DIE KOSTEN DES (NICHT-)LESENS
In Japan nennt man das Phänomen «Tsundoku». Und auch wenn dieser Begriff hierzulande nicht zum Grundwortschatz gehören mag: Was dahintersteckt, dürfte den meisten SchweizerInnen vertraut sein.
Von der Hoffnung auf stressfreie Zeiten ...
DIE KOSTEN DES (NICHT-)LESENS
In Japan nennt man das Phänomen «Tsundoku». Und auch wenn dieser Begriff hierzulande nicht zum Grundwortschatz gehören mag: Was dahintersteckt, dürfte den meisten SchweizerInnen vertraut sein.
Von der Hoffnung auf stressfreie Zeiten beseelt, betreten wir eine Buchhandlung. Das erworbene Objekt landet dann zuhause auf einem Bücherstapel – und bleibt dort auch liegen. Denn egal, zu welcher Tagesoder Jahreszeit: Irgendwie taucht stets etwas auf, das uns von der gemütlichen Lektüre abhält.
Erklärungsansätze für «Tsundoku» – also den Bücherkauf ohne anschliessendes Lesevergnügen – liegen auf der Hand. Lesen ist anstrengend und wir sind faul. Die Passivberieselung durch Netflix und Smartphone ist in solchen Situationen die bequemere Variante. Weil wir aber genau wissen, dass Bücherlesen eigentlich gut wäre (es ist wissenschaftlich erhärtet, dass lesende Menschen gesünder, entspannter und erfolgreicher durchs Leben gehen), versuchen wir es immer wieder – und der Stapel der ungelesenen Werke wächst.
In Japan würde man das Phänomen wohl «Anti-Tsundoku» nennen. Was dahintersteckt, dürfte auch den meisten SchweizerInnen vertraut sein: Wir nutzen regelmässig Medien, sind aber nicht bereit, dafür zu zahlen. Gemäss einer internationalen Studie gaben in der Schweiz im vorletzten Jahr 17 Prozent Geld aus, um Online-News zu konsumieren. Dem Rest ist der Preis zu hoch. Angemessen schienen jungen MediennutzerInnen westlicher Länder monatliche Ausgaben von 3 bis 5 Euro.
Für den Journalismus sind das keine guten Neuigkeiten. Deshalb zwei Ansätze, wie man diesem Trend entgegenwirken könnte:
• Wir degradieren den Beruf zum Hobby, belohnen die Journalisten mit einem Trinkgeld (immerhin 3 bis 5 Euro pro LeserIn und Monat) und hoffen dann inständig, dass etwas Anständiges rauskommt.
• Wir sparen beim «Tsundoku» und geben das Geld stattdessen für professionellen Journalismus aus.
JULIAN ZAHND
J.ZAHND@FRUTIGLAENDER.CH