Bleiben die Hofläden auch nach Corona?
29.07.2022 WirtschaftLANDWIRTSCHAFT Hofläden oder «Übernachten im Stroh»: Auch im Tal setzen Landwirtschaftsbetriebe auf solche Nebenerwerbe. Manche dieser Angebote erlebten während der Pandemie einen Boom, der sich kurz darauf jedoch als Strohfeuer entpuppte. Wie sieht es im Tal aus? ...
LANDWIRTSCHAFT Hofläden oder «Übernachten im Stroh»: Auch im Tal setzen Landwirtschaftsbetriebe auf solche Nebenerwerbe. Manche dieser Angebote erlebten während der Pandemie einen Boom, der sich kurz darauf jedoch als Strohfeuer entpuppte. Wie sieht es im Tal aus?
KATHARINA WITTWER
Bei Bauernhöfen oder Alphütten entdeckt man auch im Frutigland vielerorts kleine Verkaufsstellen und Kühlschränke, an / in denen vor allem Käse, Trockenwürste, Eier, Nidletäfeli, Sirup, Eier oder Honig auf KäuferInnen warten. Diese Produkte gelten wohl als «vom eigenen Hof», doch auch sie müssen veredelt, verpackt, beschriftet und gelagert werden. Die Preise für Zucker, Gläser, Folien, Geschenkkarton usw. und der Strom zum Einkochen und zum Betreiben der Kühlanlagen sind in den letzten Monaten gestiegen und werden möglicherweise weiterhin in die Höhe klettern.
Enger Spielraum für Bewilligungen
Nebst der Milchwirtschaft auf ihrem Bio-Betrieb an der Hirzbodenportstrasse in Adelboden halten Büschlens als Nebenerwerb 500 Legehennen. Vor einigen Jahren richteten sie einen Selbstbedienungs-Hofladen ein, in dem sie nebst den traditionellen Erzeugnissen auch tiefgefrorenes Kalb- und Rindfleisch von ihren eigenen Tieren anbieten. Samstags wird das Angebot nach Möglichkeit entweder mit selbst gebackener Züpfe oder Urdinkelbrot erweitert. Da die Bäuerin Margrit Büschlen sowieso einmal wöchentlich Eier nach Steffisburg in einen Partnerbetrieb liefert, nimmt sie Gemüse und manchmal auch Salat mit und vergrössert so ihr Wochenendangebot.
Weil ihr Hofladen recht abgelegen und der Umsatz nach Ende der Corona-Krise markant gesunken ist, mieten die Betreiber seit Anfang Jahr an der Landstrasse zusätzlich eine Garage in der Landwirtschaftszone. «Dort lief es wirklich gut», erzählt Margrit Büschlen. Trotz mündlicher Zusage darf sie ihre Produkte dort jedoch nicht mehr anbieten, denn der nahe gelegene Stall wird nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Eine derartige Verkaufsstelle muss nämlich entweder auf dem Bauernhofgelände oder in der Gewerbezone stehen. Soeben fanden Büschlens in der vorschriftgemässen Zone im Margeli einen neuen Standort, wohin sie in diesen Tagen ihr Angebot verlegen. Wie es dort laufen wird, ist noch nicht abzusehen.
Hofladen gilt bloss als «Nebenbei»
Zu Christine Rubins Hobby gehört das Herstellen von diversen Milchprodukten. Schon länger kaufen Passanten bei ihr verschiedene Käsesorten, ihre Fonduemischung oder was sie an Milchprodukten vorrätig hat. «Oft klingelte es zur Mittagszeit an der Haustüre und für jeden Kunden musste ich meine Arbeit unterbrechen. Die Nachfrage wurde immer grösser, vor allem seit wir das Haus direkt nebenan wochenweise vermieten. Auf den Hofladen-Boom, der im Frühling 2020 losging, wollte ich nicht aufspringen», erzählt die Bio-Bäuerin aus Faltschen. Erst letzten Herbst richtete sie in einer Garage einen Selbstbedienungsladen ein. «Das war eine grosse Erleichterung. So können wir unsere Produkte anbieten, unabhängig von den täglichen Arbeiten auf dem Betrieb. An Wochenenden ist der Hofladen oft gut besucht, denn auch viele Ferienhausbesitzer aus der Region stoppen hier und kaufen ein. Unsere nachhaltige Idee findet Anklang. Die Kunden bringen sogar die leeren Schraubgläser zurück, in die ich das Joghurt abfülle», erzählt Christine Rubin.
Manche Produkte werden teurer
Dominique und Daniel von Känel betreiben in ihrem neuen Haus weit oben an der Hanselenstrasse in Scharnachtal einen Hofladen. Die gelernte Floristin hat sich aufs Verarbeiten von Beeren, Früchten, Kräutern oder eingelegtem Gemüse spezialisiert. Vieles garniert sie mit zugekauften Accessoires und verpackt es als Geschenk in Klarsichtfolie. Weil es sich dabei mehrheitlich um gut haltbare Artikel handelt, beliefern von Känels Landi- und Volg-Läden, verschicken ihre Produkte per Post und gehen an verschiedene Märkte. Auf die allgemeine Teuerung haben sie reagiert und müssen die Verkaufspreise laufend anpassen.
Gäste beherbergen ist lukrativer
Nach Ausbruch der Corona-Krise schnellten die Buchungen für Ferien auf dem Land in die Höhe. Seither blieb die Nachfrage in der Region auf einem hohen Niveau stabil. Das bestätigt auch Christine Rubin aus Faltschen, die letztes Jahr das Nachbarhaus erwerben konnte. Seit sie es ganzjährig an Feriengäste vermietet, generiert sie einen neuen, zusätzlichen Nebenerwerb.
Auch Familie Thalmanns Nebenerwerb auf dem Aeschiner «Hattihof» ist der Tourismus. Auf ihrem Erlebnis-Bauernhof bieten sie in der warmen Jahreszeit «Schlafen im Stroh» an. Vor Corona waren es vor allem Schulklassen, die durchschnittlich während drei Tagen pro Woche Bauernhofluft schnupperten. Die beiden letzten Jahre waren es vor allem Familien und seit Frühjahr wieder Schulklassen plus Individualgäste. Christina Thalmann betreibt auch einen kleinen Selbstbedienungsladen. «Bleibt dort unter dem Strich etwas, umso besser», sagt sie. Thalmanns wollen und können das Tourismusangebot nicht erweitern, denn auf Bauernbetrieben muss der Haupterwerb aus der produzierenden Landwirtschaft stammen.
Agrotourismus und seine Bedeutung als Nebenerwerb
Um die wirtschaftliche Bedeutung des Agrotourismus in unserem Land zu messen, hat der Verband Agrotourismus Schweiz mit dem Institut Tourismus HES-SO Wallis und Studierenden im Frühling dieses Jahres eine landesweite Umfrage durchgeführt. Unter anderem wurde festgestellt, dass die Beherbergung die einträglichste Nebenerwerbsdienstleistung ist und 59 Prozent des Umsatzes der touristischen Aktivitäten innerhalb der Landwirtschaft ausmacht. Es kann angenommen werden, dass diese Zahl auch für Betriebe gilt, die weder bei Agrotourismus Schweiz noch bei Myfarm.ch angeschlossen sind.
WI