Frühlingskräuter – Heilmittel und Delikatessen
26.04.2022 GesundheitWenn im Frühling Licht und Wärme der Natur neues Leben einhauchen und spriessende Zweige, farbige Blüten und frische Düfte die Sinne erfreuen, wachsen auch wieder viele Heilpflanzen. Gerade unter den Frühlingsblühern finden sich wertvolle Gewächse, die auch auf dem Teller eine gute ...
Wenn im Frühling Licht und Wärme der Natur neues Leben einhauchen und spriessende Zweige, farbige Blüten und frische Düfte die Sinne erfreuen, wachsen auch wieder viele Heilpflanzen. Gerade unter den Frühlingsblühern finden sich wertvolle Gewächse, die auch auf dem Teller eine gute Figur machen.
Nach dem kalten Winter wartet die Natur unter dem noch weissen Schneekleid auf den Frühling. Sonne und Wärme wecken die Lebenskräfte und bringen die Pflanzensäfte in Wallung. Zarte Blüten an Sträuchern, spriessendes Laub an den Bäumen und zaghaft aus der Erde stossende Blümchen und das warme Sonnenlicht erfreuen die Sinne und wecken die Lebensgeister.
Den Frühjahrsmüden hilft es, draussen an der frischen Luft viel Sonne zu tanken, denn Sonnenlicht ist ein wahrer Energiespender, kurbelt die Produktion des Glückshormons Serotonin im Gehirn an und hilft, den Winterblues zu vertreiben.
Detox: die traditionelle Frühlingskur
In der Volksmedizin sind sie seit eh und je populär – Frühjahrskuren, um Körper und Geist zu reinigen. Im Zuge des Wellness-Booms haben sie sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Schweiz Tourismus wirbt mit «aussergewöhnlichen Detox-Kuren in Hotels», Reiseanbieter locken mit «Entschlacken und Entgiften in TOP Detox-Hotels» und der Online-Lifestyle-Concierge bietet ein «Detox-Programm für zu Hause», um dem Körper eine kleine Auszeit zu gönnen und ihn mit «Detox-Smoothies» und «antioxidativen Detox-Rezepten» zu verwöhnen.
Hinter dem neudeutschen Begriff «Detox» für «Entgiften, Entschlacken und Blutreinigung» steht die Idee, im Körper angehäufte Giftstoffe und schädliche Stoffwechselprodukte auszuscheiden.
Eine einheitliche Definition und verbindliche therapeutische Konzepte existieren dafür nicht. Kritiker sprechen vom Mythos «Entschlackung» und Ernährungsmediziner monieren: «Keinem Forscher ist es bisher gelungen, Schlacken nachzuweisen – weder im menschlichen Körper noch im Labor. Auch die Angst vor einer schleichenden Vergiftung durch Ablagerungen von Nahrungsmittelresten ist wissenschaftlich gesehen völlig unbegründet.»
Den diversen Verfahren sei eines zugutegehalten: Solange sie aus einer bewussten Auseinandersetzung mit Ernährung, verbunden mit körperlicher Aktivität und Entspannung bestehen, auf extreme Massnahmen (z.B. Dauerfasten, drastische Abführkuren, einseitige Ernährung) verzichten und in einem zeitlich überblickbaren Rahmen stattfinden, spricht absolut nichts gegen sie.
Die Pflanzenheilkunde kennt diverse Mittel, die zur Anregung des Stoffwechsels und der Ausscheidung für bestimmte Beschwerden anerkannt und empfohlen werden.
Unkraut, Heilkraut oder Delikatesse?
Die Brennnessel und der Löwenzahn, zwei eher als wuchernde Unkräuter verkannte Frühlingspflanzen, gelten als wahre Kraftpakete, die sowohl wertvolle Heilkräfte entfalten als auch den Gaumen erfreuen können. Die kleine Brennnessel (Urtica urens) blüht etwas früher (ab April) als ihre grosse Schwester (Urtica dioica, grosse Brennnessel; sie blüht ab Juni). Brennnesselblätter gelten als gesunde und leckere Wildkräuter mit einem hohen Mineralstoffgehalt (Kalium, Kieselsäure). Sie wirken wassertreibend, sofern dazu genügend getrunken wird, weitere Inhaltsstoffe sind schwach entzündungshemmend.
