Acht aussergewöhnliche Jahrzehnte
15.07.2022 KanderstegJUBILÄUM Die entscheidenden Stationen im Leben des Adolf Ogi kennen vermutlich die meisten SchweizerInnen. Geboren in Kandersteg während des Zweiten Weltkriegs, in dem Monat, in dem die deutsche Wehrmacht Stalingrad überfällt. Der Vater Bergführer und ...
JUBILÄUM Die entscheidenden Stationen im Leben des Adolf Ogi kennen vermutlich die meisten SchweizerInnen. Geboren in Kandersteg während des Zweiten Weltkriegs, in dem Monat, in dem die deutsche Wehrmacht Stalingrad überfällt. Der Vater Bergführer und Gemeindepräsident, die Mutter Hotelangestellte aus Herzogenbuchsee. Die Primarschule mit dem Lehrer Rudolf Rösti, «meine Universität», wie Ogi sie noch heute nennt.
Der verwehrte Übertritt an die Sekundarschule, später drei Jahre Handelsschule in La Neuville, die ihm der Vater finanziert, obwohl das Geld knapp ist. Danach sechs Monate an der Swiss Mercantile School in London, 1962 die strenge Grenadier-RS in Losone.
Nach einer kurzen Station im Verkehrsbüro von Meiringen folgt im Oktober 1964, nach den aus Schweizer Sicht desaströsen Olympischen Winterspielen in Innsbruck, eine Anstellung beim Schweizer Skiverband SSV. Ogis Auftrag: die Spiele im japanischen Sapporo 1972 vorzubereiten und die Schweizer Delegation zum Erfolg zu führen.
Ogis Leute siegen – und Ogi siegt mit
Im Mai 1972 heiratet Ogi seine Frau Katrin. Im selben Jahr kehren die Schweizer Athleten mit zehn Medaillen aus Sapporo heim, die Mission wird zum grossen Erfolg – auch für Adolf Ogi. 1975 wird er zum Direktor des Ski-Verbandes gewählt. 1981 tritt Ogi als Präsident des SSV zurück, es folgt das Amt des Generaldirektors der Intersport Schweiz.
Parallel zum sportpolitischen entwickelt sich Ogis parteipolitischer Erfolg. 1978 Eintritt in die SVP, schon 1979 folgt die Kandidatur für den Nationalrat. Ogi wird mit einem sehr guten Ergebnis gewählt, er erhält über 56 000 Stimmen. Fünf Jahre später wird er zum Präsidenten der SVP gewählt. Spätestens jetzt traut man dem Kandersteger alles zu.
Zurecht: 1987 wird Adolf Ogi im zweiten Wahlgang zum Nachfolger von Leon Schlumpf in den Bundesrat gewählt. Die etablierte Schweizer Presse fremdelt mit dem Mann aus dem Bergdorf Kandersteg, sein Bundesrats«kollege» Otto Stich spricht später einmal von «sechs Bundesräten und einem Skilehrer». Ogi kann all das nichts anhaben. Er ist schon zu Beginn seiner Amtszeit der mit Abstand beliebteste Bundesrat – nicht trotz, sondern eher wegen seiner Herkunft, aus der er nie einen Hehl macht.
Ein Jahrhundertprojekt – und eine Niederlage
Von 1988 bis 1995 ist Ogi Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements und treibt dort mit viel Engagement das Jahrhundertprojekt NEAT voran – am Ende mit Erfolg.
Bei der Abstimmung um den EWR-Beitritt der Schweiz wirbt Ogi – gemäss der bisherigen Bundesratsstrategie – für ein Ja. Weil es jedoch heisst, der Bundesrat habe der (damaligen) EG ein Beitrittsgesuch zukommen lassen, geht die Abstimmung knapp verloren. Zu spät weist der Bundesrat, auch Adolf Ogi persönlich, darauf hin, dass man bei der EG lediglich um Aufnahme von Verhandlungen ersucht habe – die historische Abstimmung geht im Dezember 1992 knapp verloren.
Zu Ogis Negativerfahrungen als Bundesrat gehört zweifellos auch die Alpeninitiative, die im Februar 1994 nach einem teilweise gehässigen Abstimmungskampf angenommen wird. Dass die Initiative bis heute nicht wirklich umgesetzt ist, gibt dem damaligen Verkehrsminister im Nachhinein in gewisser Weise recht: Ogi hatte von Anfang an auf mögliche Vollzugsprobleme hingewiesen.
