Buchstäblich filmreif wurde beim Kraftwerk Augand der Durchschlag in der Mitte des Zulaufstollens gefeiert. Mit dem voraussichtlich ab März 2023 durchfliessenden Kanderwasser wird dann Strom produziert.

PETER ROTHACHER
Am Dienstag, kurz vor Mittag, war es soweit: Nach dem Bergmannsgruss «Glück auf!» durchbrach die Anbaufräse die noch verbliebene Wand in der Mitte des Zulaufstollens. Danach dauerte es nur noch wenige Minuten, bis sich die Mineure beider Seiten jubelnd und mit Handschlag begrüssen konnten. Mit zwei Barbara-Statuen – der Schutzheiligen der Bergleute – posierten sie alsdann für ein feierliches Gruppenbild.

Der 1376 Meter lange Stollen fürs Kraftwerk Augand ist in den vergangenen anderthalb Jahren von der Kander-Wasserfassung und vom Wasserschloss her durch das Lockergestein herausgebrochen worden. Für den Betrachter wirkt die Dimension des zum Teil über vier Meter breiten und ebenso hohen Stollens fast wie ein Eisenbahntunnel. Sohle und Wände sollen nun in einem weiteren Schritt komplett mit Spritzbeton überzogen und danach fein abgerieben werden, damit das Wasser dereinst ungehindert fliessen kann.

Mit den Worten von Adolf Ogi
Für die Realisierung des Wasserkraftwerks, das die Gemeinden Aeschi, Wimmis und Spiez tangiert, haben die BKW AG und die Energie Thun AG die Gesellschaft Kraftwerk Augand AG gegründet. Deren Vertreter sowie Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft WKW Ho sprachen von einem Meilenstein in der Bauphase des auf 60 Millionen Franken veranschlagten Projekts. Es sei ein Tag, den man entsprechend würdig begehen dürfe.

«Freude herrscht!»: Dieser Ausspruch von alt Bundesrat Adolf Ogi sei hier mehr als gerechtfertigt, hielt dazu Thomas Richli fest. Das Kraftwerk werde in den nächsten 80 Jahren sauberen, erneuerbaren Strom für rund 7700 Haushalte liefern. In Bezug auf die künftige Versorgungsproblematik hielt der Leiter Projektmanagement Wasserkraft BKW allerdings fest: «Um die Produktion des AKW Mühleberg zu ersetzen, bräuchte es hundert Werke dieser Grössenordnung.»

Mit dem Messer am Hals
Nachdem es bis zur Konzessionserteilung 13 Jahre gedauert habe, sei man jetzt mit dem Bau um Monate schneller vorangekommen als geplant, hielt Richli fest. Das sei dem Einsatz aller Beteiligten zu verdanken. Und die Pandemie ansprechend meinte er: «Das Virus war da und wir hatten das Messer am Hals. Unsere Deadline ist der Juni 2023 – ab Juli 2023 soll das Kraftwerk Strom produzieren. Wir mussten also mit dem Bau starten.»

Mit einer Ausnahme habe man bei den vielseitigen Arbeiten bis jetzt keine schweren Unfälle verzeichnen müssen, wurde erklärt. Und sowohl beim Hochwasser im Herbst 2020 wie auch bei demjenigen im Sommer 2021 seien Menschen und Maschinen unversehrt geblieben. Dies sei auch der Disziplin der Arbeitenden zu verdanken, die bei Schnee, Regen und Sonne sowie Temperaturen von minus 10 bis plus 30 Grad ihren oft nicht ungefährlichen Einsatz leisteten.

Mit Präzision über die Bahn
Als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft lobte auch Christian Ris die Präzisionsarbeit der Mineure: «Ein Paradebeispiel waren tatsächlich die Querungen der BLS-Linien. Der unter Betrieb stehende neue Hondrich-Bahntunnel wurde um gerade mal zwei Meter überfahren, ohne diesen zu tangieren. Wir wurden orientiert, dass die Messgeräte der Überwachung nicht angeschlagen haben.» Und Projektleiter Ris fuhr fort: «Gott sei Dank kamen wir so um das Abenteuer herum, die vorbereiteten Massnahmen umzusetzen, die bei Schwierigkeiten im Bahntunnel zum Zug gekommen wären.» Nach dem offiziellen Akt waren alle Beteiligten inklusive Vertreter der Gemeinden und Medien zum Apéro und anschliessenden Mittagessen eingeladen. Und ja, wenn alles planmässig weiterverläuft, dürfte im Sommer 2023 die Einweihung des Kraftwerkes Augand erfolgen. Denn mit der Zentrale und der Wasserfassung sind auch die Hauptbauwerke des Kraftwerks im Rohbau bereits grösstenteils fertiggestellt.

Gewässerräume aufwerten

Nebst dem reinen Bau des Wasserkraftwerks will die Kraftwerk Augand AG zusammen mit der Gemeinde Aeschi und der Schwellenkorporation Wimmis die Kander auf einem Abschnitt unterhalb des Kraftwerks aufwerten. Gemäss einer Medienmitteilung soll dem Fluss auf einer Länge von rund 450 Metern am rechten Ufer möglichst viel Gewässerraum zurückgegeben werden. Denn dieser sei mit dem Bau der Bahnlinie Spiez–Frutigen verloren gegangen. Und weiter heisst es: «Diese Massnahme ermöglicht neue Lebensräume für geschützte Tierarten für die Zeit, bis sich die Kander die ganze Breite eigendynamisch wieder zurückerobert hat.» Als weitere Massnahmen will die Kraftwerk Augand AG den Hondrichweiher aufwerten und sicherstellen, dass die Fische auch über die Hochwassersperre oberhalb des Stauwehrs weiter aufsteigen können.

PD/PRR

Ein Meilenstein für die Mineure

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