GOUVERNER, C’EST IGNORER
In jedem Katastrophenfilm gibt es am Anfang einen, der die Gefahr erkennt. Meist ist es ein etwas vertrottelter Wissenschaftler, der den Durchblick hat und dann mindestens eine halbe Stunde lang versucht, den Rest des ...
GOUVERNER, C’EST IGNORER
In jedem Katastrophenfilm gibt es am Anfang einen, der die Gefahr erkennt. Meist ist es ein etwas vertrottelter Wissenschaftler, der den Durchblick hat und dann mindestens eine halbe Stunde lang versucht, den Rest des Filmpersonals von der drohenden Apoka lypse zu überzeugen. Bis die entscheidenden Leute, in der Regel sind es mächtige Politiker, ihm endlich Glauben schenken, ist es fast zu spät – worauf ein verzeifelter Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Als Zuschauer möchte man sich manchmal die Haare raufen angesichts der Ignoranz, mit der zunächst alle Warnungen in den Wind geschlagen werden. Beim Abspann, wenn der Weltuntergang abgewendet ist, denkt man sich dann: Zum Glück ist das alles bloss ein Film!
Ist es das? Ich habe manchmal meine Zweifel, ob es zwischen Realität und Fiktion so grosse Unterschiede gibt. Ob es um die Pandemie geht, den Fachkräftemangel, die AHV-Finanzierung, das dramatische Artensterben oder die Stromlücke: Die Fakten und Hintergründe solcher Entwicklungen sind längst beschrieben oder liegen seit Jahren auf dem Tisch. Aber die Reaktionen darauf sind oft so unfassbar träge, dass man sich – ja eben: die Haare raufen möchte.
«Gouverner, c’est prévoir», hat ein schlauer Franzose vor 170 Jahren geschrieben, und wer den Satz heute hört, nickt in aller Regel zustimmend. Vorausschauend muss man handeln, ja was denn sonst! Tatsächlich reicht der Weitblick dann aber doch nur bis zum nächsten Wahl termin oder bis zum eigenen Geldbeutel. Alles, was unangehm werden könnte, wird deshalb gerne ignoriert – siehe oben.
Das Dumme ist: Obligatorische Happy Ends gibt es nur in Hollywood. In der Realität verschwinden Probleme nicht einfach, indem man sie leugnet. Und anders als im Film hilft auch nicht immer die U. S. Air Force, wie man gerade in der Ukraine beobachten kann. Alles schlimm genug, sollte man meinen – dabei steht uns mit dem Klimawandel die eigentliche Herausforderung erst noch bevor.
Der oben zitierte Satz geht übrigens noch weiter. Sein zweiter Teil lautet: ... et ne rien prévoir, c’est courir à sa perte». Frei übersetzt: ... und wer nicht vorausschaut, rennt in sein Verderben.
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUITIGLAENDER.CH