Der Begriff «Reservat» klingt nach Einschränkungen. Trotzdem wird das bis zum 9. Juni öffentlich aufgelegte Naturwaldreservat Kiental aber kaum für Diskussionen sorgen – denn die Betroffenen haben selbst den Anstoss dazu gegeben.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die verschiedenen Naturschutzvorhaben des Kantons haben in letzter Zeit in der Gemeinde Reichenbach für etliche Schlagzeilen und rote Köpfe gesorgt. Für die Vergrösserung des Naturschutzgebiets Tschingel wurden sogar runde Tische durchgeführt, und die Dimension des neu geplanten Wildtierschutzgebiets rund um den Niesen findet ebenfalls nicht nur Zustimmung. Besitzer und Nutzer werden potenziell eingeschränkt durch solche Zonen. Da kommt die Publikation im «Frutiger Anzeiger» für das «Naturwaldreservat Kiental» gerade richtig. Doch hier ist die Ausgangslage völlig anders.

Aus vielen mach drei
Im Mai 2017 und im April 2018 suchte der Kanton willige Waldbesitzer, die ihre Parzellen zur Verfügung stellen. Gut ein Dutzend mit unterschiedlichen Standorten im Kiental meldeten sich daraufhin. Aus den verschiedenen Angeboten entstand in Gesprächen mit der Waldabteilung Alpen in Wimmis das Reservat Kiental mit drei einzelnen Teilgebieten. Michel Brügger, Bereichsleiter Waldwirtschaft, erklärt: «Damit ein Waldreservat die gewünschte Wirkung entfalten kann, werden grössere zusammenhängende Flächen benötigt. Gemeinsam definiert wurden nun die Teilflächen Bachflue, Stieregwindli und Gamchibach. Sämtliche am Naturwaldreservat interessierten Eigentümerinnen und Eigentümer konnten so berücksichtigt werden.»

Konsequente Ruhe
Was bedeutet das konkret für diese Waldflächen? In einem Vertrag mit dem Kanton ist der Verzicht der Eigentümer auf die Bewirtschaftung dieser Wälder fixiert. Ausnahmen bilden definierte Kleinmengen für den Eigenbedarf sowie – falls nötig – Unterhaltsarbeiten an bestehenden Infrastrukturanlagen oder allfällige Sicherheitsmassnahmen. Obwohl die Bäume teilweise Schutzfunktionen für Gerinne erfüllen, hält das Amt für Wald und Naturgefahren das Vorhaben für vertretbar.

Die landwirtschaftliche Nutzung sowie das Sammeln von Pilzen oder Beeren werden mit dem Reservatsvertrag nicht zusätzlich eingeschränkt. Das Betreten des Waldes ist nicht grundsätzlich eingeschränkt, doch müssen die Auflagen des Eidgenössischen Jagdbanns berücksichtigt werden, in dem alle Teilgebiete liegen. Auch in der Vergangenheit wurden diese Wälder in Höhen von 1300 bis 1800 Metern über Meer aufgrund ihrer Lage forstwirtschaftlich nur minim respektive zum Eigenbedarf genutzt. Schadholz durch regelmässig vorkommenden Windwurf oder Käfer wurde meist liegen gelassen.

Vertrag für 50 Jahre
Gemäss Bundesamt für Umwelt hat die Wirtschaftsregion Alpen Nordwest ein Defizit an Naturwaldreservaten. Vor diesem Hintergrund bilden die 150 Hektaren im Kiental eine bedeutende Grösse. In solchen Reservaten soll der Wald sich ungestört und natürlich entwickeln können, zudem werden bedrohte Pflanzen- und Tierarten geschützt und gefördert. Dasselbe gilt für sogenannte Waldgesellschaften, also typische Waldbestände. Im Reservatsperimeter Kiental sind dies unter anderem Fichten oder Bergföhren.

Die Natur profitiert also sicher von diesem Vorhaben. Und was haben die Landbesitzer davon? Michel Brügger: «Diese erhalten für den Abschluss eines Reservatsvertrages mit dem Kanton Bern eine einmalige Entschädigung für die Vertragsdauer von 50 Jahren. Die Höhe der Entschädigung wird nicht kommuniziert.»

Im Kiental hat der Wald seine Ruhe

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