THE YOUNG VIEW – Was gelernt?
08.04.2022 KolumneWas gelernt?
Corona ist vorbei. So wirkt es auf jeden Fall, wenn man sich den neusten Stand der Massnahmen anschaut – es gibt keine mehr. Warum genau die Pandemie nun vorbei sein soll, wenn die Zahlen der Ansteckungen immer noch hoch sind und damit die Risiken noch genau ...
Was gelernt?
Corona ist vorbei. So wirkt es auf jeden Fall, wenn man sich den neusten Stand der Massnahmen anschaut – es gibt keine mehr. Warum genau die Pandemie nun vorbei sein soll, wenn die Zahlen der Ansteckungen immer noch hoch sind und damit die Risiken noch genau gleich sind wie vor ein paar Monaten, sei an dieser Stelle zwar gefragt, soll nun aber nicht diskutiert werden, da ich am Nutzen dieser Auseinandersetzung zweifle. Meine Vermutung ist ja, dass sich die Menschheit immer nur mit einer Krise aufs Mal befassen kann, und da es in Osteuropa alles andere als rosig aussieht, erklärt man nun einfach die erste Krise für beendet.
Nun stellt sich also die Frage, was wir mit diesen neu gewonnen Freiheiten am besten machen. Da wir nun nicht mehr in Isolation müssen, wenn wir uns anstecken, und uns bei Verdacht auf Corona nicht mal mehr testen lassen müssen: Heisst das, wir gehen dahin zurück, wo wir vorher waren? Einfach so? Und was beinhaltet das eigentlich genau? Dass wir uns mit Schüttelfrost, einer laufenden Nase, Husten und Kopfschmerzen zur Arbeit, an die Uni oder zur Schule quälen?
Falls es jemandem schon aufgefallen ist: Nicht nur Corona ist ansteckend. Tatsächlich gibt es unzählige andere Krankheiten, die man ziemlich einfach weitergeben kann, wenn man sich nicht distanziert von seinen Mitmenschen. Und sollten wir aus Corona nun nicht was gelernt haben? Allem voran die Tatsache, dass die Welt nicht untergeht, wenn wir mal zu Hause bleiben?
Gerade dazu habe ich mir in der letzten Zeit oft Gedanken gemacht; wann genau hat das in unserer Gesellschaft angefangen, dass die Idee, mal zurückzutreten, es etwas ruhiger angehen zu lassen, sich erholen zu dürfen, so verpönt ist? Es ist doch grundsätzlich sinnvoll und gesund, sich einfach mal einzugestehen, dass man krank ist, und zu Hause zu bleiben, bis man sich auskuriert hat. Aber es ist wohl der Geist unserer Gesellschaft, immer hochtourig arbeiten zu wollen und von anderen immer das Maximum zu fordern.
Dass das für Arbeitnehmer nicht sinnvoll ist, sollte eigentlich klar sein. Jedoch stellt sich auch die Frage, warum man dies als Arbeitgeber immer fordern soll. Kranke Mitarbeiter arbeiten langsamer, unsorgfältig, sind dabei mies gelaunt und stecken ihre Mitarbeiter an. Warum also darauf beharren, dass Leute auch krank zur Arbeit kommen? Sollte man nicht durch Corona gelernt haben: Es funktioniert auch mal mit einer Person weniger?
Selbst wenn einen die wirtschaftlichen Argumente nicht überzeugen; zumindest zwischenmenschlich wäre einiges gewonnen, wenn wir von dieser sturen Einstellung wegkommen würden und stattdessen jemanden auch mal krank sein lassen. Da lässt sich wohl nur hoffen, dass wir etwas aus einer zweijährigen Pandemie gelernt haben. Wäre ja schade, wenn es gar nichts wäre.
XENIA SCHMIDLI
SCHMIDLIX@HISPEED.CH