Abschied nach fast 40 Jahren
05.07.2022 Krattigen«Life is short. If not now, then when?» Mit diesem Zitat teilte Schulleiterin Barbara Luginbühl-Sieber ihrem Kollegium mit, dass sie die Schule Krattigen in diesem Sommer verlassen wird, um sich vermehrt Projekten in anderen Bereichen zu widmen. Eine lange Wirkungszeit, geprägt von ...
«Life is short. If not now, then when?» Mit diesem Zitat teilte Schulleiterin Barbara Luginbühl-Sieber ihrem Kollegium mit, dass sie die Schule Krattigen in diesem Sommer verlassen wird, um sich vermehrt Projekten in anderen Bereichen zu widmen. Eine lange Wirkungszeit, geprägt von vielen Veränderungen in und um die Schule, geht damit zu Ende.
SONJA STEUDLER
Die Ausbildung zur Lehrerin absolvierte Barbara Luginbühl-Sieber noch im ganz klassischen «Lehrersemer» in Thun – in einer damals üblichen reinen Mädchenklasse. Während dieser Zeit reiste Luginbühl auch für ein Austauschjahr nach San Francisco und besuchte dort die Highschool.
Zunächst Stellvertretungen und ein Jahr in der Luft
Nach Abschluss des Seminars nahm Barbara Luginbühl-Sieber während eines Jahres an verschiedenen Schulen im ganzen Kanton Bern Stellen als Stellvertreterin an. Sie unterrichtete dabei Kinder aller Klassenstufen, um herauszufinden, welche Stufe ihr am besten zusagt. Am herausforderndsten in dieser Zeit war wohl eine Stellvertretung als einzige Lehrperson an einer kleinen Schule mit nur zehn Schülern, allerdings verteilt auf die Niveaus der 1. bis zur 9. Klasse. Danach zog es Luginbühl wieder weg, diesmal in die Lüfte: Sie arbeitete rund ein Jahr als Stewardess für die Swissair.
Ihre erste Festanstellung erhielt Barbara Luginbühl-Sieber an der Schule Ausserschwand in Adelboden, wo sie die Unterstufe unterrichtete. 1983 wurde sie – damals noch durch die Gemeindeversammlung – als Klassenlehrerin für die 1./2. Klasse an die Primarschule Krattigen gewählt. Nun folgte auch der Umzug in die Gemeinde am Thunersee, galt doch in der damaligen Zeit noch die Wohnsitznahmepflicht für Lehrpersonen.
Gerne erinnert sich Luginbühl an das familiäre Miteinander in der ersten Zeit in Krattigen mit einem kleinen Kollegium, sassen sie doch jeweils zu dritt im gemütlich kleinen Lehrerzimmer: Oberstufenlehrer Wale Weyermann, Mittelschullehrer Fred Stehlin und die junge Unterstufenlehrein «Fräulein Sieber». Die Abwartin, Frau Hedwig Heim, brachte ihnen das Kaffeewasser und gelegentlich auch etwas Süsses. Ab und zu gesellte sich auch noch die Handarbeitslehrerin Susanne Ruchti dazu. Nicht nur das Lehrerzimmer, sondern auch die Grösse des Kollegiums sollten sich in der langen Wirkungszeit Luginbühls noch massiv verändern.
Übernahme der Schulleitung
In den 1990er-Jahren wurde es üblich, dass Lehrpersonen vermehrt in Teilzeitpensen unterrichteten. So wuchsen die Lehrerteams und der Kanton installierte Schulleitungen. Ab 1997 übernahm Barbara Luginbühl-Sieber diese Funktion an der Primarschule Krattigen. In der ersten Zeit erledigte sie die neuen Aufgaben noch nebenbei zum Vollpensum als Klassenlehrerin der Unterstufe. Laut Luginbühl war es nicht immer einfach, plötzlich nicht mehr nur Kollegin, sondern gleichzeitig auch Chefin zu sein.
