Der ganze VR ist zurückgetreten

  29.07.2022 Reichenbach, Kiental

Das Wasser, der Strom und das Geld fliessen – und doch herrscht in der Kleinwasserkraftwerk Howald AG, die mehrheitlich der Gemeinde gehört, Unruhe. Nach diversen Unstimmigkeiten ist der Verwaltungsrat zurzeit nicht beschlussfähig.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Zu reden gab das Wasserkraftwerkprojekt schon lange. 2017 schliesslich wurde das Vorhaben der Gemeinde definitiv auf Eis gelegt, da rund um die Wasserfassung keine Schutzzone errichtet werden konnte. Das Wasser der Lehenweid-Quelle durfte ohne diese Zone nicht in die öffentliche Wasserversorgung geleitet werden. Damit war auch das Kraftwerk-Projekt gestorben. Wenig später wurde dennoch ein neuer Anlauf genommen. Die private Brunnengenossenschaft Wengi «Läheweid» war nun für das Baubewilligungsverfahren verantwortlich und trat als Bauherrin auf. Das Wasser sollte nach der Turbinierung nur noch in deren private Versorgungsleitungen fliessen, die Gemeinde erstellte mit einer Ringleitung eine eigene unabhängige Versorgung für die anderen Wasserbezüger. Die Gemeinde übernahm schliesslich an der gemeinsamen Kleinwasserkraftwerk Howald AG gemäss Wasserrecht mit 62 Prozent die Mehrheit, die Brunnengenossenschaft 38 Prozent. Die Gemeindeversammlung stimmte einem Kredit von einer Million Franken zu, um das Kraftwerk zu realisieren. Seit der Inbetriebnahme im Mai 2020 liefert dieses zuverlässig über 500 000 kWh Energie – und Geld.

Persönliche Konsequenzen gezogen
Das Ganze wäre also eigentlich ein Grund zur Freude. Doch vor drei Wochen traten die beiden Gemeindevertreter im vierköpfigen Verwaltungsrat zurück. Es handelt sich um den Finanz-Gemeinderat Anton Imsand und den Gemeindepräsidenten Willy Matti. Imsand gab «persönliche Gründe» für seinen Entscheid an, er wolle einerseits kürzer treten und brauche andererseits die Unstimmigkeiten rund um das Kraftwerk nicht mehr. Matti sagt am Telefon, dass er sich nicht mehr vom Gemeinderat unterstützt gefühlt («weiss der Gemeinderat überhaupt, wie eine AG funktioniert?») und persönliche Konsequenzen gezogen habe. Dass er Ende des Jahres auch als Gemeindepräsident zurücktritt, sei teils eine Folge dieses «Gstürms». Offiziell wurde sein frühzeitiger Rücktritt damit begründet, dass nicht im selben Jahr der Gemeinde- und der Gemeinderatspräsident wechseln sollten. Anstelle von Imsand und Matti nahmen neu Gemeinderat Hans Rudolf Bachmann und Beat Schranz als Gemeindevertreter Einsitz im Verwaltungsrat.

Anfang letzter Woche traten nun auch die beiden Vertreter der Brunnengenossenschaft zurück: Andreas Schmid und Daniel Lauener (Verwaltungsratspräsident der Kraftwerk-AG). Faktisch ist der Verwaltungsrat, der gleichzeitig auch die Geschäftsführung erledigt, zurzeit nicht beschlussfähig, da mindestens drei von vier Verwaltungsräten bei Abstimmungen anwesend sein müssen. Lauener betont im Gespräch, dass sich die Vertreter der Gemeinde im Verwaltungsrat sehr für die AG engagiert hätten und innerhalb des Gremiums ein gutes Verhältnis geherrscht habe.

Mühe mit der Mehrfachrolle?
Wie also kam es zu den Rücktritten? Die Sachlage ist einigermassen kompliziert. Der alte Verwaltungsrat wirft dem Gesamtgemeinderat vor, sich in die operative Arbeit eingemischt und Entscheide nicht akzeptiert oder gar blockiert zu haben – und damit den Erfolg des Unternehmens zu gefährden. Der Gemeinderat habe Mühe, die verschiedenen Rollen der Gemeinde als Aktionärin, Verwaltungsratsmitglied und Aufsichtsbehörde auseinander zu halten. Als Beispiel führt Daniel Lauener eine Bausünde an. Knapp 400 Kubikmeter Felsausbruch vom Leitungsbau wurden im Rützistalgraben deponiert statt abgeführt, was gemäss einer Verfügung der Gemeinde als Baupolizeibehörde in Ordnung gebracht werden musste. Die Kosten dafür sollten von den Partnern des Bauwerks anteilsmässig als Nachkredit zum Baukredit gesprochen werden.