1995, nach andauernden Querelen mit Otto Stich, übernimmt Adolf Ogi das Militärdepartement (damals noch EMD) und passt die Ausrichtung der schweizerischen Verteidigungsstrategie den nach 1989 veränderten Gegebenheiten an. Auch hier setzt er markante Akzente, und zwar in Richtung einer Anpassung an die nach Ende des Kalten Krieges veränderte Bedrohungslage. So treibt er den Beitritt der Schweiz zum NATO-Programm «Partnerschaft für den Frieden» voran. Ogis Entscheid, 1999 Schweizer Soldaten in den Kosovo zu entsenden, findet nicht nur Fürsprecher. Ein erbitterter Gegner dieses Entscheids sind ein gewisser Christoph Blocher und seine Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS).
«Torino!»
1998 bahnt sich eine weitere Niederlage in der (sport)politischen Karriere des Adolf Ogi an, als dieser sich zum Präsidenten der Olympiakandidatur «Sion 2006» wählen lässt. Nach 1976 und 2002 scheitert Sion zum dritten Mal bei einer Olympiabewerbung – unter anderem wohl deshalb, weil Rom eine deutlich höhere Garantie zur Übernahme eines allfälligen Defizits abgegeben hat als die Schweiz. Unvergessen die Fernsehbilder, als IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch schliesslich die Wahl des Austragungsortes bekannt gibt. Beim Wort «Torino» vergräbt Ogi das Gesicht in den Händen. Sion war als Favorit ins Rennen gegangen – nun herrscht grenzenlose Enttäuschung. Fast 20 Jahre später, im Juni 2018, werden es die Walliser selbst sein, die «Sion 2026» beerdigen.
Unermüdlich engagiert
Am 18. Oktober 2000, als er zum zweiten Mal Bundespräsident ist, gibt Adolf Ogi seinen Rücktritt als Bundesrat zum Jahresende bekannt. Danach übernimmt er ein UNO-Mandat als Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden. In dieser Funktion ist er bis zu dessen Ausscheiden aus dem Amt direkter Berater von UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Seine Kernbotschaft: Sport ist die beste Lebensschule.
Auch nach seiner Zeit bei der UNO engagiert sich Adolf Ogi in zahlreichen Funktionen und Ämtern, viele davon sind angesiedelt im Bereich des Sports. So setzt er sich massgeblich dafür ein, dass in Kandersteg wieder eine funktionstüchtige Schanzenanlage gebaut werden kann. Mit der von ihm gegründeten «Stiftung Freude herrscht» im Andenken an seinen früh verstorbenen Sohn Matthias unterstützt Ogi Projekte, die Kindern ein gesundes Selbstbewusstsein vermitteln und körperliche Leistungsfähigkeit fördern.
Hinzu kommen all die kleinen Einsätze, die quasi unter dem Radar der Öffentlichkeit laufen: Vorträge, Grussworte, Besuche im kleinen Kreis. Nicht zuletzt war und ist Adolf Ogi der beste Botschafter seines Heimatortes. Dass er das Amt des inoffiziellen Tourismusdirektors ganz nebenbei so erfolgreich ausüben kann, liegt vor allem daran, dass er im ganzen Land nach wie vor so bekannt und beliebt ist wie kaum ein zweiter Spitzenpolitiker. Oder wie es in einem SRF-Fernsehbeitrag einmal ausgedrückt wurde: «In der jüngeren Schweizer Geschichte gibt es keinen wie ihn – vorher nicht und nachher nicht.»
In diesem Sinne und auch, wenn er etwas zu früh kommt: Herzlichen Glückwunsch, Adolf Ogi!
REDAKTION
Geschichte(n), Anekdoten, Glückwünsche
Anlässlich des runden Geburtstags von alt Bundesrat Adolf Ogi am 18. Juli hat der «Frutigländer» Freunde, Begleiter und Mitstreiter gebeten, dem Jubilar ein paar Zeilen zu widmen. Herausgekommen ist eine vielfältige Mischung, die nicht zuletzt die grosse Verbundenheit der Region mit «ihrem» Bundesrat belegt. Wir wünschen viel Spass bei der Lektüre.
