NORMAL – Mitsprache in einem Klientenrat
14.06.2022 KolumneMitsprache in einem Klientenrat
Mitsprache ist für uns Menschen ein gros ses Thema. Wir haben unsere Vorstellungen und Wünsche, wie gewisse Dinge sein müssten oder wie etwas ablaufen müsste. Wie gestalte ich meinen Wohnraum, was möchte ich unternehmen, mit wem möchte ...
Mitsprache in einem Klientenrat
Mitsprache ist für uns Menschen ein gros ses Thema. Wir haben unsere Vorstellungen und Wünsche, wie gewisse Dinge sein müssten oder wie etwas ablaufen müsste. Wie gestalte ich meinen Wohnraum, was möchte ich unternehmen, mit wem möchte ich meine Zeit verbringen, welche Regeln und Abmachungen sollten gelten und noch vieles mehr.
Dabei ist es so, dass jeder Mensch im kleinen Rahmen mehr Mitsprache und Mitbestimmung hat als im grösseren Rahmen. In der Familie können das Zusammenleben und der Wohnraum unter ein paar Personen miteinander organisiert und gestaltet werden. Im Mehrfamilienhaus oder im Wohnquartier sollen die unterschiedlichen Bedürfnisse mehrerer Parteien berücksichtig werden. Dass dies unter Umständen schon schwierig werden kann, wissen wir alle. Noch schwieriger wird es, wenn wir vom Zusammenleben in Gemeinden, Kantonen oder sogar in der ganzen Schweiz sprechen.
Auch Menschen mit einer Beeinträchtigung wollen mitbestimmen und migestalten. Sie leben oft in Institutionen und damit in einer Organisation mit verschiedenen Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten, wo auch viele andere Personen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und unterschiedlichem Unterstützungsbedarf leben. Dies macht das Zusammenleben natürlich komplizierter, denn die unterschiedlichen Gewohnheiten, Interessen und Bedürfnisse sollen Platz haben.
Damit Menschen mit einer Beeinträchtigung in Institutionen ihre Interessen vertreten können, wurden in den letzten Jahren in verschiedenen Einrichtungen Klienten-, Mitarbeiter- oder Bewohnerräte gegründet. Die Idee ist, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung ihre Interessen und Anliegen als Gruppe vertreten und somit gewünschte Veränderungen angegangen werden können.
Seit 2017 besteht in der Stiftung Bad Heustrich ein Klientenrat mit fünf Mitgliedern. Wählbar sind alle Bewohner*innen oder Mitarbeiter*innen mit einer Beeinträchtigung. Der Rat wird von allen Klient*innen der Stiftung gewählt und trifft sich monatlich zu Sitzungen. Dabei sollen die Anliegen der Bewohner*innen aufgenommen, Lösungsvorschläge diskutiert und im Sinne der Klient*innen umgesetzt werden. Bei den Sitzungen ist jeweils eine Begleitperson zugegen, die den Rat unterstützt, das Protokoll verfasst und Tipps gibt, wie die Anliegen angegangen und bearbeitet werden könnten. Der Rat kann Ideen einbringen, Anträge stellen und gemeinsam mit den Werkstätten, den Wohngruppen oder der Leitung nach Lösungen suchen. Verschiedene vom Klientenrat initiierte Anliegen wie die Einrichtung abschliessbarer Fächer im Werkstattbereich, die Durchführung eines Erste-Hilfe-Kurses und weitere Verbesserungen konnten angeregt oder umgesetzt werden.
Im Frühling 2022 wurde der Rat neu gewählt. Der Wahlkampf wurde mit Wahlliste, Wahlplakaten und direkten Gesprächen geführt. Und natürlich wurden die Resultate mit Spannung erwartet und von den Gewählten mit Freude zur Kenntnis genommen. Vier bisherige Vertreter*innen wurden wiedergewählt und können ihre Arbeit fortsetzen, eine neue Person ergänzt den Rat.
Wie für alle Gremien dieser Art gilt es nun auch für den Klientenrat, die Bedürfnisse der Mehrheit zu vertreten und sich für Verbesserungen einzusetzen. Dabei wird es dem Klientenrat wie allen Räten ergehen: Er muss sich finden, muss die Probleme und Wünsche der Mehrheit angehen und dementsprechend versuchen, diese umzusetzen. Also alles ganz normal.
ARNOLD SIEBER
ARNOLD.SIEBER@GMAIL.COM