Die Gemeinde habe ihren Beitrag jedoch hinausgezögert, bis für die Wiederherstellung eine Fristverlängerung nötig geworden sei. «Ohne Geld können wir keine Aufträge erteilen», begründete der Verwaltungsrat den Antrag auf Verlängerung. Diesem wurde jedoch von der Gemeinde nicht stattgegeben, bis Gemeindepräsident und Verwaltungsrat Willy Matti nach eigener Auskunft direkt interveniert habe. Die Frist wurde schliesslich verlängert, der Nachkredit gesprochen – und der verlangte Zustand im Rützistalgraben ist bis Ende Juli wieder hergestellt worden.

«Man spürte von Beginn weg, dass der Gemeinderat irgendein Problem mit der Kleinwasserkraftwerk Howald AG hatte. Ich kann den Grund aber nicht klar definieren», sagt Daniel Lauener. Auf konkrete schriftliche Fragen des Verwaltungsrates habe der Gemeinderat keine relevanten Antworten geliefert, deshalb erfolgten die Demissionen im Verwaltungsrat. «Die Bürger haben ein Recht zu erfahren, wieso wir alle zurückgetreten sind. Sie hatten dem Kraftwerkbau und der gemeinsamen AG schliesslich zugestimmt», sagt er.

Neue Leute, bessere Kommunikation?
Kann Gemeinderatspräsident Hans Ulrich Mürner Klarheit schaffen? Er hat sich seit vielen Jahren mit dem Projekt befasst und auch an der Gemeindeversammlung für das Projekt geweibelt. «Wir haben als Gemeinde das grösste Interesse daran, dass das Kraftwerk und die Firma laufen. Wir bedauern die Rücktritte, haben aber mit Hans Rudolf Bachmann und Beat Schranz umgehend fähigen Ersatz aufgestellt. Nun ist es an der Genossenschaft, ihrerseits mit neuen Verwaltungsräten dafür zu sorgen, dass die AG wieder beschlussfähig wird.» Auf die Anschuldigungen geht der Gemeinderatspräsident nicht direkt ein, da die Vorwürfe schwer greifbar und wenig konkret seien. Die vom Verwaltungsrat geforderten Antworten seien vom Gemeinderat übrigens mündlich an einer Verwaltungsratssitzung gegeben, die schriftliche Version innerhalb der gesetzten Frist verschickt worden. An derselben Sitzung traten die Vertreter der Brunnengenossenschaft – wie im Vorfeld angekündigt – zurück, da sie vom Inhalt der mündlichen Antworten nicht befriedigt waren. Die schriftlichen Antworten haben sie übrigens nicht mehr erhalten, da sie bereits nicht mehr im Amt waren.

Für Hans Ulrich Mürner ist künftig vor allem die Kommunikation zwischen den Partnern verbesserungsfähig. Er setzt auf die neuen Köpfe im Verwaltungsrat, dass sie die ausgezeichnete wirtschaftliche Ausgangslage des Kraftwerks weiter nutzen können. Daniel Lauener bezweifelt hingegen, dass sich durch neue Leute und Kommunikation die Zusammenarbeit rasch verbessert. «Auch der neue Verwaltungsrat muss zuerst von der Gemeinde wissen, was diese will.» Dies zeigt vor allem, dass es Gesprächsbedarf gibt.

Kandidatensuche schwierig
Im alten Verwaltungsrat habe man darüber diskutiert, ob es noch sinnvoll sei, die Gemeinde als Partnerin zu haben, erklärt Lauener. Allerdings ist es kaum denkbar, dass diese ihren Anteil veräussert, sind doch nach Rückzahlung der Darlehen Gewinne zu erwarten. Zudem bedürfte dies eines erneuten Gemeindeversammlungsbeschlusses. Für die Brunnengenossenschaft gilt grundsätzlich dieselbe Ausgangslage: Sie ist auch auf das Wasser der Lehenweide für die Versorgung ihrer Genossenschafter angewiesen. Es kann also in der aktuellen Konstellation nur ein «Miteinander» der beiden Partner geben, damit man sich wieder am erfolgreich produzierenden Kraftwerk erfreuen kann.

Nächster Schritt bei der Problemlösung: Neue Verwaltungsräte wählen, um weiterarbeiten zu können. Es zeichnet sich aktuell aber ab, dass sich die Kandidatensuche für die Brunnengenossenschaft als schwierig erweisen wird.


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