Die genügsamen Banker
01.04.2022 Frutigen, RegionDie SLF geschäftet risikoscheu – und ist wohl genau deswegen erfolgreich. Ein weiteres Merkmal der Regionalbank: Kontinuität. Diese zeigt sich selbst beim bevorstehenden Direktionswechsel.
JULIAN ZAHND
Die Finanzwelt hat ein ramponiertes Image: Namhafte Grossbanken ...
Die SLF geschäftet risikoscheu – und ist wohl genau deswegen erfolgreich. Ein weiteres Merkmal der Regionalbank: Kontinuität. Diese zeigt sich selbst beim bevorstehenden Direktionswechsel.
JULIAN ZAHND
Die Finanzwelt hat ein ramponiertes Image: Namhafte Grossbanken straucheln hin und wieder über die Gier ihres Kaderpersonals, Geschäfte mit zweifelhaften Vermögen werfen in der Öffentlichkeit jeweils hohe Wellen. Die Sparund Leihkasse Frutigen will jedoch nicht so recht in dieses Bild passen. Die Regionalbank geschäftet weitgehend unauffällig, zieht Konstanz dem Risiko vor. Sinnbildlich für diesen Kurs steht Bankdirektor Daniel Schneiter, der die SLF nach 19 Jahren verlässt.
Wenn im Geschäftsbericht 2021 zu lesen ist, Schneiter blicke auf eine «bewegte» Zeit zurück, dann stimmt das somit nur bedingt. Passiert ist in diesen zwei Jahrzehnten zwar tatsächlich viel: Die Immobilien- und Finanzkrise brachte ab 2008 weltweit zahlreiche Kreditinstitute in Existenznöte. Seit Jahren kämpft die Branche mit historisch tiefen Zinsen und die Pandemie hat auch die Banken gefordert. Doch was die SLF anbelangt, waren die Zeiten weit weniger turbulent. Egal, welche Krise gerade anstand: Im darauffolgenden Geschäftsbericht wies die Bank erneut Gewinne aus. Die Regionalbank wuchs in den letzten Jahren moderat, aber stetig, und auch im Personalbereich wies das Unternehmen eine für die Branche eher unübliche Konstanz auf. Während Daniel Schneiter knapp 20 Jahre lang in Frutigen tätig war, reichen die Anfänge seines Nachfolgers Stephan Bärtschi bei der SLF noch weiter zurück: Der Adelbodner stiess bereits 1993 zur Regionalbank, absolvierte dort die Lehre, stieg auf der internen Karriereleiter Sprosse um Sprosse auf und ist nun ganz oben angelangt.
Am heutigen 1. April findet die offizielle Stabübergabe statt. Vor dem Führungswechsel traf der «Frutigländer» den alten und den neuen Bankdirektor, um sich über das Wachstumspotenzial der SLF, das Bankerimage und über Persönliches zu unterhalten.
«Frutigländer»: Herr Bärtschi, was unterscheidet Sie beide voneinander?
Daniel Schneiter: Ich bin froh, dass nicht ich diese Frage beantworten muss (lacht).
Stephan Bärtschi: Das ist tatsächlich nicht einfach. Aufgrund meines Alters bin ich der Technik wohl etwas näher, was für unsere Digitalisierungsstrategie von Bedeutung ist. Zudem ist meine SLF-Vergangenheit eine andere: Ich arbeitete früher auf Ebenen, über die ich heute entscheide. So kann ich Abläufe wohl schneller nachvollziehen.
Kommen wir somit zur einfacheren Frage: Welches sind die Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen?
Bärtschi: Wir haben in vielen Bereichen ähnliche Vorstellungen und profitieren voneinander. Bei der SLF herrscht keine «One-Man-Show». Ich werde den Kurs meines Vorgängers nicht wesentlich ändern, ich sehe keinen Grund dazu. Die Bank hat sich in der Vergangenheit sehr gut entwickelt. Ausserdem habe ich als bisheriges Geschäftsleitungsmitglied die Ausrichtung bereits mitgeprägt.
Die SLF ist eine Regionalbank mit begrenztem Einzugsgebiet. Jahr für Jahr fragt man sich: Wie lange kann eine solche Bank noch wachsen?
