Unbeschwert reisen
05.07.2022 GesundheitSommerferien: Endlich sind wieder Reisen ans Meer, in exotische Länder und auf andere Kontinente möglich. In Erinnerung bleiben sollte aber die Reiselust – und nicht die Reisekrankheit oder ein verdorbener Magen.
Es kann wieder losgehen, ab in die Ferien! Nach den ...
Sommerferien: Endlich sind wieder Reisen ans Meer, in exotische Länder und auf andere Kontinente möglich. In Erinnerung bleiben sollte aber die Reiselust – und nicht die Reisekrankheit oder ein verdorbener Magen.
Es kann wieder losgehen, ab in die Ferien! Nach den coronabedingten Einschränkungen der letzten zwei Jahre stehen diesen Sommer die Ampeln für Ferien im Ausland wieder auf Grün. Unbeschwerte Tage, entspannte Erholung, eindrückliche Erlebnisse und kulinarische Genüsse sollen die Ferien prägen. Auf unangenehm getrübte Tage unter dem Motto «übel unterwegs» möchte man dagegen möglichst verzichten.
Fehlt der Horizont, rebelliert der Magen
Störungen des Gleichgewichtssinns können Symptome der Reisekrankheit auslösen (Kinetose; griech. kinein = bewegen). Treffen kann es jeden Menschen, tatsächlich befällt die Reisekrankheit jedoch vor allem Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren. Unter den Erwachsenen leiden Frauen häufiger daran als Männer. Babys, bei denen der Gleichgewichtssinn noch nicht vollständig ausgebildet ist, sowie Menschen über 50 Jahre werden nur selten reisekrank.
Trotz des Namens handelt es sich streng genommen nicht um eine Erkrankung, sondern um eine Reaktion auf Reize, die vom Organismus als widersprüchlich wahrgenommen werden. Drei Systeme des Körpers kontrollieren laufend die Bewegungen und seine Stellung im Raum: die Augen nehmen die Umgebung wahr, im Innenohr liegt das Gleichgewichtsorgan und das sogenannte propriozeptive System registriert laufend unbewusst die eigenen Bewegungen, die Stellung von Kopf, Rumpf und Gliedmassen, die Muskelspannung, Haltung und Lage im Raum. Es wird auch als sechster Sinn des Menschen bezeichnet. Stehen die drei Systeme im Einklang, meldet das Gehirn: «Alles in Ordnung!» Erhält es jedoch widersprüchliche Signale, wird dies als Gefahr taxiert, worauf unter anderem das Brechzentrum aktiviert wird.
Was hilft gegen Reisekrankheit?
Auf kurvenreichen Strassen, auf Schifffahrten mit Seegang oder turbulenten Flügen stimmt das Bild der Umgebung, wie sie das Auge wahrnimmt, nicht mit den effektiven Bewegungen überein, die der Körper spürt. Gähnen, Müdigkeit, leichte Kopfschmerzen und Schwindel sind erste Vorboten, Kinder werden plötzlich ungewohnt ruhig und blass. Folgt ein kalter Schweissausbruch und hat man ein flaues Gefühl im Magen, ist es bis zum Erbrechen meist nicht mehr weit.
Die meisten Medikamente gegen die Reisekrankheit sind Antihistaminika (H1-Blocker), die das Brechreiz auslösende Histamin im Hirnstamm blockieren. Als Kapseln oder Zäpfchen werden sie eine halbe bis eine Stunde vor Abreise verabreicht.
Eine rasch wirksame Alternative sind Reisekaugummis, die erst bei Bedarf unterwegs gekaut werden. Überhaupt wirkt allein das Kauen eines Kaugummis der Übelkeit entgegen, wie eine aktuelle Studie belegt (siehe Text unten). Insbesondere bei Seereisenden ist der Wirkstoff Cinnarizin beliebt, der zusätzlich die Zirkulation im Innenohr (Gleichgewichtsorgan) und Gehirn verbessert. Nachteil aller erwähnten Medikamente ist, dass sie müde machen und die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen können.
Eine altbewährte und natürliche Alternative, die nicht müde macht, ist Ingwer (siehe Kasten rechts), den bereits die Seefahrer der Antike zu nutzen wussten.
