Der grosse Traum vom besseren Leben
13.04.2022 KulturDie Oberländer Märlibühni inszeniert in Steffisburg eine Auswanderergeschichte aus dem späten 19. Jahrhundert. Auch verarmte Berner Oberländer machten sich seinerzeit auf den Weg ins gelobte Land ennet des Atlantiks. Waren die Vorfahren des Vogellisi unter ihnen?
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Die Oberländer Märlibühni inszeniert in Steffisburg eine Auswanderergeschichte aus dem späten 19. Jahrhundert. Auch verarmte Berner Oberländer machten sich seinerzeit auf den Weg ins gelobte Land ennet des Atlantiks. Waren die Vorfahren des Vogellisi unter ihnen?
RETO KOLLER
«Wie weiter?», fragten sich Annemarie Stähli und Renate Rubin nach ihrer äusserst erfolgreichen Inszenierung der neu gestalteten Geschichte über den Adelbodner Vogellisi-Mythos. Autorin und Regisseurin Stähli brütete über einer Fortsetzung des berührenden Stücks rund um verwirklichte Träume von Freiheit und Eigenständigkeit. Die gebürtige Adelbodnerin verzichtete jedoch auf das Fortschreiben der Erzählung und beschloss, ein ganz neues Abenteuer zu entwickeln. In ihrem jüngsten Werk erzählt sie von Vogellisis Vorfahren und deren ereignisreicher Flucht vor Armut und Elend. Das Geschehen fusst auf der Wirklichkeit früherer Auswandererschicksale. Märchenhafte Figuren und Handlungen reichern die Inszenierung an.
Vier Adelbodner auf der Suche nach dem Glück
Nun besteigen sie also den Überseedampfer von Hamburg nach New York: der junge Bauer Jakob, sein Freund Albrecht, die vermeintlich unbeholfene, lahm gehende Hanna und der alte Knecht Godi. Die Reisegemeinschaft ist nicht freiwillig zustande gekommen. Hanna und Godi schliessen sich den beiden Auswanderern auf gut Glück an. Die abenteuerliche Fahrt in den stickigen, überfüllten Kabinen dritter Klasse über den Ozean schweisst die vier ungleichen Reisegenossen wie Pech und Schwefel zusammen. Ihr Optimismus, ihr gemeinsames Singen und ihre Vorfreude bleiben an Bord des Schiffes nicht unentdeckt. Die undurchsichtige Broadway-Businessfrau Mrs. Miller findet Gefallen an den vier unbedarften Reisenden. Sie wittert ein Geschäft und heuert sie für ihr Musical auf New Yorks Amüsiermeile an. Vorerst regiert die Euphorie, dann aber erkennen die vier Auswanderer die Schattenseiten des oberflächlichen und trügerischen Glamourlebens. Mit Wehmut erinnern sie sich an alte Werte ihrer Heimat, deren Bedeutung sie nun wiedererkennen. Ob das Abschwören vom Trugschluss des schnellen Erfolges und die Rückkehr zu den Wurzeln gelingen wird? Liebäugeln sie gar mit der Rückkehr in ihr Bergdorf im fernen Engstligtal? Tatsächlich könnten sie sich so entschieden haben, denn das Adelbodner Vogellisi soll Jakobs Tochter gewesen sein.
Die Figur der Kräuterfrau Gundalenda taucht als einzige aus der Vorgeschichte wieder auf, eine mystische weisse Feder gibt geheimnisvolle Zeichen und ein Landstreicherpärchen, das in den Eingeweiden des Broadway-Theaters haust, sorgt für humoristische Einschübe.
Theater mit Musical-Einsprengseln
Stähli und Rubin reichern ihr Stück mit einigen hochstehenden Tanz- und Gesangselementen an. «Wir wollen unsere Inszenierungen weiterentwickeln, ohne zur Musical-Bühne zu werden», erklärt Stähli. Die Erweiterungen sind für das Ensemble eine grosse Herausforderung, weil die Inszenierung deutlich mehr Probearbeit voraussetzt. Insbesondere die beiden HauptdarstellerInnen Hanna und Jakob seien durch die Aufwertung ihrer Rollen gefordert, meint Stähli.
Das 120-köpfige Team hat die Organisations- und Probearbeit bereits seit längerer Zeit wieder aufgenommen. Die vorgesehenen Spielzeiten 2020 und 2021 sind pandemiebedingt ausgefallen. Seit Mitte Februar steht nun das 450 Plätze bietende Zelt. Es steht inmitten einer Wiese an der Scheidgasse in Steffisburg. Am 22. April wird die Premiere stattfinden, ihr werden bis am 21. Mai weitere 21 Aufführungen folgen. Der Vorverkauf läuft bereits.
Mehr Informationen über die Märlibühni und zum Vorverkauf finden Sie auf unserer Website unter www.frutiglaender.ch/web-links.html