Schneiter: Vor 12 Jahren eröffneten wir eine Filiale in Spiez, das Geschäft am Taleingang läuft gut. Die Nachfrage nach Wohneigentum in den ruhigen Bergen ist gross, die Energiewende befördert zudem Renovationsarbeiten. Für all das braucht es Kredite.
In den Pandemiejahren sind die Immobilienpreise geradezu explodiert. In manchen Bergregionen zahlt man heute für Erstwohnungen 20 000 Franken pro m2 für Zweitwohnungen noch deutlich mehr. Macht sich der Anstieg auch in Ihrer Rechnung bemerkbar?
Bärtschi: Wir spürten den Preisanstieg. Das Niveau liegt zwar nicht auf jenem der Gemeinden Gstaad oder Verbier. Je nach Lage liegt der Quadratmeterpreis für eine neue Zweitwohnung in Adelboden aber schon bei bis zu 15 000 Franken. Weiter unten im Tal kostet eine Wohnung knapp die Hälfte. Die Preise sind wohl etwa 10 Prozent höher als vor ein paar Jahren.
Was hat sich im Bankenwesen in den letzten 20 Jahren ganz grundsätzlich verändert?
Schneiter: Die Konkurrenz hat zugenommen. Heute bieten beispielsweise auch Pensionskassen oder Versicherungen Hypotheken an. Die Digitalisierung hat zudem einen Wandel herbeigeführt. Die Welt dreht sich viel schneller als früher, das macht sich auch bei den Finanzströmen bemerkbar. Die Kundinnen und Kunden haben zudem viel mehr Möglichkeiten, sich zu informieren und erledigen viele Finanzgeschäfte selbstständig. Obwohl im Zuge dieser Entwicklung viele Banken die Anzahl klassischer Bankschalter reduzierten, empfangen wir unsere Kundschaft nach wie vor in der Eingangshalle. Dieser direkte Kundenkontakt wird geschätzt und schafft Vertrauen.
Stichwort Vertrauen: Die Finanzwelt hat sich in diesem Bereich nicht den besten Ruf erarbeitet. Ärgert Sie das?
Schneiter: Ganz so schlimm, wie es den Anschein macht, ist es nicht. Die Kritik wird von den Medien manchmal auch hochgespielt. Aber gewiss: Jeder neue Skandal in der Branche wirkt sich für uns unvorteilhaft aus.
Bärtschi: Manchmal stören mich die negativen Schlagzeilen schon. Glücklicherweise färbt das kaum auf unser Image ab. Die Leute scheinen da schon einen Unterschied zu machen zwischen Grossund Regionalbank.
Schneiter: Eines unserer obersten Ziele ist es, keine solchen Schlagzeilen zu generieren. Deshalb sind wir bei unseren Geschäften sehr vorsichtig und lehnen Deals ab, die wir nicht verstehen oder die uns zweifelhaft erscheinen.
Inwiefern sind Sie im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegenüber Russland aktiv geworden?
Schneiter: Wir haben all unsere Kundendaten nach zweifelhaftem russischen Vermögen abgesucht – und sind erwartungsgemäss nicht fündig geworden. Für Oligarchen ist unsere kleine Bank sowieso uninteressant. Grössere Geldbeträge würden hier schnell auffallen.
Insgesamt tönt das alles fast schon langweilig. Ist das der Grund, weshalb Sie bereits mit 62 Jahren in Pension gehen?
Schneiter: Langweilig war mir nie. Ich vergleiche die Strategie unserer Bank gerne mit einer Schiffsreise. Das Ziel in der Ferne ist zwar bekannt. Doch gewisse Abweichungen nach links und rechts sind immer möglich. Darauf muss man flexibel reagieren können.
Bärtschi: Ich würde unsere Strategie auch nicht als langweilig bezeichnen. Sie ist aber wohl unspektakulär.
Schneiter: Für mich ist es die grösste Genugtuung, wenn die Kundschaft mit uns zufrieden ist. Das zu erreichen ist allerdings schwierig, wenn man den Leuten beispielsweise alle sechs Monate eine neue strategische Ausrichtung erklären muss, die ein waghalsiger Manager entworfen hat. Kontinuität ist mir da lieber.
Grundsätzlich hatte ich aber den Eindruck, dass nun der richtige Moment für den Ruhestand gekommen ist. So habe ich wieder mehr Zeit, um die Natur zu geniessen oder mich sportlich zu betätigen.
Es heisst, sie hätten Ihre Bankkarriere beim Tennisspiel lanciert.
