ZAHLEN IN WORTEN – Zeitreisen
04.03.2022 KolumneZeitreisen
Die Zeit steht still.
Zeit gewinnen.
Die Zeit fliegt.
Das Konzept der Zeit beschäftigt uns täglich, bewusst und unterbewusst. Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, die Zeit möge angehalten werden, um einen schönen Augenblick noch länger ...
Zeitreisen
Die Zeit steht still.
Zeit gewinnen.
Die Zeit fliegt.
Das Konzept der Zeit beschäftigt uns täglich, bewusst und unterbewusst. Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, die Zeit möge angehalten werden, um einen schönen Augenblick noch länger genies sen zu können? Oder um etwas mehr Zeit zu haben für eine Aufgabe, wenn man knapp dran ist? Zeit ist relativ. Wir nehmen sie in verschiedenen Momenten unterschiedlich wahr. Manchen von uns erscheint die Stunde bei der Zahnärztin wie eine Ewigkeit. Und die Nichten und Neffen, die waren doch vor Kurzem erst noch im Kindergarten … Auch wenn die Zeit auf einer Uhr unerbittlich im selben Tempo weiterläuft, so steckt doch einiges mehr hinter dieser Messgrösse unserer Gesellschaft.
In der Physik spricht man von der Zeit als vierte Dimension neben den drei Dimensionen des Raumes. Mathematisch unterscheiden sich die Raumdimensionen kaum von der Zeitdimension, rechnerisch kann man sie fast gleich behandeln. Dass Raum und Zeit auf verschiedene Weise in Erscheinung treten, ist eine Eigenheit der menschlichen Wahrnehmung. Denn der Mensch ist ein drei- und kein vierdimensionales Wesen. Während wir Zeit zwar registrieren, so können wir uns nicht – wie durch den Raum – frei darin bewegen. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, auf dem Strahl der Zeit gehen wir immer nur vorwärts.
Aber: Hält man sich an gängige physikalische Theorien, sind Zeitreisen in die Zukunft prinzipiell möglich. Das hat mit Einsteins Relativitätstheorie zu tun und der postulierten Krümmung der Raumzeit, also diesem vierdimensionalen Konglomerat aus Raum und Zeit. In der bekannten Science-Fiction-Geschichte «Per Anhalter durch die Galaxis» können die Protagonistinnen und Protagonisten jederzeit in die Zukunft reisen und zum Beispiel in ein schickes Lokal einkehren. Um die exorbitante Rechnung zu begleichen, braucht man lediglich in seiner Ursprungszeit ein wenig Geld auf ein Konto einzuzahlen, und das verzinste Kapital übersteigt in der fernen Zukunft die Rechnung des Restaurants locker. (Übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass wir Menschen die Zeit für uns arbeiten lassen. Und dass wir uns darauf verlassen, dass sie für uns stetig weiterläuft.)
Wer in die Zukunft reist, möchte eines Tages womöglich wieder zurück in seine frühere Gegenwart. Und da liegt das Problem. Zeitreisen in die Vergangenheit sind (sehr wahrscheinlich) nicht möglich – die Logik verbietet sie. Sollte eine Person in die Vergangenheit reisen, wird sie dort die darauf folgende Zukunft, aus der sie ja selbst stammt, beeinflussen und verändern können. Ein Widerspruch. Anschaulich ist folgende Situation: Wenn jemand in der Zeit zurückreisen könnte, um den Patient Null vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu bewahren, dann würde es heute keine Pandemie geben. Allerdings gäbe es in der Gegenwart so auch keine Motivation, diese Zeitreise überhaupt zu unternehmen. Wir wüssten ja gar nichts von einer Pandemie.
Oder stellen wir uns vor, wir könnten in eine Zeit zurückreisen, in der es noch gar keine Menschen gab. In der die Erde mehrheitlich aus Wasser bestand, worin sich erste Lebewesen entwickelten. Und der Mensch – mit seiner doch leider oft zerstörerischen Energie – würde die ersten Lebensformen so beeinflussen, dass sich daraus später gar keine Menschen mehr entwickeln könnten.
Bleiben wir also besser dabei, die Zukunft in der Gegenwart besser zu gestalten, anstatt uns zu wünschen, wir könnten in die Vergangenheit reisen.
VALERIE KOLLER
VALERIE.KOLLER@BLUEWIN.CH