REDAKTION
Ein begnadeter Redner
Ich durfte Dölf Ogi soeben anlässlich der Vernissage zur Ausstellung zu seinen Ehren im Haus der Museen in Kandersteg treffen. Wie immer war ich von seiner Vitalität, seinem inneren Feuer, das auch mit 80 Jahren unverändert für eine gute Politik in unserem Land lodert, berührt. Es ist dieses Feuer, das mich bei Dölf Ogis Ansprachen stets begeistert. Als ich noch zur Schule ging, durfte ich als Tambour der Musikgesellschaft Kandersteg die schönen Empfänge von Adolf Ogi bei seiner Wahl zum Bundesrat und zweimal nach der Wahl zum Bundespräsidenten miterleben. Da haben jeweils viele Leute gesprochen. So richtig die Bevölkerung zu begeistern vermochte aber nur einer, unser Dölf. Dies war auch der Anstoss für meine persönliche Begeisterung für die Politik, die bis heute anhält. Dass mich dieses Vorbild, Bundsrat Adolf Ogi, dann während meiner persönlichen politischen Karriere stets unterstützt und bis heute gefördert hat, werde ich ihm nie vergessen. In Bezug auf das Wirken von Bundesrat Adolf Ogi sind das natürlich Nebenschauplätze. Viel wichtiger ist sein wohl grösstes Werk für die ganze Schweizer Bevölkerung, die Realisierung der NEAT, ein Bauwerk von weltweit historischer Bedeutung. Da sage ich einfach ein herzliches Merci für alles und gratuliere zum 80. Geburtstag mit den besten Wünschen für eine gesunde und freudvolle Zukunft.
ALBERT RÖSTI, NATIONALRAT
Der Möglichmacher
1987 absolvierte ich mit der Schweizer Skisprungnationalmannschaft einen Trainingskurs in Kandersteg und lernte dort Dölf Ogi kennen, als er mit einem Freund aus England zu Fuss die Sprungschanzen erklomm. 1988 haben wir uns wieder getroffen, als der Bundesrat Adolf Ogi die Schweizer Olympiadelegation während der Olympische Spiele in Calgary besuchte. Als es 2005 darum ging, die Nordic Arena in Kandersteg zu sanieren, hat Dölf seine Hilfe spontan zugesichert.
Durch seine Art und seine Leidenschaft, sich für etwas einzusetzen, konnte Dölf sein Umfeld immer wieder zu grossartigen Leistungen motivieren. Mit seinem Optimismus und Weitblick konnte er Begeisterung auslösen. Dank seines Engagements und dank seines Netzwerkes, aber auch aufgrund seiner Ausstrahlung konnte Dölf die entscheidenden Kontakte knüpfen, die für die Realisierung eines derartigen Projektes nötig waren.
Für seine Unterstützung und für sein Engagement beim Bau der Nordic Arena in Kandersteg werde ich ihm immer dankbar sein. Ohne Dölf Ogi gäbe es in Kandersteg keine Nordic Arena.
In diesem Sinne wünsche ich Dir alles Gute zu Deinem 80. Geburtstag und gute Gesundheit!
ROBERT RATHMAYR, EHEMALIGER VERWALTUNGSPRÄSIDENT NNSK
Der entscheidende Telefonanruf
Lieber Dölf, herzliche Gratulation zu Deinem runden Geburtstag. Bis heute bist Du der beliebteste Bundesrat unter den ehemaligen und aktiven Bundesräten geblieben. «Mi muess Mensche möge», war einer Deiner wichtigen Grundsätze. Du hast Staatsoberhäupter, Handwerker oder Älpler alle mit dem gleichen Respekt behandelt. Stolz erzählte mir ein Älpler, wie er Dich auf seinem landwirtschaftlichen Transportfahrzeug, dem Eiger, von der Bundalp auf die Griesalp mitgenommen hat und Du ihm als Bundesrat Gehör für seine Anliegen gegeben hast. Du warst als Bundesrat auch noch in der Lage, selbstständig und ohne Expertenberichte zu entscheiden.
