Bis Ende September gehen von Montag bis Freitag Kindergärteler im alten Dorfschulhaus ein und aus. Für eine befristete Zeit dient das Haus somit wieder seinem ursprünglichen Zweck.

KATHARINA WITTWER
Es braucht kein geübtes Auge, um zu erkennen, dass das Holzhaus an der Faltschenstrasse 5 in Reichenbach einst ein Schulhaus war. Im Jahre 1816 liess die Kirchgemeinde Reichenbach den schlichten Blockbau mit gemauertem Kellergeschoss und schwach geneigtem Satteldach errichten. «Wir müssen GOT-Tes Kinder in der Jugend seÿn, wollen wir in dem Alter Unterthanen GOTTes werden!» Diese Inschrift an der Gadenbrüstung ist beispielhaft für die damals herrschende Meinung, Bildung sei Religion – oder umgekehrt.

Schulstuben, Stimmlokal und Wohnung unter einem Dach
Die Schulstuben in den beiden Stockwerken waren, verglichen mit heutigen Standards, eng. Im Parterre war auch noch die Kochschulküche untergebracht, und ein weiterer, kleiner Raum in der süd-östlichen Ecke des Hauses diente unter anderem als Stimmlokal. Er verfügte über einen separaten Eingang. Beim Umbau wurde dieser zu einem Fenster – einer Lichtquelle – «umfunktioniert». Die bergseitige Treppe führt noch heute auf die Laube und zur äusserst schmalen (Lehrer-)Wohnung im Obergeschoss. «Das Bett des letzten Mieters stand quer im Raum unter dem Fenster an der Südwand und füllte die ganze Stubenbreite aus», erinnert sich eine Zeitzeugin.

Neuer Zweck, neuer Name
Das erste Schulhaus im Dorf stand an der Stelle, an der im Januar 1966 das «neue» Dorfschulhaus eingeweiht wurde. Im nunmehr «alten» wurde vorerst noch eine Fortbildungsschule geführt (Weiterbildung für Schulabgänger-Innen, die keine Berufslehre absolvierten) und bis zur Inbetriebnahme des Kirchgemeindehauses (1989) fanden hier Sonntagsschule und Unterweisung statt. 1993 wurde das Gebäude komplett renoviert. Seither heisst es nicht mehr «altes Schulhaus», sondern «Musighuus» – und das zu Recht, dient es doch der Musikgesellschaft, dem Tambourenverein und der Musikschule MU-SIKA als Übungslokal.

Während des Neubaus des Kindergartens von Ostern bis Ende September 2022 ist der Kindergarten ins «Musighuus» ausgewichen. Ausser der Musikgesellschaft, die vorübergehend ein anderes Probelokal gefunden hat, kommen die Hobby-MusikantInnen «näbenang düri».

Wichtiger Treffpunkt für Faltschener
Obwohl die Faltschener ihr eigenes Schulhaus haben, hatte dieses Gebäude für sie jahrzehntelang eine wichtige Bedeutung. Im Winter war die Strasse nach Reichenbach eine beliebte Schlittelpiste. Wer ins Dorf oder auf den Zug wollte, deponierte nach einer rasanten Talfahrt seinen «Gibel» oder die Skier dort. Urs Hänseler, Lehrer im Ruhestand, erinnert sich noch gut an die zahlreichen, in Reih und Glied parkierten Schlitten. Wer am Bahnhof ankam, den Heimweg nicht unter die Füsse nehmen konnte oder wollte, rief von der dortigen Telefonkabine an und sagte, er warte beim Schulhaus.

Neues Leben im alten Gebäude

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