Empfohlen werden Brennnesselzubereitungen zur unterstützenden Behandlung rheumatischer Beschwerden, als Durchspülungstherapie bei entzündlichen Nieren-Blasen-Erkrankungen sowie vorbeugend gegen Nierengriess. Volksmedizinische Verwendungen als blutbildendes Mittel, als Bestandteil antidiabetischer oder «blutreinigender» Tees konnten hingegen nicht belegt werden.
Bei gutartiger Prostatavergrösserung sind Extrakte aus der Brennnesselwurzel wirkungsvoll, sie erhöhen das Harnvolumen, verbessern den Harnfluss und vermindern die Restharnmenge. Einige Präparate werden auf Verordnung auch von der Krankenkasse übernommen.
Junge Brennnesselblätter sind ein hervorragendes Gemüse und lassen sich wie Spinat, als Suppe oder Kräuterquark zubereiten (vgl. Kasten).
Der Löwenzahn (Taraxacum officinale) gehört zu den anpassungsfähigsten und vitalsten Pflanzen. Die etwas abschätzige Bezeichnung «Süwblueme» aus dem Adelbodmer Wörterbuch tut der wertvollen Heilpflanze eigentlich unrecht. Die reichlich enthaltenen Bitterstoffe wirken appetitanregend, verdauungsfördernd, galletreibend, wassertreibend und stoffwechselanregend.
Eingesetzt wird Löwenzahn bei Störungen des Gallenflusses, bei Appetitlosigkeit und funktionellen Oberbauchbeschwerden, mangelnder Fettverdauung und zur Anregung der Wasserausscheidung. Hilfreich und unterstützend wirkt er bei Rheuma, Gicht, Hautkrankheiten, Schwäche, Müdigkeit, Kältegefühl in den Extremitäten, Verstopfung sowie bei Ausleitungstherapien.In der Pflanzenheilkunde ist die Unterstützung der Leber, des zentralen Organs im Stoffwechsel, ein Grundpfeiler in der Behandlung vieler chronischer Krankheiten und mangelnder Vitalität. Hier kommen Löwenzahnpräparate zur Lösung von Ermüdungs- und Stauungsprozessen und die Ausleitung über die Leber zum Zug.
Unter den essbaren Wildkräutern gilt Löwenzahn als Allrounder. Im Frühling, wenn noch wenig frisches Gemüse angeboten wird oder im Garten wächst, sind die leicht bitter schmeckenden Blätter eine hervorragende Ergänzung für knackige Salate, können aber auch als Suppe oder blanchiert als Gemüse genossen werden. Die enthaltenen Bitterstoffe kurbeln die Verdauung an. Übrigens: Aus den Löwenzahnblüten kann der einst als «Honig der kleinen Leute» verspottete Löwenzahnhonig hergestellt werden.
Medizin auf dem Teller?
Als eine der ersten Pflanzen streckt der Bärlauch (Allium ursinum, Waldknoblauch, Hexenzwiebel) ab Anfang April seine lanzettförmigen, grünen Blätter durch das dürre Laub am Boden schattiger Laubwälder. Beim Zerreiben zwischen den Fingern ist er an seinem typischen, knoblauchähnlichen Geruch zu erkennen und lässt sich so leicht vom giftigen Maiglöckchen oder den Blättern der Herbstzeitlose (stark giftig!) unterscheiden.
Bärlauch ist Heilkraut und leckeres Gewürz zugleich, schmeckt am besten frisch als Pesto, in Quark, als Aufstrich, im Salat oder als Suppengewürz. Die Blätter sollten nicht gekocht werden, da sich das Aroma dabei rasch verflüchtigt.
Im Gegensatz zum echten Knoblauch (Allium sativum) wird Bärlauch in der Schulmedizin selten eingesetzt, geniesst aber eine lange volksmedizinische Tradition bei Magen- und Darmstörungen, Appetitlosigkeit und Schwächezuständen.
Kürzliche Studien mit Bärlauchextrakten zeigten ausgeprägte gefässschützende sowie in einem Testmodell mögliche blutdrucksenkende Wirkungen. Eingang in die Pflanzenheilkunde haben diese Erkenntnisse bisher jedoch noch nicht gefunden.