Gerne erinnere ich mich an Deine Unterstützung während des Lawinenwinters und dem Sturm «Lothar» im Jahre 1999. Um Hilfe vom Militär zu bekommen, sollten wir mehrere Formulare ausfüllen, die dann durch mehre Stellen abgesegnet werden sollten. Nach einem Telefonanruf mit Dir hast Du uns innert zwei Stunden zwei Super-Pumas zur Verfügung gestellt, um Evakuationen und die Versorgung nach Adelboden und Kandersteg sicher zu stellen. Nachträglich habe ich vernommen, dass die Beamten die Formulare selber ausfüllen mussten, was zur Folge hatte, dass es eine Verschlankung der Gesuche gab.
Manche PolitikerInnen der jüngeren Generation könnten von Dir noch viel lernen. Darum wünsche ich Dir weiterhin die Gesundheit und den Mut, in wesentlichen Politikbereichen Deine Meinung zur Versachlichung kund zu tun.
E Gruess vom Bärg u häbs Guet
CHRISTIAN RUBIN, ALT REGIERUNGSSTATTHALTER
Wohlbehütet
Ich erinnere mich nur an eine Episode, die ich mit meinem um vier Jahren jüngeren Cousin Döfi erlebte: Ich muss etwa 8-jährig gewesen sein, als mein Onkel und Götti mich und seinen Sohn Döfi Junior einmal zu den Verbauungen am Wetterbach mitnahm. Für uns Buben gab es viel zu entdecken und wir waren in unser Spiel versunken. Plötzlich kam mein Onkel angerannt und befahl uns lauthals, in Deckung zu gehen. Über uns kreiste nämlich ein Steinadler, den wir überhaupt nicht bemerkt hatten. Zu dieser Zeit herrschte noch die Meinung, Adler packten mit ihren Krallen auch kleine Kinder und würden sie im Horst ihren Jungen zum Frass vorlegen. Das zeigte mir, wie Adolf Senior fürsorglich mit seinen Kindern umging – trotz oder vielleicht genau wegen seiner nicht ungefährlichen Berufe als Bergführer und Förster.
HERMANN OGI, COUSIN VON ADOLF OGI
In Stein gemeisselt
Vor mehr als zehn Jahren ging ich mit den Kindern im Oeschiwald spazieren. Was heisst spazieren? Wir rannten herum, spielten Verstecken und erkundeten die Gegend.
Irgendwann stand ich vor einer Felswand, an der auf Augenhöhe kleine Schilder angebracht waren. Beschriftet waren sie jeweils mit ein paar Worten und einer Zahl. «Freude herrscht» stand auf einem, auf anderen las ich «Ogi und Kofi», «Ohne Wenn und Aber» und «Nordportal». Ich konnte mir auf diese Tafeln keinen Reim machen.
Heute weiss ich: Ich stand damals vor dem sogenannten «Ogifelsen». Die für mich rätselhafte Beschriftung zeigt Sportkletterern die verschiedenen Routen und ihren Schwierigkeitsgrad an. Und was läge in Kandersteg näher, als sie nach markanten Stationen im Schaffen des Adolf Ogi zu benennen?
Wie im richtigen Leben herrscht übrigens auch am «Ogifelsen» nicht ausschliesslich Freude. Eine Tour heisst zum Beispiel ganz hintersinnig: «IlluSion»
MARK POLLMEIER, REDAKTOR «FRUTIGLÄNDER»
Die brennende Torte
Zum 70. Geburtstag Adolf Ogis, alt Bundesrat und Ehrenbürger von Kandersteg, hatten wir zu einer kleinen Feier vor dem Gemeindesaal eingeladen. Daran nahmen seine Familie, Freunde und einige Weggefährten aus der Kandersteger Gemeinde und Politik teil.
In meiner damaligen Funktion als Gemeindepräsident hielt ich eine Laudatio und danach wollte ich Adolf Ogi eine grosse Torte mit 70 Kerzen übergeben. Nach meiner Ansprache meldeten sich noch weitere Personen zu Wort und auch der Jubilar hielt eine Rede.
Ich stand im Hintergrund mit der Torte und den angezündeten Kerzen zur Übergabe bereit. Während der Reden entstand aus den 70 Kerzen ein Flächenbrand und nur mit vereinten Kräften konnten wir alle Kerzen auspusten. Als wir der Meinung waren, dass nun wirklich alles gesagt worden sei, zündeten wir die Restkerzen nochmals an. Endlich konnte ich die spezielle Torte übergeben. Inzwischen hatte der Flächenbrand sich in eine flüssige Wachsglasur verwandelt. Bei der Übergabe war noch eine einzige, dafür grosse Flamme auszupusten. Statt mit Zucker war die Torte nun mit Wachs überzogen. Auch meine Hände und Kleider waren mit rotem Wachs verziert. Adolf nahm die Torte gelassen an, bedankte sich freundlich und meinte diskret, sie würden sie dann zuhause essen.