Schneiter: Richtig. Ich arbeitete während meines Studiums in Betriebswissenschaften als Tennislehrer – vielfach auch im Ausland. Zu meinen Schülern gehörten auch Generaldirektoren der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt. Einer von ihnen holte mich danach zu sich nach Zürich, wo ich erste Erfahrungen in der Branche sammelte.
Vermutlich werden Sie ab Ende Monat wieder vermehrt auf dem Tennisplatz anzutreffen sein, der Kreis schliesst sich. Heisst das auch, dass Sie der Finanzwelt ganz den Rücken kehren?
Schneiter: Ja, ich werde mich ganz aus dem Bankgeschäft zurückziehen. Ich kann das ganz entspannt tun, da mit Herrn Bärtschi und seiner Crew Leute das Ruder übernehmen, die den Betrieb bestens kennen.
Herr Bärtschi, wo sehen Sie die SLF in 20 Jahren?
Bärtschi: In den letzten 20 Jahren ist die Bank stetig gewachsen, die Bilanzsumme hat sich in dieser Zeit verdoppelt. Ich möchte mir keine allzu hohen Ziele stecken. Aber sollte ich nach 20 Jahren dieselbe Bilanz ziehen können wie mein Vorgänger, wäre das natürlich ein grosser Erfolg (lacht).
Er weiterung des Verwaltungsrats beschlossen
GENERALVERSAMMLUNG Die 185. ordentliche Generalversammlung der Spar- und Leihkasse Frutigen fand am 30. März zum dritten Mal in Folge schriftlich statt. Den Anträgen des Verwaltungsrates wurde mit grosser Mehrheit zugestimmt.
Die Frutiger Widihalle kam auch in diesem Jahr nicht zum Zug, stattdessen mussten sich die AktionärInnen per Brief äussern. An der schriftlichen Abstimmung via unabhängigem Stimmrechtsvertreter wurden 26 297 Stimmen abgegeben, was einer Beteiligung von 65,7 Prozent entspricht.
Die SLF durfte ein erfolgreiches Geschäftsjahr genehmigen lassen. Unter anderem dank gestiegenen Ausleihungen (+35,1 Millionen Franken) sowie einer Zunahme der Kundengelder (+51,4 Millionen Franken) wuchs die Bilanzsumme um 2,6 Prozent auf 1,76 Milliarden. Franken. Die Zahlen in der Jahresrechnung zeigten positive Entwicklungen. Der Geschäftserfolg konnte auf 6,7 Millionen Franken gesteigert werden. Unter dem Strich ergab sich ein Jahresgewinn von 3,7 Millionen Franken (+1,3 Prozent). Der Verwaltungsrat beantragte wiederum die Ausschüttung einer für Privatpersonen steuerfreien Dividende von 40 Franken je Aktie, was einer Dividendenrendite von 1,7 Prozent entspricht.
Dominic von Allmen gewählt
Die AktionärInnen befanden an der schriftlichen Abstimmung über fünf Anträge des Verwaltungsrats. Mit grosser Mehrheit stimmten sie allen Traktanden zu. So wurde auch die Erweiterung des Verwaltungsrates auf acht Personen beschlossen. Der neu gewählte Dominic von Allmen ergänzt das Gremium per sofort. Er ist in der Region vernetzt und Leiter Finanzen und Personal bei der Bucher Hydraulics Frutigen AG. Mit seinem Fachwissen in den Bereichen Rechnungswesen und Controlling ergänzt er das Organ.
An der diesjährigen Generalversammlung hatte der langjährige Direktor Daniel Schneiter seinen letzten offiziellen Auftritt für die SLF (siehe Interview oben). Er bleibt der Bank noch bis am 30. April erhalten. In seine Zeit fiel zum Beispiel im Jahr 2005 der Austritt aus dem Regionalbankenverbund RBA und die Gründung eines neuen Gemeinschaftsnetzwerks mit anderen Schweizer Regionalbanken. Zudem erweiterte er 2010 das Tätigkeitsgebiet der Bank um den Raum Spiez mit der Eröffnung einer neuen Agentur.
Das aktuelle Geschäftsjahr entwickelt sich im ersten Quartal gut. Bei den Kundengeldern auf der Passivseite sowie den Ausleihungen auf der Aktivseite konnte die Bank zulegen.
PRESSEDIENST SLF