Sie schwört auf die Kraft der Natur
08.06.2022 PorträtMaja Künzi kennt sich aus mit Kräutern. Auch bei Tieren setzt die gelernte Drogistin und langjährige Bauersfrau auf pflanzliche Heilmittel.
RUTH STETTLER
Maja Künzi hat gelernt, nicht nur Symptome zu bekämpfen, sondern Krankheiten auf den Grund zu gehen. Sie ist ...
Maja Künzi kennt sich aus mit Kräutern. Auch bei Tieren setzt die gelernte Drogistin und langjährige Bauersfrau auf pflanzliche Heilmittel.
RUTH STETTLER
Maja Künzi hat gelernt, nicht nur Symptome zu bekämpfen, sondern Krankheiten auf den Grund zu gehen. Sie ist froh, dass auch Landwirtinnen und Landwirte in der obligatorischen Ausbildung und dank Weiterbildungsmöglichkeiten schon ein fundiertes Hintergrundwissen besitzen. Die in Wattenwil aufgewachsene Bauerntochter hat Drogistin gelernt und anschliessend den Alpsennenkurs am Inforama Hondrich sowie viele andere Weiterbildungen besucht. Zusammen mit ihrem Mann Ueli und den Kindern war sie mehrere Jahre an Tschenten «z Bärg».
Auf der Alpweide können sich die Tiere ihre Heilkräuter selbst suchen. Im Winter lagert auf der Heubühne eine wahre Schatzkammer an getrockneten Kräutern. «Neben den frischen und getrockneten Kräutern haben wir mit den sogenannten spagyrischen Essenzen eine gute Möglichkeit, ganzjährig die Heilkraft der Pflanzen einzusetzen», sagt Künzi. Dies habe sie bewogen, sich auf diesem Gebiet noch intensiver weiterzubilden. Die Spagyrik ist ein zuletzt etwas in Vergessenheit geratenes Herstellungsverfahren. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Begriffen «spao» (trennen) und «ageiro» (zusammenfügen) zusammen. Die Kräuter werden nach der Ernte klein gehackt. Unter Beigabe einer speziellen Hefe kommt es zum Gärungsprozess, anschliessend wird destilliert. Mittels Veräscherung werden aus den pflanzlichen Überresten die Mineralien freigesetzt, die dann im Destillat gelöst werden.
Für Hormonregulierung und gegen Angst
Bei der Tier-Spagyrik werden die gleichen Essenzen eingesetzt wie bei den Menschen. «Viele wissen nicht, dass die Methode auch bei Tieren angewendet werden und man sich die Essenzen in der Drogerie entsprechend zusammenmischen lassen kann.» Die natürlichen Heilmittel hätten keine Absetzfristen, was nach einem Unfall, einer Operation (Notschlachtung) oder für die Milchlieferung und das Verkäsen wichtig sei. Typische Einsatzgebiete bei Kühen seien etwa Hormonregulierung, Geburtsbegleitung, Stoffwechselprobleme oder Angst (zum Beispiel durch Lärm oder Transport). Bei Kälbern sei es wichtig, das Immunsystem während der Immunitätslücke zwischen der dritten und sechsten Woche zu unterstützen. Bei Katzen stünden unter anderem Augenentzündungen, Zahnfleisch- oder Zeckenprobleme im Vordergrund, bei Hunden Gelenkschmerzen, Verletzungen und Ohrprobleme. Unter anderem auf diesen Einsatzgebieten hätten Künzis Kunden von Erfolgen berichtet. Auch sie habe die Wirkung bei ihren eigenen Tieren erlebt. Besonders erfreut war sie über die gute und rasche Heilung einer grossen Warze an einem Kuhauge.
Auch bei Haustieren könne man ohne grosses Vorwissen von den speziell zusammengestellten Mischungen profitieren. Die Spagyrik ersetze aber nie die artgerechte Haltung, Fütterung oder Behandlung eines Tieres, betont Künzi.
Der vielfältige Löwenzahn
Weil die Methode nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern vor allem der Krankheit auf den Grund gehen will, müsse das beratende Personal in der Drogerie ein grosses Know-how über die Heilpflanzen und die Zusammenhänge im Organismus aufweisen.
Der Löwenzahn gehört zu Künzis Lieblingspflanzen. Er setze sich durch und wachse überall. Die ersten jungen Blätter ergäben einen Salat, die Wurzeln würden als Tee oder geröstet als Kaffee-Ersatz getrunken. Aus den Blüten könne man Honig machen und als «Pusteblume» sei die Pflanze schön anzuschauen. Neben vielen anderen Wirkstoffen enthalte sie auch Bitterstoffe, die den Stoffwechsel und die Entgiftung unterstützten.
Als Bäuerin weiss Maja Künzi, dass beispielsweise Tiere mit Ringelflechten (Pilzerkrankung) keinen Zugang zu einer Ausstellung oder einem Markt haben. Da diese Krankheit auch auf die Menschen übertragbar sei, solle man sie möglichst früh behandeln, das Immunsystem stärken und ihre Ausbreitung verhindern. Klauenproblemen liege häufig ein Stoffwechselproblem oder eine schlechte Durchblutung der Lederhaut zugrunde – für einen langfristigen Heilungserfolg müsse man auch hier ansetzen.
Ergänzung zur tierärztlichen Behandlung
«Ich bin sehr froh, dass es Antibiotika gibt. Aber ich möchte, dass sie dann noch helfen, wenn sie wirklich eingesetzt werden müssen», sagt die Drogistin und Bäuerin. Den Einsatz spagyrischer Essenzen bei ersten Anzeichen einer Störung oder Krankheit sieht sie als Ergänzung zum Tierarzt, zur allgemeinen Stärkung der Abwehrkräfte und als Unterstützung bei bekannten Schwachstellen. Durch diese Methode könne jede andere Behandlung bedenkenlos unterstützt werden. In der Wildstrubel-Drogerie in Adelboden berät Künzi die Kundschaft unter anderem auch im Bereich Spagyrik. Sie hört sich die Krankheitsgeschichten der pelzigen Freunde an und mischt die passenden Essenzen. Diese sind innerlich wie äusserlich anwendbar und können mit einem Sprühaufsatz oder einer Pipette direkt ins Maul der Tiere, ins Wasser oder ins Futter gegeben werden – was gerade für Tiere eine stressfreie Behandlung bedeutet.