BRUNO JOST, ALT GEMEINDEPRÄSIDENT, KANDERSTEG
«Jung», «schön», «volkstümlich»
Adolf Ogi ist weltbekannt. Man denke nur an die nationalen und internationalen Erfolge in Sport und Politik. Für viele Menschen ist er schlicht der Inbegriff eines sozialen, rechtschaffenen und herzensguten Menschen. Ein solcher fehlt gerade heute im Bundesrat.
Als man 1986 über Adolf Ogi, den 40-jährigen Bundesratskandidaten aus Kandersteg, diskutierte, empfand ihn meine Mutter – sie entnahm die PolitNews der «Schweizer Illustrierten» – als jungen und schönen Skilehrer, der den alten Männern im Bundesratszimmer gut tun würde. Wohingegen die NZZ meines Vaters für Ogi als Qualifikation das Adjektiv «volkstümlich» gerade noch gelten liess. Er wurde dann ein «überparteilicher Bundesrat», weil er als SVP-Magistrat mit fast allen KollegInnen gut auskam – nur Otto Stich liess ihn kalt.
Der 20. Mai 1992 bleibt in historischer Erinnerung. Auf seine Anregung hin sandte der Bundesrat an diesem Tag einen Brief nach Brüssel mit dem Betreff: Beitritt der Schweiz zum EWR. Adolf Ogi war im letzten Jahrhundert schon überzeugt davon: die Zukunft der Schweiz liegt in Europa.
OSWALD SIGG, EHEMALIGER BUNDESRATSSPRECHER
«Säg mer nume ‹Döfi› wie ging»
Im Schulalter hatten mein Cou-Cousin und ich die gleichen Bergerlebnisse durch unseren Onkel Kilian Ogi, Hüttenwart auf dem Hohtürli. Zu Fuss mussten wir damals als zirka 7-Jährige bis ins Dorf Kiental marschieren. Speziell verbindet uns das Gasterntal und das Strahlen prägte uns schon als Buben stark. In Jugendjahren begegneten wir uns an verschiedenen sportlichen Anlässen und bei Familientreffen.
Während seiner politischen Karriere konnte ich mich mit meinem musikalischen Wirken einbringen. Aus meiner Feder entstanden der «National- und der Bundesrat Adolf Ogi-Marsch». Letzterer fand Platz in der Blasmusik und wurde zu seiner Wahl als Single aufgenommen. Das Stück «So-so, Herr Bundespräsident» fand sich später ebenfalls auf volkstümlichen Tonträgern der Kapelle «Ogi-Buebe» (Name entstand durch Vater Hans Ogi mit den beiden Söhnen Hans und Heinz in den 70er Jahren). Buchstäblich den «allerhöchsten» Auftritt hatten Peter Wittwer und ich auf dem Konkordiaplatz auf über 3000 m ü. M. Mitten in dieser Naturkulisse für Adolf zu musizieren – ein unvergessliches Erlebnis.
Das Besondere an ihm ist, dass er als Mensch in seiner Art und seinem Umgang Generationen verbindet. Dazu erinnere ich mich an folgende Begebenheit:
Er besuchte die Sport-RS, in der Stefan Ogi (mein Sohn) dabei war. Per Handschlag begrüsste er jeden einzelnen Rekruten, die ihn wiederum mit «Herr Bundesrat» ansprachen. Adolf erkannte Stefan, klopfte ihm auf die Schulter und meinte bescheiden zu ihm: «Säg mer nume ‹Döfi› wie ging».
Wir freuen uns immer, wenn Adolf und Katrin bei uns einkehren, wir zusammen «brichten», und uns fragen: wiisch no?»
Alles Gute zu deinem Geburtstag!
