LESERBRIEF ZUR SCHWEIZER ENERGIEVERSORGUNG
18.03.2022 LeserbriefEnergieimport reduzieren – aus Solidarität und Vernunft
In einer dringlichen Interpellation schlägt die SVP dem Bundesrat vor, die staatlich erhobenen Abgaben auf Energie (allen voran die Mineralölsteuer) vorübergehend aufzuheben, um die stark gestiegenen Benzin- und ...
Energieimport reduzieren – aus Solidarität und Vernunft
In einer dringlichen Interpellation schlägt die SVP dem Bundesrat vor, die staatlich erhobenen Abgaben auf Energie (allen voran die Mineralölsteuer) vorübergehend aufzuheben, um die stark gestiegenen Benzin- und Ölpreise abzufedern. Dieser Vorschlag greift zu kurz und sendet ein falsches Signal. Es braucht ein grundsätzliches Umdenken.
Mit den Erdgas- und Ölimporten aus Russland alimentiert Europa Putins Kriegskasse täglich mit rund 660 Millionen Euro und finanziert somit den immer brutaleren Krieg gegen die Ukraine massgeblich. Die Schweiz deckt 47 Prozent des Erdgasbedarfs aus russischer Provenienz. Wenn wir uns nicht dem amerikanischen Öl- und Gasembargo anschliessen wollen aus Angst vor Komforteinbussen bei der Raumtemperatur und weiter steigenden Benzinpreisen, müssen wir wenigstens alles unternehmen, um den Gasimport aus Russland rasch zu minimieren und uns damit mittelfristig aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Denn Sicherheitspolitik ist auch Energiepolitik.
Was fordert aber die SVP nun als Folge des Ukraine-Krieges? Einen «Plan Wahlen 2.0»: Mit einer «Anbauschlacht» wie im Zweiten Weltkrieg sollen Biodiversitätsmassnahmen rückgängig gemacht und stattdessen Nahrungsmittel angepflanzt werden, «um den Selbstversorgungsgrad zeitnah und massiv zu erhöhen». Dieser liegt stabil bei knapp 60 Prozent, die importierten Nahrungsmittel stammen aus vielen Ländern, sodass hier keine «gefährliche» Abhängigkeit besteht.
Vielmehr sollten wir uns über die nötigen Massnahmen einig werden, die unseren energetischen Selbstversorgunsgrad (unter 30 Prozent) erhöhen und damit unsere Abhängigkeit von Erdöl- und Gasimporten aus wenigen Ländern reduzieren. Keine andere Partei hat sich aber in den letzten Jahren mehr gegen jegliche Einschränkungen bei Gas- und Ölheizungen oder bei Benzin- und Dieselfahrzeugen, wie kürzlich bei der Motorfahrzeugsteuererhöhung, gewehrt als die SVP – ganz speziell ein paar Vertreter aus unserem Tal.
Ich wünsche mir von der SVP einerseits mehr politische Konsistenz bei sicherheitsrelevanten Energiefragen; konkret die effektive Förderung von einheimischer Energie. Andererseits sollte es angesichts der humanitären Katastrophe in der Ukraine für uns alle möglich sein, die eigene Komfortzone etwas zu verlassen und damit ein wichtiges Zeichen der Solidarität für die Ukraine, aber auch für Europa und seine Werte Frieden, Freiheit und Demokratie zu setzen.
SAMUEL MOSER, FRUTIGEN