JUSTIZ Nach dem Regionalgericht Bern-Mittelland und dem Berner Obergericht hat nun auch das Bundesgericht ein Wahlplakat der Jungen SVP Kanton Bern als Straftat gewertet.

MARK POLLMEIER
Im Februar 2018 hatte die Junge SVP Kanton Bern auf Facebook ein Bild hochgeladen. Die zugehörige Illustration zeigte einige Wohnwagen und Wohnmobile, davor eine grossen Menge Unrat: einen Autoreifen, Konservenbüchsen, Kot. Während sich im Vordergrund eine Figur mit Schweizerkreuz-Käppi angewidert die Nase zuhielt, war hinten eine dunkelhäutige Gestalt zu sehen, die gerade einen weiteren Kothaufen absetzte. Unter der Illustration fand sich der Satz «Wir sagen NEIN zu Transitplätzen für ausländische Zigeuner» sowie der Aufruf: «Wählen Sie JSVP-Kandidaten in den Grossen Rat!»

Regionalgericht bestätigt Strafbefehl
Gegen diese Publikation reichte der Verband Sinti und Roma Schweiz Strafanzeige ein, unterstützt von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Mit der gezeigten Illustration werde die Antidiskriminierungsstrafnorm verletzt, indem eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt oder diskriminiert werde, so die Begründung der beiden Verbände. Die Berner Staatsanwaltschaft stellte gegen die beiden verantwortlichen Co-Präsidenten der JSVP, Niels Fiechter und Adrian Spahr, einen Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung aus (bedingte Geldstrafen von 30 Tagessätzen). Dagegen erhoben die beiden Politiker erfolglos Einsprache: In einem Prozess vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland wurde der Strafbefehl im Janur 2019 bestätigt.

Obergericht weist Beschwerde ab
Gegen dieses Gerichtsurteil legten Nils Fiechter und Adrian Spahr Berufung ein. Doch auch das nun zuständige Berner Obergericht bestätigte im Dezember 2019 die Strafbarkeit des Wahlplakats. Die Kritik an den Transitplätzen hätte man auch anders äussern können, begründeten die drei Oberrichter ihre Entscheidung. So aber müsse ein unbefangener Durchschnittsleser das Plakat als pauschale Abqualifizierung einer Ethnie verstehen – und das seien Fahrende gemäss neuester Rechtsprechung. Der Straftatbestand der Rassendiskriminierung gemäss Strafgesetzbuch sei in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt.

Nils Fiechter und Adrian Spahr bezeichneten die Entscheide des Regionalund Obergerichts als einseitig. Es sei ihnen nicht um die Diskriminierung einer Ethnie gegangen, sondern um Kritik an den Kosten der Transitplätze, die gegen den Willen der Gemeindebevölkerung geplant würden. Dass sie wegen solcher Kritik verurteilt würden, sei ein schlechtes Zeichen für Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz. Nach dem Entscheid des Berner Obergerichts zogen die beiden Co-Parteipräsidenten der Jungen SVP Kanton Bern den Fall ans Bundesgericht weiter. Ein fünfköpfiges Richterkollegium wies ihre Beschwerde gestern mit drei zu zwei Stimmen ab und bestätigte damit die Einschätzung der beiden Voristanzen. Entgegen der Auffassung der beiden Beschwerdeführer sei davon auszugehen, dass der verwendete Begriff «ausländische Zigeuner» im vorliegenden Kontext eine Ethnie im Sinne des Tatbestandes der Rassendiskriminierung bezeichnet, so das Bundesgericht.

Den Fall nicht weiterziehen
Fiechter und Spahr zeigten sich nach der Verhandlung enttäuscht und wiederholten ihre Ansicht, dass damit die Meinungsfreiheit beschnitten werde. Sie wollen den Entscheid des Bundesgerichts jedoch akzeptieren und den Fall nicht an den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterziehen.

Nils Fiechter ist gebürtiger Frutiger und seit Mai 2019 Gemeindeverwalter der Einwohnergemeinde Oberwil im Simmental, wo er auch wohnt. Der Lengnauer Adrian Spahr ist Polizist mit eidg. Fachausweis und war zum Zeitpunkt des ersten Gerichtsverfahrens bei der Kantonspolizei Basel-Stadt tätig. Diese versetzte ihn nach Bekanntwerden der ersten Verurteilung in den Innendienst. Spahr kündigte daraufhin nach eigenen Angaben seine Stelle und trat im Juni 2020 ordentlich aus dem Korps aus.
Fiechter und Spahr sind nach wie vor Co-Präsidenten der Jungen SVP Kanton Bern und engagieren sich darüber hinaus in verschiedenen Funktionen für die SVP.

Was steht im Gesetz?

Für einen Fall wie diesen ist Artikel 261 des Schweizerischen Strafgesetzbuches relevant. Darin heisst es unter anderem:
Wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert (…) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Für die Durchsetzung der sogenannten Antidiskriminierungsstrafnorm sind die Justizbehörden zuständig. Bei diesem Strafrechtsartikel handelt es sich um ein Offizialdelikt, das heisst: Jede Person kann einen Vorfall, den sie als Verstoss gegen die Bestimmung empfindet, bei der nächsten Polizeistelle oder einem Untersuchungsrichter melden. Die Behörden sind daraufhin verpflichtet, den Sachverhalt zu prüfen und – falls er als genügend erhärtet angesehen wird – eine Strafverfolgung einzuleiten.
Die Antidiskriminierungsstrafnorm findet sich analog zum Strafgesetzbuch auch im Militärstrafgesetz (Artikel 171c).

POL

Das Wahlplakat ist rassistisch

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