HEINZ OGI, COU-COUSIN VON ADOLF OGI
Der freche Journalist
In den 1990er-Jahren beförderte der damalige EVED-Vorsteher Ogi enthusiastisch das Projekt «NEAT-Lötschberg», welches ich als junger Journalist skeptisch beurteilte. Zu jener Zeit planten wir eine nicht ganz ernsthafte Silvester-Radiosendung: Regionaljournal-Leute stellten dem willigen Bundesrat Ogi auf Tonband je eine witzige Frage, worauf ein Kollege bei ihm die Antworten einholte. Meine Frage: «Herr Ogi, wollen Sie mit Ihrem Tunnel nicht einfach ein gröberes Problem Ihres Departements lösen? Die NEAT macht nämlich den Scheiteltunnel Kandersteg-Goppenstein überflüssig – und Sie hätten darin endlich ein Endlager für radioaktiven Atommüll!» Ohä, hier hörte für Adolf Ogi der Spass auf. Seine Antwort war nicht sendbar; wütend beschied er meinem Kollegen: «Dä Koller söll nume grad sälber esmal hiehäri choo!»
Ein paar Tage darauf sass ich im Bundesratsbüro, wo mir Ogi ausführlich alle Vorzüge der Lötschberg-NEAT erklärte – und seinen Ärger, dass ausgerechnet ein Adelbodner «sein» Vorhaben kritisiere. Nun ja, nach dieser heftigen halben Stunde gingen wir doch noch versöhnt auseinander. Später einmal, als er Bundespräsident war, entdeckte mich Ogi am Steuer seines Audi zufällig an einer Berner Bushaltestelle. «Ystige!» rief er – und fuhr mich bis vor meine Haustür. «The President of Switzerland just drove me home»: Als ich Freunden in den USA davon erzählte, mochten sie es kaum glauben.
TONI KOLLER, EHEMALIGER DRS- / SRF-JOURNALIST, HEUTE KOLUMNIST BEIM «FRUTIGLÄNDER»
Kein «Herrliberg-Höriger»
Als ich 1983 in die SVP eintrete, ist Dölf Ogi Parteipräsident der SVP Schweiz – ein zusätzliches Argument, dieser Partei anzugehören. Es freut mich, ihn am 2. Juli 1993 als Bundespräsidenten auf seiner «Schulreise» in der Wandfluh AG begrüssen zu dürfen. Seither kreuzen sich unsere Wege verschiedentlich. Unsere gemeinsame Zeit in Bundesbern dauert leider nur ein Jahr und als Wirtschaftspolitiker habe ich relativ wenig mit dem EMD-Chef zu tun. Wir treffen uns später wieder im Patronatskomitee der Sprungschanze Kandersteg. Sein Ansehen und seine breite Vernetzung in Politik und Wirtschaft sind sehr hilfreich bei der Realisierung des Neubauprojekts. Am 75-Jahr-Jubiläum der Wandfluh AG streicht er in seiner gelungenen Ansprache unsere verbindenden Elemente heraus – als nicht immer auf Herrliberg hörender Politiker und als unseren Gattinnen den Staubsauger nicht strittig machender Pensionär. Ich wünsche Dölf Ogi alles Gute zum Geburtstag und hoffe, dass wir uns noch oft zu den regelmässigen, gemütlichen Anlässen unter «Altpolitikern» treffen können.
HANSRUEDI WANDFLUH, EHEMALIGER SVP-NATIONALRAT
Der verdächtige Koffer
Während Adolf Ogis Zeit im Bundesrat mutierte die Musikgesellschaft Kandersteg gelegentlich zur inoffiziellen Staatskapelle der Schweiz – nämlich dann, wenn Ogi als Bundespräsident in seinem Heimatdorf zu Besuch war. Diese besonderen Auftritte haben natürlich auch im Vereinsarchiv der MG Kandersteg ihren Niederschlag gefunden. Im Jahresbericht 1993 findet sich die folgende Notiz: «Der Empfang von Adolf Ogi war ein Riesenfest. Obwohl wir 25 Minuten bei grosser Kälte auf dem Perron warten mussten, sind unsere Instrumente nicht eingefroren. Nur ein Notenkoffer musste entfernt werden, da der Verdacht auf eine Bombe bestand.»
Dass man einen Musikantenkoffer für einen Sprengsatz hält, ist in den letzten Jahren nicht mehr vorgekommen. Aber noch immer hat die MG Kandersteg einen Marsch im Repertoire, der die besondere Verbindung zu ihrem Bundesrat symbolisiert. Sein Titel, wie könnte es anders sein: «Freude herrscht!»
