Zwei Klassen an der «Frutig-Gwärb»-Woche
21.06.2022 FrutigenNach dem positiven Echo im letzten Jahr hat sich die Oberstufenschule erneut dazu entschlossen, nebst den AchtklässlerInnen auch zwei siebte Klassen in Schnupperlehren zu schicken. So stand bereits vor den Sommerferien eine ganze Schulwoche unter dem Motto ...
Nach dem positiven Echo im letzten Jahr hat sich die Oberstufenschule erneut dazu entschlossen, nebst den AchtklässlerInnen auch zwei siebte Klassen in Schnupperlehren zu schicken. So stand bereits vor den Sommerferien eine ganze Schulwoche unter dem Motto «Berufswahl».
SONJA STEUDLER
Für das letztjährige Pilotprojekt einer Berufswahlwoche für SiebtklässlerInnen wurde Initiantin Jennifer Wandfluh vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) mit dem Richard-Beglinger-Preis ausgezeichnet. Dies war für Wandfluh und das Lehrerteam der Oberstufenschule Frutigen genug Motivation, das Projekt erneut auf die Beine zu stellen: Letzte Woche wurden die SchülerInnen der Klassen 7C und 7D drei Tage lang zum Schnuppern in diverse Gewerbebetriebe in Frutigen und Umgebung geschickt, damit sie erste Erfahrungen in der Berufswelt sammeln konnten.
Rund 30 Betriebe aus ganz unterschiedlichen Branchen stellten Plätze zur Verfügung. Da bei der Erstdurchführung letzten Sommer ein deutliches Überangebot an Schnupperplätzen vorhanden gewesen war, beschloss die Schule, dieses Jahr zusätzlich zur Realklasse eine gemischte Klasse (Sek und Real) am Projekt teilnehmen zu lassen.
Berufswünsche berücksichtigt
Bei der Zuteilung der Schnupperplätze und der entsprechenden Berufe durch die LehrerInnen wurden die Wünsche der SchülerInnen weitgehend berücksichtigt. Dabei galt es jedoch zu beachten, dass in einzelnen Berufen Sek-Niveau bevorzugt oder vom Anbieter ausdrücklich gewünscht wurde. Janik Lüthi, Klassenlehrer 7C, sagt, dass sich dadurch die Einteilung schon fast von vornherein ergeben habe: «Man kennt die SchülerInnen und ihre Interessen ja mittlerweile und weiss zu einem grossen Teil, was jedem einzelnen entsprechen könnte.» Erfahrungen mit Schnupperlehren hatten jedoch bis dato nur einzelne Jugendliche gemacht, einige arbeiten jedoch schon regelmässig an einem Wochenplatz.
Schliesslich wurde für alle eine befriedigende Lösung gefunden, und die SchülerInnen konnten sich motiviert an die Organisation ihrer Schnuppertage machen. Es galt in den Betrieb anzurufen und Arbeitszeiten, gewünschte Arbeitskleidung und Weiteres zu vereinbaren. Gemäss der Berufswahl-Koordinatorin der OSS Frutigen, Agnes Rufener, war dies für die meisten die grösste Hürde. Einen vielleicht grösseren Betrieb mit vielen Angestellten anzurufen und mit wildfremden Personen zu telefonieren, habe den Jugendlichen doch ein wenig Angst gemacht. Und wurden sie dann am Telefon noch weiterverbunden, war die Verunsicherung bei einigen gross. Letztlich hätten aber alle diese Schwierigkeit gut gemeistert. Dadurch konnten die Jugendlichen mit einer grossen Portion Selbstvertrauen in die Betriebe gehen.
Zum Stichwort Motivation erzählt Agnes Rufener mit einem Augenzwinkern: «Den etwas Unmotivierteren unter den SchülerInnen habe ich erklärt, dass die Alternative zur Projektwoche der ganz normale Schulbesuch in einer anderen Klasse sei. So war das Motivationsproblem schnell gelöst.»
Bleibende Erfahrungen
Von Montag bis Mittwoch gingen die SchülerInnen selbstständig in die Betriebe. Zu ihren Erfahrungen befragt, gab eine Gruppe Jugendliche sehr bereitwillig Auskunft. Die Eindrücke waren so vielfältig wie die Betriebe. Generell gesehen wurde der komplett andere Tagesablauf mit wenigen Pausen als anstrengend empfunden und natürlich auch das lange Stehen oder Sitzen. Artem, der in den Beruf des Kochs geschnuppert hat, war hingegen etwas überrascht, wie grosse Distanzen er zurücklegen musste, bis er alle Zutaten für ein Gericht zusammenhatte.
Auch das frühe Aufstehen war ein Thema. So meinte Lara zum Arbeitsbeginn für den Frühstücksservice als Hotelfachfrau: «Ich schlafe gerne etwas länger. Ans frühe Aufstehen müsste ich mich in diesem Beruf erst ein wenig gewöhnen. Aber ich hatte es nicht so anstrengend, da zu dieser Jahreszeit eher weniger Gäste da waren. So ging es gut.»
