NACHGEHAKT – War da nicht noch was …?
03.05.2022 KolumneWar da nicht noch was …?
Sicher haben Sie diese Situation auch schon erlebt: Sie erhielten zu einem Thema Informationen, ja, Ihnen wurde das Thema auf ganz enthusiastische Art und Weise vorgestellt, sodass Sie sich sagen mussten, wenn dem effektiv so ist, wie soeben ...
War da nicht noch was …?
Sicher haben Sie diese Situation auch schon erlebt: Sie erhielten zu einem Thema Informationen, ja, Ihnen wurde das Thema auf ganz enthusiastische Art und Weise vorgestellt, sodass Sie sich sagen mussten, wenn dem effektiv so ist, wie soeben dargestellt, dann tönt das ja ganz schlüssig und stimmig und der Sachverhalt ist kaum infrage zu stellen. Klar doch, das muss so sein, erst recht nach dieser Erklärung und von dieser Quelle! Und dennoch, so nach der ersten Euphorie kommen Zweifel auf, man fragt sich doch auch einmal, ob der so dargestellte Sachverhalt denn wirklich vollumfänglich zutreffend ist, ob andere Sichtweisen genügend einbezogen wurden. Ist denn diese Herangehensweise wirklich «diejenige, welche», war da nicht noch was ...?
Klar, wo kämen wir denn hin, wenn wir jederzeit alle uns vorliegenden Informationen zuerst einmal infrage stellen würden. Mit Fug und Recht kann da behauptet werden, dass eine solch skeptische, kritische, ja sogar misstrauische Haltung jegliche Art von Zusammenarbeit und Miteinander im Keime zu ersticken droht. Und doch: War da nicht noch was ...?
Ist denn jemand überhaupt imstande, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, wenn sie oder er jedes Mal alles Gesagte oder Geschriebene zunächst infrage stellt? Wo bleibt da das Grundvertrauen?! Muss denn alles zuerst auf die Goldwaage gelegt werden?
Hat solches Verhalten wirklich mit Misstrauen zu tun oder vielleicht sogar mit einer negativen, pessimistischen Lebenseinstellung, die es praktisch verunmöglicht, sich für etwas zu begeistern und dafür einzustehen?
Ich glaube nicht. Enthusiasmus und Begeisterungsfähigkeit ist eine wunderschöne Charaktereigenschaft. Nur sollte diese Gabe einen nicht davon abhalten, etwas als schön Geschildertes und Dargestelltes auch aus einer anderen Optik zu betrachten. Den Blickwinkel zu ändern bedingt das Einnehmen einer anderen Stellung, man bewegt sich also bildlich gesehen, und dies erlaubt es uns, auch die Kehrseite zu betrachten.
Und so manches Mal provoziert ein Perspektivenwechsel auch ein Anpassen der Wahrnehmung. Dieses Betrachten der Kehrseite kann nun die bereits auf der Vorderseite erfassten Eindrücke bestätigen, bekräftigen oder sogar entkräften. Auf jeden Fall ermöglicht diese Vorgehensweise, einen «umfassenden Eindruck» vom Gehörten oder Gesehenen zu gewinnen.
Warum denn diesen Aufwand betreiben, stellen Sie absolut zu Recht die Frage! Ich denke, man darf die Fragestellung «War da nicht noch was ...?» ruhig zum Anlass nehmen, noch schnell den Kontrollgriff zu machen in Richtung «habe ich meine Position bewusst geändert und die Dinge aus einer anderen Perspektive auch noch betrachtet?» Wer das tut, informiert sich eben nicht einseitig, sondern vielseitig, und entdeckt Dinge und Ansichtsweisen, die ihm bei einer einseitigen Betrachtung verborgen geblieben wären.
Mir tun sich so regelmässig viele Perspektiven und Einsichten auf, die es mir erlauben, Dinge differenzierter anzugehen. Was man danach für einen persönlichen Schluss aus den gewonnenen Informationen und Eindrücken zieht, ist jeder / jedem selber überlassen.
Darum lade ich Sie ein: Stellen Sie doch regelmässig die Frage «War da nicht noch was ...?»
THOMAS EGGER
TH.EGGER@GMX.CH