MG KANDERSTEG
Der Alphornbläser
Wenn man viele Jahre einen so profilierten Chef hatte wie Dölf es war, dann könnte man schon einige «Müsterli» erzählen. Viele Reminiszenzen werden wieder lebendig und man fühlt sich zurückversetzt in die «gute alte Zeit». Spontan kommen mir die schönen und sehr interessanten Militärkader-Seminare unter der Leitung von Dölf in den Sinn. Der Start in den Tag mit tiefgreifenden Gedanken im schmucken Kirchlein in Kandersteg, ja das war die Handschrift von Dölf. Nun erwartet man von mir aber eine möglichst lustige Begebenheit, welche nicht schon in seinen Anekdoten und Bücher vorgestellt wurden. Und da kommt mir der pustende Alphornbläser Ogi in den Sinn.
Die Geschichte ist die, dass der Schweizer Botschafter zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen eine Einladung gab. Kam hinzu, dass Dölf in Athen vom American College of Greece mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet wurde. Also waren illustre Gäste auf der Residenz des Botschafters anwesend.
Dann ergriff der Herr Botschafter das Wort und sagte, seine Frau, übrigens eine Israelitin, möchte den Herrn Minister Ogi gerne mit einer Einlage überraschen. Seine Frau habe dafür wochenlang ausserhalb Athens auf einem Hügel geübt. Alle waren gespannt, was jetzt kommen würde. Dann trat sie in die Mitte mit ihrem Alphorn und spielte gekonnt. Alle waren überrascht, dass eine Israelitin in Athen für Dölf vorspielt.
Womit Dölf aber nicht rechnete, war, dass die Dame nun ihn in die Mitte bat und ihm das Alphorn übergab. Sie möchte jetzt von einem echten Schweizer eine Kostprobe bekommen. Was dann kam, war mindestens zu Beginn doch recht kläglich. Und ich glaube mich zu erinnern, dass Dölf die Einlage als nicht wahnsinnig witzig empfand. Aber für uns alle war es sehr unterhaltsam, für einmal einen pustenden und nach Atem ringenden Dölf vor uns zu haben.
Deshalb würde ich Dölf empfehlen, sich jetzt noch für die Alphorntage vom 24. bis 27. August in Kandersteg anzumelden. Es gibt dort auch Anfängerkurse. Und Dölf am Schlusskonzert auf der Bahnhofmatte mit dem Alphorn wäre ja mal was anderes …
FAUSTUS FURRER, GEMEINDEPRÄSIDENT FRUTIGENS, DIVISIONÄR A.D.
Türöffner und Staatsmann
Nach seinem Rücktritt als Bundespräsident im Jahr 2000 fragten wir Dölf Ogi an, ob wir ihn als Präsidenten des Advisory Boards des Swiss Economic Forum (SEF) gewinnen könnten. Seine grosse Glaubwürdigkeit, Offenheit, die typische Schweizer Bescheidenheit und sein riesiges globales Netzwerk passten hervorragend zum grössten Wirtschaftsanlass der Schweiz. Dölf Ogi hat grosse Verdienste für die Schweizer Wirtschaft und besonders für die vielen innovativen Schweizer KMU und Jungunternehmen geleistet. Engagiert setzte er sich für die Förderung von gegenseitigem Respekt und Verständnis zwischen Politik und Wirtschaft ein, vermittelte bei Problemen und Missverständnissen und motivierte Firmenchefs und Unternehmerinnen, den Schritt in neue Zielmärkte zu wagen und neue Absatzkanäle zu erschliessen. Dölf begleitete mich auf unzählige Reisen in ferne Länder wie China, Indien, Brasilien, Kanada, USA etc., öffnete Türen zu den Staatspräsidenten und Ministern und ermöglichte damit den direkten Zugang zu den Entscheidungsträgern und Politikern. Dölf Ogi hat eine einmalige Fähigkeit, innerhalb kürzester Zeit eine emotionale Verbindung mit Menschen von jung bis alt aufzubauen. Man spürt seine unvoreingenommene Offenheit, seine tief verwurzelten Werte, seine Bescheidenheit und Ehrlichkeit und sein echtes Interesse an der Meinung anderer Menschen. Diese Eigenschaften haben ihn zu einem der besten Botschafter für die Schweiz gemacht. Dölf Ogi ist eine einzigartige Persönlichkeit, hat so viel bewegt und erreicht und ist immer bescheiden geblieben.