Reisedurchfall – «Montezumas Rache»
Kulinarische Entdeckungen, fremdländische Küche und exotische Köstlichkeiten gehören zu den schönsten Genüssen auf Reisen. Was aber, wenn kleine Naschereien auf dem Markt, der Imbiss vom Strassenstand oder das üppig bestückte Buffet im Hotel zu viel werden? Dann kann einen «Montezumas Rache» ereilen, benannt nach dem Fluch des Aztekenherrschers gegen die spanischen Eroberer: Magen und Darm rebellieren. Reisedurchfall ist bei Weitem die häufigste Erkrankung. Je nach Ferienziel machen bis zu 50 Prozent der Reisenden diese unangenehme Erfahrung. Ganz plötzlich und heftig tritt der Durchfall auf, oft verbunden mit Blähungen und Magenkrämpfen. In etwa 80 Prozent der Fälle sind Bakterien dafür verantwortlich. Meist bessern sich die Beschwerden innert zwei bis drei Tagen, danach ist die Darmflora wieder im Gleichgewicht. Wichtig ist, dass Betroffene regelmässig trinken, um die mit dem Durchfall verlorene Flüssigkeit zu ersetzen.
Wer vorsichtig is(s)t und sich an die Reiseweisheit «cook it, peel it, boil it or forget it» hält (schäl es, koch es, siede es oder vergiss es), der kann manchem Ungemach entgehen. Das Hefepilz-Präparat «Saccharomyces boulardii» (benannt nach dem Entdecker, dem französischen Mikrobiologen Henri Boulard) ist in Form von Kapseln oder Pulver ein bewährtes Mittel gegen Durchfall für Alt und Jung (einsetzbar bereits ab dem Säuglingsalter). Auch zur Vorbeugung ist das Mittel wirksam, wenn die Einnahme bereits einige Tage vor Reisebeginn erfolgt.
Wen unterwegs eine Lebensmittelvergiftung erwischt, dem seien Okoubaka-Tropfen empfohlen, ein traditionelles, gerbstoffhaltiges Mittel aus einer afrikanischen Baumrinde, das gegen Verdauungsbeschwerden wirkt und bei Kostumstellung und Lebensmittelunverträglichkeiten hilft (siehe Kasten rechts).
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
Weiterführende Links finden Sie online unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Die scharfe Knolle gegen Reisekrankheit
Heilpflanzen wie Minze, Kümmel, Koriander oder Zitrone haben sich als wirksame Mittel gegen Übelkeit (Antiemetika) erwiesen. In der traditionellen Medizin wird Ingwer seit über 2000 Jahren eingesetzt. Der Scharfstoff Gingerol blockiert im Magen Serotonin, bekannt als Hauptauslöser von Reiseübelkeit. Zusätzlich stimulieren die Scharfstoffe die Darmtätigkeit und die ätherischen Öle des Gewürzes beruhigen die regulierenden Zentren im Zentralnervensystem.
Ingwer kann als Pastillen, in Form von kandiertem Ingwer oder Ingwerpulver eingenommen werden.
Als rezeptfreies Medikament zur Vorbeugung von Reisekrankheit sind Kapseln mit 250 mg Ingwerwurzelpulver für Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren verfügbar. Die Kapseln können auch geöffnet und das Pulver in Flüssigkeit aufgelöst eingenommen werden.
BI
Okoubaka – Baumrinde gegen Vergiftungen
Präparate aus Okoubaka, einer westafrikanischen Baumrinde, enthalten Gerbstoffe, die entgiftend, entzündungshemmend und leicht antibakteriell wirken. Einheimische benutzen die pulverisierte Rinde teelöffelweise als Medizin zur Vorbeugung von Vergiftungen jeglicher Art und zur Ausheilung von Magen-Darm-Infekten. Früher diente das Mittel den Vorkostern der Häuptlinge als Schutz vor Vergiftungen.
In der Schweiz ist das Präparat zur Behandlung von Gastroenteritis (Magen-Darm-Entzündung) nach Lebensmittelvergiftungen zugelassen. Erfahrungsgemäss kann es vor Fernreisen auch vorbeugend als ergänzende Vorsichtsmassnahme eingesetzt werden.
BI