Frühlingsdelikatesse mit Heilwirkung?
Dem Spargel wird in volksmedizinischen Empfehlungen eine entwässernde Wirkung zugeschrieben, empfohlen zur Durchspülungstherapie, Entgiftung oder Blutreinigung. Nahrungsergänzungsmittel mit Spargelpulver werden als «Entwässerungskapseln für Körperbewusste» angeboten.
Bekannt sind die wassertreibende (diuretische) Wirkung und der charakteristische Geruch des Urins nach einer Spargelmahlzeit. In der westlichen Pflanzenheilkunde spielt Spargel jedoch keine Rolle. Neuere experimentelle Untersuchungen finden selbst für die wassertreibende Wirkung keine wissenschaftlich belegbaren Beweise, ein Wirkmechanismus konnte nicht nachgewiesen werden. Die kurzfristige Steigerung der Harnausscheidung scheint eher auf dem hohen Wassergehalt (bis 95 Prozent) des Spargels zu beruhen. Vielleicht auch auf dem Weisswein, dem beliebtem Begleiter von Spargelgerichten …
Der Apotheker Mannfried Pahlow, Autor von «Das grosse Buch der Heilpflanzen», bringt es auf den Punkt: «Man kann Gemüsespargel schwerlich als echte Heilpflanze bezeichnen, wenngleich er diese Rolle früher durchaus gespielt hat. Heute hingegen ist er eine Delikatesse. Wenn man Nierenkranken zu einer Spargelkur rät oder Übergewichtige im Frühling mit Spargel ‹füttert›, dann ist das wohl mehr ein Vergnügen als eine richtige Kur.»
Zubereitungen aus dem Spargelwurzelstock werden unterstützend zur Durchspülungstherapie bei Entzündungen der ableitenden Harnwege und bei Nierengriess empfohlen. In der Schweiz sind keine entsprechenden Produkte im Handel.
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
Weiterführende Links finden Sie online unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Löwenzahnsuppe
• 1 Zwiebel
• 1 Frühlingszwiebel
• 1 Lauchstange, nur weisser Teil
• 1 El Butter
• 150 g Knollensellerie
• 150 g Pastinake oder Kartoffel
• 1 Stangensellerie
• 3 dl Halbrahm
• Salz, Pfeffer
• 5 dl Gemüse- oder Hühnerbouillon
• 150 g Löwenzahn
• 100 g Blattspinat
• 150 ml Sonnenblumenöl
Zwiebel, Frühlingszwiebel und Lauch grob schneiden und in der Pfanne mit Butter anschwitzen. Knollen- und Stangensellerie sowie die Pastinake schälen und in grobe Würfel schneiden. In die Pfanne geben, anrösten und mit Salz und Pfeffer würzen. Mit Rahm ablöschen und mit Bouillon auffüllen. 30 Minuten leicht köcheln lassen und danach mixen und passieren.
Löwenzahn gut waschen und abtropfen lassen. Anschliessend mit Öl mixen und mit Salz würzen.
Falls die Masse zu dick ist, etwas mehr Öl beigeben.
Am Schluss die Löwenzahnpaste mit dem Stabmixer unter die Grundsuppe mixen.
Kräuterquark mit Brennnessel
• 30 g Brennnessel, am besten die kleinen und feinen Blätter
• 30 g Schnittlauch
• 10 g Dill
• 20 g Kerbel
• 20 g Petersilie
• 50 g Kapern
• 20 ml Sud aus dem Kapernglas
• 1 Knoblauchzehe
• 1 kl. Zwiebel
• 20 ml Sonnenblumenöl
• 10 g Salz
• Zitronensaft nach Belieben
• Pfeffer
• 100 g Quark (je mehr Fett, desto aromatischer…)
Alle Kräuter grob hacken und mit den restlichen Zutaten – ausser dem Quark – in der Moulinette oder im Mixglas zu einem feinen Püree mixen.
Dann das Kräuterpüree mit dem Quark mischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Passt wunderbar zu Grilladen, zu Kartoffeln aus der Asche, Gschwellti, auf einem Knäckebrot als Beilage.
Rezepte: Andy Schranz, Restaurant Hohliebestübli, Adelboden.
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