STEFAN LINDER, CO-GRÜNDER DES SWISS ECONOMIC FORUMS
Die spontane Spritztour
Wir Kandersteger freuen uns, dass unser «Döfi» trotz seiner vielen Erfolge, Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden einer von uns geblieben ist. Durch seine Naturverbundenheit, seinem grossen Einfühlungsvermögen, Wissen um die Sorgen der Bergbevölkerung und seinen eigenen persönlichen Schicksalsschlägen findet er die richtigen Worte und Ratschläge. Er hat vielen Persönlichkeiten sein Heimatdorf gezeigt. Dem französischen Präsident Mitterrand, dem englischen Kronprinzen Charles, dem belgischen Königspaar, Kofi Annan, Hans Küng und zweimal dem Gesamtbundesrat, um nur einige zu nennen. Ich erinnere mich an den Besuch des Thronfolgers Prinz Charles, als wir unter grossen Sicherheitsmassnahmen auf das Eintreffen warteten. Die Sicherheitsfahrzeuge trafen ein, doch die Staatskarosse mit dem Prinzen und Adolf Ogi fehlte. Grosse Aufregung allerseits. Ich habe die Sicherheitsbeamten beruhigt und dachte mir, er wollte seinem Gast wohl noch etwas Besonderes zeigen. Tatsächlich: Dölf hatte den Fahrer angewiesen, kurzerhand links abzubiegen und er hatte Charles die Kirche gezeigt. Die Begleitfahrzeuge wurden an einem Fussgängerstreifen angehalten und hatten dies nicht bemerkt. Sie waren allesamt vorbeigefahren. Kurze Zeit später kam der unbegleitete Wagen. Spontan zu tun, was er im Moment für richtig und wichtig hält: Das ist nur eine seiner Eigenschaften, die ihn zu einem so liebenswürdigen, grossartigen Menschen machen.
Herzlichen Glückwunsch unserem Ehrenbürger.
RENÉ-F. MAEDER GEMEINDERATSPRÄSIDENT KANDERSTEG
«The charismatic, optimistic guy from the mountains»
Vielleicht ist es die grösste Schwäche unseres Landes, dass wir unsere Stärken nicht verkaufen können. Die Schweiz hat so viele Vorzüge, aber international treten wir oft zu zaghaft auf. Umso mehr stechen seltene Persönlichkeiten wie Adolf Ogi hervor, die einerseits immer bodenständig und bescheiden bleiben, andererseits aber mit selbstbewusstem Optimismus überall den richtigen Ton treffen – auch auf der internationalen Bühne.
Adolf Ogi ist uns allen als souveräner Bundesrat und legendärer Kommunikator bekannt. Und trotzdem sind damit seine Verdienste noch nicht ausreichend gewürdigt. Auch mir ist erst vollständig bewusst geworden, wie erfolgreich er als grossartiger Fürsprecher, Werber und Aushängeschild für die Schweiz wirkte, als ich durch mein Amt die Welt der internationalen Diplomatie und Kontakte selbst näher kennenlernte. Dölf hat sich durch die – manchmal eigenartigen und einengenden – diplomatischen Gepflogenheiten nie zurückbinden lassen, sondern hat sie mit gewinnender Eigenständigkeit interpretiert; auch schwierige Situationen zwangen ihn nicht in die Defensive, vielmehr hat er mit kluger Kreativität überall Chancen gefunden und geschaffen, um für unser Land das Beste herauszuholen.
«Freude herrscht» war nicht nur ein Slogan, sondern eine Lebenshaltung, die er ausgestrahlt hat und die auch im Ausland in positivster Erinnerung geblieben ist. Ich habe an unerwarteten Orten auf der Welt noch Leute in ganz verschiedenen Funktionen getroffen – vom Botschaftspersonal bis zu höchsten Amtsträgern – die sich mit kollegialer Freude an «this charismatic guy from the Swiss mountains with his incredible optimism» erinnerten.
Adolf Ogi hat unsere allergrösste Anerkennung verdient und vor allem auch unseren ausdrücklichen Dank für alles, was er für die Schweiz geleistet hat.
Herzliche Gratulation, lieber Dölf! Ich wünsche Dir zu Deinem Geburtstag von Herzen alles Gute!
UELI MAURER, BUNDESRAT