brand aus. Als Feuerwehrmann musste auch er ausrücken. Als er mit seinem Roller Richtung Dorf fuhr, löste sich in dem Moment in den Studen ein Erdrutsch, der ihn beinahe sein Leben gekostet hätte. «Bi aber gottlob glimpflich dervo cho.»
Mit 45 Jahren heiratete er die 39-jährige Johanna aus dem Emmental. Nach der Hochzeit lernte er noch Auto fahren und kaufte sich einen Toyota, mit dem die beiden jeweils seine Schwiegereltern besuchten und zusammen Ausfahrten machten.
Ein Schock war für Schranz, als seine geliebte Frau eines Morgens nicht mehr aufwachte. Das Alleinsein nach einem Zusammenleben während 44 Jahren machte ihm Mühe, sodass er sich entschied, ins Altersheim zu ziehen. Dort fühlt er sich wohl und wird vom Pflegepersonal gut umsorgt. Er liebt es, wenn etwa Besuch kommt und mit ihm «äs bitzi dorfet». Er weiss auch viel zu erzählen – bei ihm wird es nicht langweilig.