Und täglich grüsst das Murmeltier
29.07.2022 Natur«Frutigländer»-Mitarbeiterin Yvonne Baldinini hat im Sillerengebiet in Adelboden über mehrere Tage eine Murmeli-Familie beobachtet. In den Morgen- und Abendstunden zeigten sich oft fünf der pelzigen Nager gleichzeitig. Nebst ihrem Bau finden sie offenbar noch in einer Sennhütte ...
«Frutigländer»-Mitarbeiterin Yvonne Baldinini hat im Sillerengebiet in Adelboden über mehrere Tage eine Murmeli-Familie beobachtet. In den Morgen- und Abendstunden zeigten sich oft fünf der pelzigen Nager gleichzeitig. Nebst ihrem Bau finden sie offenbar noch in einer Sennhütte Zuflucht.
YVONNE BALDININI
Murmeltiere leben in Familien von bis zu 20 Individuen. Die Gruppen bestehen aus einem Paar und dessen Nachkommen. Die Jungen aus mehreren Jahren bleiben zunächst bei ihren Eltern. Im Sommer sind die Nager damit beschäftigt, für den Winter vorzusorgen, indem sie sich eine Fettschicht anfressen. Besonders gern mögen sie Alpenklee, Mutterwurz, Wegerich-Arten oder Labkräuter. Sie verschlingen täglich rund ein Kilo Gräser.
Murmeltiere bauen weit verzweigte Tunnelsysteme. Der Winterkessel befindet sich bis zu sieben Meter unter der Erdoberfläche. Dort verbringen die Tiere geschützt die kalte Jahreszeit. Die Sommerkammer liegt bis zu eineinhalb Metern unter der Erde. Hier ruhen sie oder suchen Schutz, wenn die Hitze ausserhalb des Baus für sie zu stark wird. Zudem erstellen sie Fluchtröhren und eigene Toiletten.
Wache halten und warnen
Steinadler und Füchse sind ihre Hauptfeinde. Murmeltiere halten deshalb – in der typischen aufgerichteten Position – aufmerksam Wache, wenn sie sich ausserhalb ihres Baus bewegen. Gerade die meerschweinchengrossen Jungen sind im offenen Gelände einem hohen Risiko ausgesetzt. Der Steinadler deckt nämlich im Sommer zwei Drittel seiner Nahrung mit ihnen ab. Mit einem einzelnen schrillen Pfiff warnen Murmeli die anderen vor einer Gefahr, die bereits nah ist – etwa vor einem herabfliegenden Adler. Eine Serie mehrerer Pfiffe bedeutet dagegen, dass sich Feinde dem Revier nähern, aber die Familie noch nicht unmittelbar bedrohen.
Sieben Monate Winterschlaf
Im Herbst schleppen die Nager rund 15 Kilogramm trockene Pflanzenteile in die Nestkammern, um ihr «Bett» zu polstern und zu isolieren. Der Winterschlaf ist ein heikler Moment für den Organismus der Murmeltiere. Die Mitglieder eines Familienverbands schlafen gemeinsam aneinander gekuschelt rund sieben Monate lang. Die Wärme erhöht die Überlebenschance der Jungen. Manche wachen im Frühling trotzdem nicht mehr auf. Die Toten werden von ihren Verwandten aus dem Bau transportiert. Nach dem Aufwachen beginnt die Paarungsphase. Nach fünf Wochen Tragezeit kommen zwei bis sechs blinde, taube, nackte und zahnlose Junge zur Welt.
Von der Erderwärmung bedroht
Murmeltiere werden aktuell nicht mehr als gefährdet eingestuft. Zwar wurden sie bis ins letzte Jahrhundert stark gejagt, aber ihre Bestände haben sich erholt – was auch daran liegt, dass ihre natürlichen Feinde ebenfalls nur noch selten vorkommen. Noch heute wird das gereinigte Fett von Murmeli als entzündungshemmende und schmerzlindernde Salbe bei rheumatischen Beschwerden sowie bei entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt.
Doch die Klimaerwärmung macht den Nagern das Leben schwer. Murmeltiere sind Überbleibsel der Eiszeit und können mit Hitze nicht umgehen. Sie haben kaum Schweissdrüsen, weshalb sie schon ab Temperaturen von ca. 20 Grad Celsius in Stress geraten können. In den heisser werdenden Sommern verbringen sie immer mehr Zeit unterirdisch. Sie schaffen es mitunter nicht mehr, sich ausreichend Winterreserven anzufressen und verhungern in weiterer Folge. Alpenmurmeltiere können ansonsten rund zwölf Jahre alt werden.