Ein Coiffeur der besonderen Art
06.05.2022 Aeschi, AeschiriedJeden Frühling werden nebst Schafen auch Alpakas und Lamas geschoren. Bei Luginbühls erledigt diese Arbeit seit Jahren ein Berufsmann aus England.
KATHARINA WITTWER
Nicht zum Entspannen oder um die Aussicht zu geniessen, sondern zum Scheren der Alpakas und Lamas weilte Ben Wheeler Mitte April einige Tage bei Familie Luginbühl auf der Seenegg. Seit über 30 Jahren verdient Wheeler seinen Lebensunterhalt als Schaf- und Alpaka-Scherer. «Sobald sich auf der Nordhalbkugel der Herbst ankündigte, flog ich früher nach Australien und Neuseeland und übte dort meinen Beruf aus. Aber das ist Vergangenheit!», so der Engländer.
Vor gut einem Jahrzehnt hat er sich auf die Schur von Kameliden wie Lamas und Alpakas spezialisiert und befreit seither nur noch seine eigenen Schafe von ihrer Wolle.
500 Mal vier bis fünf Minuten
Der Aeschirieder Coiffeursalon ist im Freilaufstall eingerichtet. Rückenschonend werden die Tiere mit vereinten Kräften auf einen hohen Arbeitstisch gehievt. Um Verletzungen zu vermeiden, wird jedes Bein separat angebunden. Routiniert setzt Ben Wheeler die elektrische Schere an und schiebt die abgeschnittene Wolle zur Seite. Junior Rico Luginbühl kontrolliert derweil das Gebiss und schneidet die Klauen. Pro Tier dauert die ganze Prozedur vier bis fünf Minuten. Anschliessend werden sie auf die Weide zu den KollegInnen entlassen.
Dieses Jahr ist ein «Lehrling» vor Ort. Der Hobbylandwirt aus dem Tessin wird auf der Rückfahrt einige hier erworbene Alpakas mitnehmen. Bei dieser Gelegenheit sammelt er praktische Erfahrung in Schur und Pflege. Den Tierhalterkurs hat er bereits absolviert.
Aktuell besitzen Luginbühls etwa 300 Lamas und Alpakas. Zusätzlich bringen Hobbyhalter aus der näheren und weiteren Umgebung ihre wollenen Vierbeiner in den temporären Schönheitssalon.
Wolle trennen – nach Farbe und Qualität
Die qualitativ hochwertige Wolle von Rücken, Bauch und Hals wird nach Farbe getrennt in Säcke gestopft. Die von den anderen Körperteilen landet in der Kehrichtabfuhr. Je nach Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und möglicherweise auch Farbe (hier scheiden sich die Geister) ist ein Tier nach der Schur drei bis vier Kilo leichter. Arnold Luginbühl weiss, dass sie nun ungefähr eine Tonne feinstes Rohmaterial an Swisswool verkaufen können. Die Wolle wird demnächst abgeholt und zur Weiterverarbeitung nach Österreich gebracht.