WER HÄTTE DAS GEDACHT?
Jahrzehntelang kämpften die USA mit einer sehr hohen Zahl sogenannter Teenager-Schwangerschaften. Jede Regierung ging mit neuen Rezepten dagegen vor. Mal wurde den jugendlichen Eltern die Unterstützung gekürzt, mal rief man zur vorehelichen ...
WER HÄTTE DAS GEDACHT?
Jahrzehntelang kämpften die USA mit einer sehr hohen Zahl sogenannter Teenager-Schwangerschaften. Jede Regierung ging mit neuen Rezepten dagegen vor. Mal wurde den jugendlichen Eltern die Unterstützung gekürzt, mal rief man zur vorehelichen Enthaltsamkeit auf. Nichts davon half. Ab dem Jahr 2009 griff der Musiksender MTV das Thema auf. Serien wie «16 and Pregnant» («Schwanger mit 16») zeigten nun ungeschönt, was es bedeutet, in jungen Jahren ein Kind zu haben. Und siehe da: Mit der Ausstrahlung sank die Zahl der Teenager-Eltern rasant. Das Fernsehen als Verhütungsmittel – wer hätte das gedacht?
Sicher, die Entwicklung ausschliesslich aufs TV zu schieben, wäre wohl zu einfach. Dass aber die genannten Sendungen genau die richtige Zielgruppe ansprachen und dort einiges bewirkten, ist unbestritten.
Rück blickend mag man sich wundern, warum zuvor kein Sozialpolitiker auf die Idee mit dem Fernsehen gekommen war. Aber eben: Welche Massnahme den gewünschten Effekt bringt, ist in der Politik meist hoch umstritten. Und nur selten laufen die Debatten darüber völlig rational ab.
Im Frühjar 2021 wurde in der Schweiz über ein landesweites Verhüllungsverbot abgestimmt. Der voran gegangene Streit drehte sich vielfach darum, was die grössere Diskriminierung sei: Die Verschleierung – oder ihr Verbot.
Beantwortet ist diese Frage bis heute nicht. Eine grosse Studie der Paris School of Economics lässt jedoch erahnen, welchen Effekt ein Verhüllungsverbot hat. In Frankreich ist die Burka seit 2010 in der Öffentlichkeit verboten. An Schulen darf schon seit 2004 kein Kopftuch mehr getragen werden. Und siehe da: Mädchen mit muslimischem Migrationshintergrund haben seitdem bei den schulischen Leistungen deutlich aufgeholt. Sie heiraten später und häufiger ausserhalb ihres Kulturkreises. Die Zahl muslimischer Migrantinnen, die in einer staatlichen Behörde arbeiten, ist zudem messbar gestiegen – auch dort ist nämlich das Kopftuch nicht erlaubt. Kurzum: In Frankreich hat das umstrittene «Kopftuchverbot» offenbar genau das bewirkt, was eine Gesellschaft sich von Zuwanderern wünscht: Integration. Wer hätte das gedacht?
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH