Warten aufs Wachstum
31.05.2022 KulturIm Oktober 2020 entstand der Verein Jugendmusik Region Frutigland. Das erklärte Ziel: mehr Mitglieder. Gut anderthalb Jahre später zieht die Vereinspräsidentin eine ernüchternde Bilanz, erwartet mittelfristig aber eine Besserung der Lage.
JULIAN ZAHND
Leere ...
Im Oktober 2020 entstand der Verein Jugendmusik Region Frutigland. Das erklärte Ziel: mehr Mitglieder. Gut anderthalb Jahre später zieht die Vereinspräsidentin eine ernüchternde Bilanz, erwartet mittelfristig aber eine Besserung der Lage.
JULIAN ZAHND
Leere Konzertkalender, temporäres Probeverbot, kontinuierlicher Mitgliederschwund: Erwartungsgemäss hat die Pandemiepause auch den Musikgesellschaften zugesetzt. Allmählich werden die Vereine aber wieder in der Öffentlichkeit sichtbar. Am diesjährigen Kreismusiktag in Spiez traten Formationen aus Krattigen, Frutigen und Kandersteg auf. Kurz zuvor hatte die Jugendmusik Region Frutigland eine Premiere gefeiert. Unter neuem Namen und in neuer Uniform absolvierte die Truppe ihr erstes Jahreskonzert.
Die Namensänderung von Jugendmusik Frutigen in Jugendmusik Region Frutigland erfolgte im Oktober 2020. Die einst stolze Vorgängerin kämpfte jahrelang mit sinkenden Mitgliederzahlen, weshalb sich die Verantwortlichen entschieden, den Einzugsbereich auf die Region auszuweiten. Man erhoffte sich dadurch eine Trendwende – wobei Vereinspräsidentin Monya Schneider schon damals wusste, dass solche Pläne mitten in einer Pandemie ambitioniert sind.
Zwischen Harren und Hoffen
Die Vorahnung hat sich bestätigt: Gegenwärtig zählt die Jugendmusik Region Frutigland 17 Mitglieder – zwei weniger als noch vor knapp zwei Jahren. Einen Schub hat die Namensänderung dem Verein somit definitiv nicht verpasst. Monya Schneider ist sich bewusst, dass man für diese Entwicklung nicht allein die Pandemie verantwortlich machen kann, obgleich diese eine wichtige Rolle gespielt habe. «Wir konnten das Angebot kaum bewerben, weder an öffentlichen Anlässen noch an den Schulen.»
Gebremst wurde die Dynamik aber auch durch die mangelnde Begeisterung benachbarter Musikgesellschaften. Sowohl in Kandersteg als auch in Krattigen befürchtete man einen zusätzlichen Mitgliederschwund, wenn man die Jugend «auslagert», statt sie selbst aufzubauen. Da auch die MG Adelboden nach wie vor ausschliesslich in ihre eigenen Kräfte investiert, umfasst die regionale Jugendmusik bislang bloss die beiden Gemeinden Frutigen und Reichenbach.
Kurzfristig sei kein Wachstum zu erwarten, sagt die Vereinspräsidentin. Die Lage könne sich im Sommer gar noch zuspitzen, da weitere Abgänge infolge diverser Berufslehreinstiege erwartet würden. Hoffnungen steckt Schneider jedoch ins Schuljahr 2023 / 24. Man rechne in diesem Zeitraum mit rund fünf Neuzugängen – Kinder, die zurzeit ein Instrument erlernen, aber noch nicht lange genug die Musikschule besucht haben, um der Jugendmusik beizutreten. Zudem soll im Frühling 2023 eine Werbeaktion an den Schulen stattfinden – eine Art «All in one»-Paket, bestehend aus einem Infoblock und einer Probierstunde an den Instrumenten. «Die Schulen können uns gleich für einen halben Tag buchen und haben kaum Organisationsaufwand», so Schneider. Schon vor einigen Jahren habe die damalige Jugendmusik Frutigen eine solche Werbeaktion durchgeführt und sei damit recht erfolgreich gewesen.
Das Grundproblem: mangelnde Bekanntheit
Des Weiteren will die Vereinspräsidentin vermehrt öffentliche Auftritte organisieren. So sei die Jugendmusik kürzlich am Tag der offenen Tür der Musika und auch am Mai-Märit präsent gewesen, was wichtig sei, um Aufmerksamkeit zu generieren. Denn ein Grundproblem bestehe nach wie vor darin, dass das Angebot schlicht zu wenig bekannt sei. Zwar sieht das Konzept der Jugendmusik eine enge Zusammenarbeit mit der Musikschule Musika vor. Die Kinder sollen dort eine Grundausbildung erhalten, bevor sie dem Korps beitreten. Dabei profitieren sie von vergünstigtem Unterricht. «Bis heute wissen aber selbst manche Instrumentallehrer nicht, dass es diese Zusammenarbeit gibt», so Schneider.
Will die Jugendmusik Region Frutigland den Trend umkehren, ist sie in nächster Zeit gefordert. Ein aktiver Auftritt, um das Angebot bekannt zu machen, ist dabei nur das eine. Im Weiteren gehe es darum, die Jugendlichen von diesem Angebot zu überzeugen – gemäss Monya Schneider kein leichtes Unterfangen: «Da der Eintritt in die Jugendmusik erst relativ spät erfolgt, haben die Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Hobbys entwickelt, die Konkurrenz ist gross. Zudem muss man bei uns halt regelmässig üben, was nicht allen Spass macht.»
Trotz all dieser Hürden: Die Vereinspräsidentin und der gesamte Vorstand halten an ihrem Projekt fest. Die aktuelle Mitgliederzahl sei zwar überschaubar, die Motivation im bestehenden Korps aber durchaus spürbar. Zudem gebe es keine Mindestanzahl an Mitgliedern. «Theoretisch kann man auch zu fünft gute Musik machen.»
Weiteres zur Jugendmusik und der neuen Bläserklasse finden Sie in der Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Neue Bläserklasse für (Wieder-)Einsteiger
Auch für angehende Musikanten im Erwachsenenalter entsteht zurzeit ein neues Angebot: die Bläserklasse Niesen. Zielgruppe sind Erwachsene, die gerne ein Blasinstrument erlernen möchten oder eine längere musikalische Pause hinter sich haben und ihr erworbenes Können wieder auffrischen möchten. Ins Leben gerufen hat das Projekt Philipp Aellig, Präsident der Musikgesellschaft Reichenbach. Das Bedürfnis nach gemeinsamem Musizieren stelle er seit Längerem fest, sagt er.
Blasmusikbegeisterte erhalten eine Grundausbildung auf ihrem Wunschinstrument. Die Ausbildung dauert zwei Jahre, das Projekt wird mit einem Konzert abgeschlossen. Nach Abschluss sollen die TeilnehmerInnen motiviert sein, einer Musikgesellschaft beizutreten. Die Verantwortlichen verstehen die neue Bläserklasse daher als Sprungbrett für eine musikalische Laufbahn in einem bereits bestehenden Korps.
Mitte Mai fand in Frutigen eine Infoveranstaltung statt, die laut Aellig ziemlich erfolgreich war. «Es kamen zwölf Personen, die alle ernsthaftes Interesse zeigten. Dies wäre die Mindestanzahl Mitglieder, die wir benötigen, um die Klasse wie geplant im September 2022 eröffnen zu können.»
Das Projekt wird von den Musikgesellschaften Reichenbach, Frutigen, Reutigen und dem Musikverein Spiez getragen und ist vorerst auf zwei Jahre befristet. Leiten soll die Truppe Markus Graf, ehemaliger Dirigent der MG Reichenbach. Einmal pro Woche soll die Bläserklasse Niesen zusammenkommen, noch offen sei der Probeort. «Diesen wählen wir je nach geografischer Verteilung der TeilnehmerInnen», sagt Aellig.
JUZ