Überrascht hat zum Teil, wie schwierig eine Tätigkeit auszuführen ist, wenn man sie selbstständig machen muss. So meinte Jael: «Mit dem Lockenstab schöne Locken hinzukriegen, war ziemlich knifflig. Bei der Coiffeuse sah das so einfach aus und ich hatte derart Mühe, dass ich fast ein wenig die Geduld verlor.»
Für Kevin waren die Gegensätze seiner beiden gewählten Berufe (Konstrukteur und Polymechaniker) eindrücklich. Beides schnupperte er im selben Betrieb. Sein Fazit: Als Konstrukteur würde ihm die Bewegung ein wenig fehlen. Als Polymechaniker hat man auch Tätigkeiten, die einen körperlich mehr fordern, was ihm mehr zusagt.
Die meisten Befragten haben sich im gewählten Beruf sehr wohl gefühlt und können sich vorstellen, eine weitere Schnupperlehre in diesem Bereich zu machen oder haben sogar bereits eine solche arrangiert. Diyar gab jedoch zu bedenken, ihm sei vom Betrieb dringend geraten worden, auch andere Berufe als nur den des Kaufmanns anzuschauen. So hätte er einen Plan B, falls es mit der Wunschlehrstelle dann doch nicht klappen sollte. Hier waren sich alle einig: Einen Plan B zu haben, ist immer gut. Durchwegs alle befragten SchülerInnen haben an ihren Schnupperplätzen motivierende Rückmeldungen erhalten. Einzelnen wurde sogar empfohlen, nochmals vorbeizukommen oder sie erhielten gar schon die Einladung, sich auf eine Lehrstelle zu bewerben. Agnes Rufener kann dies bestätigen. Sie hat einige ihrer SchülerInnen in den Betrieben besucht und ist dort mit Ausbildungsverantwortlichen ins Gespräch gekommen. Das Echo sei überwiegend sehr gut gewesen.
Aufarbeitung im Klassenzimmer
«I ha süsch no gärn Schuel, aber Videoschnide isch z sträng.» Ileynas Kommentar auf dem Pausenplatz galt den Aufgaben der letzten zwei Tage der Projektwoche. Da ging es nämlich darum, aus dem gesammelten Foto- und Filmmaterial aus den Schnupperlehren einen Videozusammenschnitt zu produzieren. Eine aufwendige Arbeit, die praktisch den ganzen Donnerstag in Anspruch nahm.
Auch Agnes Rufener sieht diese Arbeiten als eine der grösseren Schwierigkeiten. Eine intensive Betreuung der SchülerInnen war gefragt. Hierbei durften die Lehrpersonen auf die tatkräftige Unterstützung von Iyad zählen. Iyad ist Schüler der Klasse 8C und war letztes Jahr am Projekt beteiligt. Seine Hilfe war vor allem beim Hochladen der fertigen Videos auf Youtube sehr willkommen.
Überhaupt genug Bildmaterial für den Videofilm zu sammeln, war nicht für alle SchülerInnen gleich einfach, galt es doch, in mehreren Betrieben darauf zu achten, dass keine Kunden, Gäste, Bewohner, Patienten oder schon nur Kundendaten abgebildet waren.
Am Freitag schliesslich wurden alle Videos von den einzelnen Jugendlichen dem Rest der Klassen präsentiert. Sie werden auf Youtube veröffentlicht. Die Lehrpersonen verlangten überdies eine schriftliche Rückmeldung: Die SchülerInnen erhielten dazu einen Fragebogen zum Ausfüllen.
Ileynas Schnupperlehre bei einer Bank hat ihr übrigens ausgezeichnet gefallen, nur die Aufarbeitung im Klassenzimmer empfand sie eher als mühsam.
Das Thema beschäftigt weiter
Nach den Sommerferien, wenn die SchülerInnen in die achte Klasse gewechselt haben, wird sie das Thema Berufswahl intensiv weiterbeschäftigen. So wird in der dritten Woche nach den Ferien mit allen Achtklässlern der OSS Frutigen die seit Langem etablierte «normale» Berufswahlwoche durchgeführt.
Den Link zu den Videos der «Frutig-Gwärb»- Woche 2022 finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Digitale Plattform
Unter berufswahl@schufru.ch nimmt Agnes Rufener Angebote für Besichtigungen, Tage der offenen Tür, Schnupperlehren und freie Lehrstellen entgegen. Diese werden den SchülerInnen am Anschlagbrett und in einem OneDrive-Ordner zur Verfügung gestellt. Darauf haben die Acht- und NeuntklässlerInnen der Oberstufenschule Frutigen sowie deren Klassenlehrpersonen Zugriff.
SST