Als dann vom Kanton eine Ausbildung für SchulleiterInnen angeboten wurde, absolvierte sie die nötigen Weiterbildungen und teilte sich den Unterricht an der Unterstufe und die Schulleitung eine Zeit lang mit Kollegin Marianna von Känel.
Ab Februar 2009 unterrichtete sie nicht mehr, übernahm aber zusätzlich zur Schulleitung Krattigen für mehrere Jahre auch noch jene der Schulen Kandergrund und Kandersteg und später der Primarschule Leissigen. Die letzten fünf Jahre nun konzentrierte sich Luginbühl ganz auf die Schulleitung in Krattigen.
Auszeiten und Höhepunkte
Zwischendurch nahm sich Barbara Luginbühl-Sieber auch mal eine Auszeit vom Schulbetrieb. Nicht nur für Weiterbildungen in ihrem angestammten Beruf, sondern auch, um sich im Bereich der Erwachsenenbildung und für ihre Herzensangelegenheit, die Kunstvermittlung, ausbilden zu lassen. Dies ermöglichte ihr seinerzeit auch, am neu gegründeten Zentrum Paul Klee im Kindermuseum Creaviva das Einrichten der Kunstateliers zu koordinieren und die Angebote für Schulen mitzuentwickeln. Hier durfte dann die Schule Krattigen am Pilotprojekt teilnehmen. Die Reise ins Kunstmuseum mit allen Klassen inklusive Kindergarten sieht Barbara Luginbühl-Sieber noch heute als einen der Höhepunkte ihrer Zeit an der Schule Krattigen.
Auch die beiden Zirkusprojekte in den Jahren 2010 und 2018 mit der Primarschule Krattigen bleiben Luginbühl als absolute Highlights in Erinnerung. Nicht nur den mitwirkenden Kindern und dem Lehrerteam, auch den Eltern, Grosseltern und überhaupt der ganzen Dorfbevölkerung wurden damit unvergessliche Momente im Zirkuszelt beschert.
Selbstbewusste SchülerInnen, fordernde Eltern
Nebst der Einführung von neuen Schulmodellen und dem gesteigerten Administrationsaufwand sieht Barbara Luginbühl-Sieber das gestärkte Selbstvertrauen der SchülerInnen als eine der grössten Veränderungen. So wirken bereits die Kindergartenkinder heute oftmals nicht mehr wie «scheue, kleine Mäuschen» sondern äussern schon selbstbewusst ihre Meinung. Die Eltern treten heute sehr viel fordernder auf, was den Umgang nicht immer ganz einfach macht. Hier ist heutzutage nebst viel Fingerspitzengefühl manchmal durchaus auch juristisches Wissen gefragt. Dies alles machte den Arbeitsalltag jedoch immer wieder spannend und herausfordernd, meint Luginbühl.
Und natürlich ist das Lehrerkollegium, das die Schulleitung «zusammenhalten» und führen muss, um einiges gewachsen, vom erwähnten Quartett aus den 1980er-Jahren auf aktuell bis zu zehn Lehrpersonen.
Sehr positiv nimmt Luginbühl den Umstand wahr, dass heute auch die kleinsten Kinder im Schulhaus sehr viel besser integriert sind als früher. Sehr vieles läuft klassenübergreifend und so hat mittlerweile auch der Kindergarten seinen festen Bestandteil im Schulhausalltag.
Zeit, Neues auszuprobieren
«Das Leben ist kurz. Wenn nicht jetzt, wann dann?», so die Übersetzung des eingangs erwähnten Zitats und auch sozusagen das Motto für den Ausstieg Luginbühls aus dem Schulbetrieb ein paar Jahre vor der regulären Pensionierung. Barbara Luginbühl-Sieber meint dazu, momentan spüre sie noch so viel Energie, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt sei, um noch Neues anzupacken und auszuprobieren. Nun bleibt ihr viel Zeit, sich lange aufgeschobenen Projekten zu widmen. Dabei wird sicher auch ihre Herzensangelegenheit, die Kunst, nicht zu kurz kommen.